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UNO: Millionen Frauen leben fremdbestimmt

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Wie in vielen anderen Bereichen drohen durch die Coronakrise auch Rückschläge bei Gleichberechtigung, sexuellen sowie reproduktiven Rechten. Die Pandemie sei nicht nur ein "Brennglas für die insuffiziente Autonomie von Frauen", sagte Barbara Maier, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung (ÖGF) anlässlich der Präsentation des UNO-Weltbevölkerungsberichts am Mittwoch in Wien. Maier rechnete mit "deutlichen Rückschritten in allen Ländern, auch bei uns".

Laut dem Bericht des UNO-Weltbevölkerungsfonds (UNFPA), der heuer unter dem Motto "Mein Körper gehört mir. Das Recht auf Autonomie und Selbstbestimmung einfordern" steht, verfügen nur 55 Prozent der Frauen in 57 untersuchten Ländern im globalen Süden über ausreichende "körperliche Autonomie". Das heißt, knapp die Hälfte der Frauen ist nicht vollständig in der Lage, Entscheidungen über ihre Gesundheitsversorgung und Empfängnisverhütung zu treffen und ungewollten Sex abzulehnen. Das sei empörend, so UNFPA-Chefin Natalia Kanem. Die erhobenen Daten zeichneten ein "alarmierendes Bild" des Standes der körperlichen Selbstbestimmung von Millionen Frauen und Mädchen, heißt es in dem Bericht.

Ausschlaggebend für die individuelle Entscheidungsmacht über den eigenen Körper sind demnach von der gesellschaftlichen und rechtlichen Lage eines Landes abhängig. Die Daten zeigen auch einen starken Zusammenhang zwischen Entscheidungsmacht und höherem Bildungsniveau.

Doch nicht nur in sogenannten Entwicklungsländern, auch in westlichen Staaten sind Frauen stärker von der Krise betroffen - Stichwort berufliche Diskriminierung, Mehrbelastung durch Homeschooling uä. und gerade während des Lockdowns sei etwa der Zugang zu (rechtzeitigen) Schwangerschaftsabbrüchen schwieriger gewesen, berichtete ÖGF-Präsidentin Maier. "Wenn wir nicht ausreichend körperliche Selbstbestimmung haben, haben wir auch viele Entfaltungsmöglichkeiten nicht, können Entscheidungen über verschiedene Lebensdimensionen nicht treffen", so die Vorständin der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe der Klinik Ottakring in einer Online-Pressekonferenz.

Aber auch Gewalt gegen Frauen hat laut dem UNO-Bericht dramatisch zugenommen. Mehr Frauen und Mädchen als je zuvor seien seit Pandemie-Beginn von geschlechtsspezifischer Gewalt und schädlichen Praktiken wie Frühverheiratung bedroht. 45 Prozent der Mädchen und Frauen in Ländern mit mittlerem oder niedrigen Einkommen können demnach nicht selbst entscheiden, ob sie Sex haben, verhüten oder medizinische Versorgung in Anspruch nehmen wollen.

Insbesondere Staaten und Regierungen seien bei der Verbesserung und Verwirklichung des Rechts auf Autonomie von Frauen gefordert, betonte NEOS-Abgeordnete Henrike Brandstötter, Mitglied der überparteilichen Österreichischen Parlamentarischen Gruppe für Sexuelle und Reproduktive Gesundheit und Rechte, kurz #parlaandsex. Konkret müssten Gesetze so geändert werden, dass der Ausübung sexueller Rechte "nichts im Weg steht". Viele Länder hätten hier noch einen weiten Weg vor sich, "wenn sie gewährleisten wollen, dass Frauen über sich selbst entscheiden können."

Für Österreich forderte die SPÖ-Abgeordnete Eva-Maria Holzleitner etwa eine bessere finanzielle Ausstattung für Beratungsstellen, eine adäquate Basisförderung für UNFPA sowie "guten, niederschwelligen" Zugang zu Verhütungsmitteln und Verhütungsberatung. "Das ist durchaus etwas, worüber man sich einig sein kann", betonte Holzleitner das "überfraktionelle Commitment" im parlamentarischen Ausschuss. Zudem seien mehr Mittel für Entwicklungszusammenarbeit (EZA) wünschenswert. Gerade in ärmeren Ländern könnte es durch die Coronakrise um zwei Millionen mehr Fälle weiblicher Genitalverstümmelung geben, wie der UNO-Bericht nahelegt.

Im Kampf gegen Gewalt an Frauen und Mädchen sei ein "Schulterschluss auf internationaler Ebene" notwendig, so Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) in einer der APA übermittelten Stellungnahme. Österreich werde in den kommenden vier Jahren der aktiven Mitgliedschaft in der UNO-Frauenstatuskommission (CSW) Gleichstellung von Frauen und ihren Schutz vor Gewalt weltweit vorantreiben, versprach Raab. Sie teilte zudem mit, mehr Mittel für Beratungsstellen für Betroffene von sexueller Gewalt bereitstellen und Betroffene von Zwangsheirat verstärkt unterstützen zu wollen.

Die Hilfsorganisation Licht für die Welt machte in einer Reaktion auf den UNO-Bericht auf die Wichtigkeit des Rechts auf selbstbestimmte Sexualität von Frauen und Mädchen mit Behinderungen aufmerksam. Diese seien noch stärker von Diskriminierung und Gewalt betroffen.

ribbon Zusammenfassung
  • Wie in vielen anderen Bereichen drohen durch die Coronakrise auch Rückschläge bei Gleichberechtigung, sexuellen sowie reproduktiven Rechten.
  • Maier rechnete mit "deutlichen Rückschritten in allen Ländern, auch bei uns".
  • Aber auch Gewalt gegen Frauen hat laut dem UNO-Bericht dramatisch zugenommen.
  • Mehr Frauen und Mädchen als je zuvor seien seit Pandemie-Beginn von geschlechtsspezifischer Gewalt und schädlichen Praktiken wie Frühverheiratung bedroht.

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