Wohlgemuth gewählt - Tiroler SPÖ macht sich "Fit mit Philip"
Wohlgemuth hatte vor seiner Wahl in einer kämpferischen Rede im mit rund 360 Delegierten und Sympathisanten (inklusive Gastdelegierten) voll besetzten Forum 2 der Messe um die Gunst der Seinen geworben. Man sei "nicht Juniorpartner oder Beiwagerl" in der Koalition mit der Landes-ÖVP, sondern der "starke rote Motor." Er lade alle Tiroler ein, "ein Stück des Weges mit uns zu gehen", zitierte er den SPÖ-Säulenheiligen Bruno Kreisky.
Mehr als eine halbe Stunde lang währte die Rede Wohlgemuths - vor den Augen seines Vaters, des früheren SPÖ-Landtagsklubobmanns Ernst Pechlaner. Und entgegen seinem eigentlichen Naturell wurde es auch durchaus emotional: Sein Leben sei "auf den Kopf gestellt" worden, seit er vor einem halben Jahr zum roten Landeshauptmannstellvertreter und Frontmann avancierte. Das Ganze sei "eigentlich nie Teil meiner Lebensplanung" gewesen, erinnerte der frühere Landes-ÖGB-Chef. Er habe gemeinsam mit seinen Freunden die Landespartei "durch ein Wellental in ruhige Gewässer geführt." Nun wolle er die Partei zu einer "Homebase für den Fortschritt" machen. Nur wenn man "verbindlich, stark, glaubwürdig, geschlossen und entschlossen" auftrete, werde man bei der Landtagswahl 2027 reüssieren.
Wieder und wieder strich Wohlgemuth das "Team" und das "Gemeinsame" heraus. "Die Stärke entsteht aus dem Kollektiv." Man dürfe nicht zulassen, dass "rechte und neoliberale Kräfte das Land spalten": "Wir brauchen eine Gegenmachtsfähigkeit gegenüber Konservativen und rechten Kräften." Er stehe für eine "Öffnung" der Tiroler SPÖ, spielte er auf die am Parteitag zur Debatte stehenden "vier Themeninitiativen" an. Dies gelte auch personell, was die Einbeziehung von Nicht-Parteimitgliedern betrifft. Und er stehe für eine "Politik, die einbindet, Lösungen sucht und nicht auf Schlagzeilen schielt."
Die Sozialdemokratie wolle in Tirol Antworten auf alle Fragen haben. Aber vor allem stehe man - gemäß der Ressortverteilung - "für Wohnen, Soziales und Mobilität." Wohlgemuth propagierte unter anderem eine "soziale Boden- und Wohnungspolitik" und verwies darauf, dass man etwa an einer verschärften Leerstandsabgabe sowie der Baulandmobilisierungsabgabe arbeite. "Es braucht eine Sozialpolitik, die nicht nur repariert, sondern vorbeugt", gab der 38-Jährige als Maxime aus. Im Bereich Migration brauche es ein "Fördern und Fordern". Seinen ebenfalls anwesenden Vorgänger Dornauer, der vergangenen November über einen Jagdausflug mit René Benko gestolpert war, erwähnte Wohlgemuth übrigens nicht.
Babler mit scharfen Worten bei Pensionen
Vor der Rede Wohlgemuths hatte SPÖ-Vizekanzler und Bundesparteivorsitzender Andreas Babler am Vormittag sein "Grußwort" beim Ordentlichen Landesparteitag vor allem bundespolitisch genutzt - und zwar vor allem, um Forderungen aus der Wirtschaft nach einer Anhebung des Pensionsantrittsalters eine scharfe Absage zu erteilen. "Wer uns ausrichtet, dass wir bis 70 oder 75, bis zum Umfallen, arbeiten sollen, dem sage ich: Das wird nicht kommen."
Es gehe vielmehr darum, dafür zu sorgen, dass das jetzige tatsächliche Antrittsalter in der Realität auch erreicht werde. Inhaltlich machte Babler, der sein rotes Regierungsteam heftig lobte, zudem klar, dass im Zuge der "Sozialhilfe neu" auch die Kindergrundsicherung eingeführt werden müsse. In Bezug auf die prekäre Budgetlage ließ er deutliche Kritik an den Regierenden der vergangenen Jahre durchklingen - ohne die ÖVP beim Namen zu nennen: "Wir bringen Ordnung in das, was andere verbrochen haben." Wohlgemuth wünschte er unter kräftigem Applaus der Delegierten ein "starkes Ergebnis". Bereits vor dem Parteitag hatte Babler der Tiroler SPÖ eine "Aufbruchsstimmung und Geschlossenheit" attestiert.
Zur Wahl am späten Nachmittag war der Vizekanzler nicht mehr anwesend, schickte aber einen Glückwunsch per Aussendung und gratulierte zur "eindrucksvollen Wahl". Ebenso wie Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP), der einmal mehr die Zusammenarbeit lobte und bekundete, dass er Stellvertreter Wohlgemuth seit vielen Jahren kenne und schätze.
Ende der Ära Dornauer
Mit dem Parteitag endete die Ära Dornauer auch formell. Wohlgemuth hatte den Sellrainer bereits im Dezember als roten Landeshauptmannstellvertreter in der Regierung mit der ÖVP beerbt. Nun übernahm der 38-Jährige auch hochoffiziell das Führungszepter in der Landespartei. Dornauer, der nach massivem innerparteilichen Druck zurückgetreten war, muss sich vorerst mit der Position des einfachen Landtagsabgeordneten begnügen.
Nicht zu kurz kamen am Landesparteitag, der mit einer Lasershow samt akrobatischer Einlagen eröffnet worden war, übrigens auch die Ehrungen. Die höchste Auszeichnung der österreichischen Sozialdemokratie, die "Viktor-Adler-Plakette", erhielten unter anderem zwei prominente Tiroler SPÖ-Granden: Der frühere langjährige Landeshauptmannstellvertreter und Parteichef Hannes Gschwentner sowie die ebenso langjährige Ex-Nationalratsabgeordnete Gisela Wurm.
Zusammenfassung
- Philip Wohlgemuth wurde mit 95,93 Prozent der Stimmen (283 von 295) zum neuen Landesparteivorsitzenden der Tiroler SPÖ gewählt.
- Rund 360 Delegierte und Sympathisanten waren beim Parteitag in Innsbruck anwesend, bei dem Wohlgemuth eine Öffnung und einen Aufbruch der Partei versprach.
- Wohlgemuth kündigte Schwerpunkte auf Wohnen, Soziales und Mobilität an und nannte als konkrete Maßnahmen eine verschärfte Leerstandsabgabe und eine Baulandmobilisierungsabgabe.
- SPÖ-Bundesparteichef Andreas Babler sprach sich in einer Rede deutlich gegen eine Anhebung des Pensionsantrittsalters aus und forderte die Einführung einer Kindergrundsicherung.
- Mit dem Parteitag endete die Ära Dornauer offiziell, der nach innerparteilichem Druck zurückgetreten war und nun einfacher Landtagsabgeordneter bleibt.