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Tschechischer Präsident bespricht Wahlergebnisse

Heute, 11:32 · Lesedauer 3 min

Der tschechische Staatspräsident Petr Pavel hat am Sonntag Konsultationen mit den Chefs jener Parteien aufgenommen, die bei den zweitägigen Parlamentswahlen am Freitag und Samstag den Einzug ins Abgeordnetenhaus geschafft hatten. Als erster auf die Prager Burg kam der Vorsitzende der populistischen Bewegung ANO, Andrej Babiš, dessen Gruppierung das Votum mit 34,5 Prozent und 80 Mandaten im 200-köpfigen Unterhaus klar gewonnen hatte.

Babiš sagte nach dem Treffen, er habe noch keinen Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. "Das wäre verfrüht", erklärte er gegenüber Journalisten. Erneut bestritt er Vorwürfe, seine Partei habe "pro-russische Haltungen": "Mir geht es darum, dass Europa funktioniert. Es entwickelt sich wirtschaftlich jetzt nicht gut", sagte Babiš, ohne dessen Partei praktisch keine Mehrheitskonstellation im Abgeordnetenhaus möglich ist.

Das bisher regierende Wahlbündnis Spolu (Gemeinsam) von Premier Petr Fiala hatte bei dem Urnengang eine schwere Niederlage erlitten. Spolu kam auf 23,4 Prozent der Stimmen, was 52 Abgeordnetenmandaten entspricht. Fiala, der Chef der konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS), gerät unterdessen unter Druck. Einer der Gründe dafür ist, dass die kleine christdemokratische Volkspartei (KDU-ČSL) 15 der 52 Mandate auf Grund von Vorzugsstimmen gewonnen hat. Dies sorgt für Kritik innerhalb der ODS, da die KDU-ČSL laut Wahlumfragen unter der Fünf-Prozent-Hürde liegt und damit im Falle einer eigenständigen Kandidatur den Einzug ins Parlament nicht schaffen würde.

Fiala erklärte nach seinem Treffen mit dem Staatschef mit Bedauern, dass die "Populisten und Nationalisten" die Wahlen gewonnen hätten. Er betrachte es aber als logisch, dass "laut der tschechischen demokratischen Tradition der Wahlsieger den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten" werde. Die künftige Regierungskoalition wird höchstwahrscheinlich auf dem Grundriss von ANO und zwei weiteren Gruppierungen entstehen - der rechtspopulistischen Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD) von Tomio Okamura mit 7,8 Prozent und 15 Mandaten und den rechtskonservativen Motoristen mit 6,8 Prozent und 13 Mandaten. Insgesamt hat das Trio eine bequeme Mehrheit von 108 Sitzen im 200-köpfigen Abgeordnetenhaus.

Babiš bestätigte, dass er in der Nacht auf Sonntag mit den Chefs der SPD und der Motoristen bereits erste Sondierungsgespräche geführt habe. "Die Verhandlungen werden fortgesetzt. Über eine eventuelle Einigung werde ich zunächst den Staatspräsidenten informieren", sagte Babiš. Die Frage ist, ob ANO, SPD und Motoristen eine Mehrheitsregierung bilden werden oder ob es auf ein ANO-Minderheitskabinett mit Duldung von SPD und Motoristen hinauslaufen wird. Babiš bevorzugt die zweite Alternative.

Im Unterhaus werden noch zwei weitere Parteien vertreten sein. Die bisher mitregierende liberale Bürgermeisterpartei (STAN) konnte 11,2 Prozent der Stimmen und somit 22 Sitze auf sich vereinen. Die oppositionellen Piraten erreichten neun Prozent und damit 18 Sitze. Die Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen lag bei knapp 69 Prozent.

Zusammenfassung
  • Die populistische ANO unter Andrej Babiš gewann die tschechischen Parlamentswahlen mit 34,5 Prozent der Stimmen und 80 Mandaten, erhielt aber noch keinen Regierungsauftrag.
  • Eine Regierungsmehrheit ist nur mit ANO, der rechtspopulistischen SPD (7,8 %, 15 Mandate) und den Motoristen (6,8 %, 13 Mandate) möglich, die gemeinsam 108 von 200 Sitzen erreichen.
  • Das bisher regierende Wahlbündnis Spolu erlitt mit 23,4 Prozent und 52 Sitzen eine deutliche Niederlage, während die Wahlbeteiligung bei knapp 69 Prozent lag.