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Timoschenko: Ukraine ist nur der erste Schritt Putins

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Die frühere ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko warnt vor einem Sicherheitsvakuum. Die aktuelle Weltordnung funktioniere nicht, der UNO-Sicherheitsrat werde durch die Vetomacht Russland blockiert. "Graue Sicherheitszonen" müssten verschwinden, um eine tatsächliche Abschreckung darzustellen, betonte Timoschenko am Freitag bei einer Konferenz des Austrian Institute for European and Security Policy (AIES) in der Diplomatischen Akademie in Wien.

"Graue Sicherheitszonen" würden seit dem russischen Angriff auf die Ukraine bereits verschwinden, verwies Timoschenko auf die Bestrebungen der bündnisfreien Staaten Finnland und Schweden, der NATO beizutreten. Sie stellte die rhetorische Frage: "Wenn die Ukraine 2008 die Möglichkeit bekommen hätte, Mitglied zu werden, wäre der Krieg dann ausgebrochen?" Auch Pufferzonen seien keine Lösung. "Wir sollten überlegen, was dieses Sicherheitsvakuum ausfüllen könnte", sagte Timoschenko. Sie selbst plädierte für ein "strenges europäisches Sicherheitssystem".

Dem russischen Machthaber Wladimir Putin gehe es um mehr als die Ukraine. "Wenn man Putins Reden liest, erkennt man, dass die Ukraine nur der erste Schritt ist. Er hat ein anderes Ziel", erklärte Timoschenko. Putin strebe ein Sammelbecken für all jene Kräfte an, die keine westliche Führungsstärke wollten und mit internationalem Recht unzufrieden seien. Es sei ein Kampf gegen "die gesamte freie Welt". Die Ukraine müsse kämpfen und gewinnen. "Denn die Sieger des Krieges werden die Regeln der neuen Weltordnung schreiben. Deswegen ist es notwendig, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt."

Auch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) sprach die Veränderung der Sicherheitsstruktur an, was sich etwa an den NATO-Bestrebungen Finnlands und Schwedens zeige. "Die Neutralität allein ist es nicht, die Österreich schützt. Aber unser Heer tut das", freute sie sich über eine Erhöhung des Verteidigungsbudgets, was eine lange "Durststrecke" beende. Das Bundesheer müsse ausgerüstet werden, um den Risiken und Herausforderungen zu begegnen.

"Österreich ist keine Insel", gab Tanner zu bedenken. Es gebe keine Alternative zu einer Europäisierung der Sicherheitspolitik. Und auch wenn in der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik schon einiges erreicht wurde, zeigte sich Tanner "überzeugt, dass wir noch viel mehr tun müssen". Das liege auch im Interesse Österreichs. Die Ministerin sagte auch künftig einen "angemessenen Beitrag" Österreichs zur europäischen Sicherheitspolitik zu. Der Beitrag sei "beachtlich", mehr als 800 österreichische Soldaten in 15 Auslandsmissionen aktiv.

Der frühere ukrainische Außenminister Boris Tarasjuk forderte die Wiederholung der Konferenz von San Francisco, bei der 1945 die Charta der Vereinten Nationen (UNO) erarbeitet wurde. "Russland wurde zum Paria und zur großen Bedrohung der internationalen Sicherheit". Gleichzeitig sei die transatlantische Einheit wiederbelebt und die NATO gestärkt worden, betonte Tarasjuk, der aktuell ukrainischer Botschafter in Straßburg ist.

Auch Hryhoriy Nemyria, Mitglied des außenpolitischen Ausschusses des ukrainischen Parlaments und Parteikollege Timoschenkos, sprach die Katalysatorrolle des Ukraine-Kriegs an. Putins Methode sei es, gegen internationale Regeln zu verstoßen, rote Linien zu überschreiten sei wie ein roter Teppich für Putin. Nemyria erinnerte an das Versagen des Budapester Memorandums von 1994, nach dem die Ukraine Russland ihr gesamtes Atomwaffenarsenal übertragen und im Gegenzug territoriale Integrität zugesagt bekommen hatte.

Ein Sieg über Russland sei unerlässlich, um eine diplomatische, politische Lösung zu erzielen. Nemyria warnte auch davor, den Krieg als bilaterale Angelegenheit zwischen Russland und der Ukraine zu betrachten. Auch die USA und China müssten an einer Lösung beteiligt sein. Denn eine der wesentlichen Sicherheitsbedrohungen sei, dass ein "trilaterales Wettrüsten zwischen Russland, den USA und China in Gang kommt mit neuen Elementen zusätzlich zu Atomwaffen".

"Unser gemeinsamer Sieg ist auch das Ende des Systems Putins, ein letzter Schritt des Zusammenbruchs der Sowjetunion", erklärte Timoschenko. Der frühere Ukraine-Sondergesandte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Martin Sajdik, verwies darauf, dass diese Diskussion in Russland bereits geführt werde. "Die Russen selbst fürchten, dass die Konsequenz des Kriegs sein könnte, dass dieses Land zerfällt", berichtete der österreichische Diplomat.

ribbon Zusammenfassung
  • Die frühere ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko warnt vor einem Sicherheitsvakuum.
  • Die aktuelle Weltordnung funktioniere nicht, der UNO-Sicherheitsrat werde durch die Vetomacht Russland blockiert.
  • Dem russischen Machthaber Wladimir Putin gehe es um mehr als die Ukraine.
  • "Unser gemeinsamer Sieg ist auch das Ende des Systems Putins, ein letzter Schritt des Zusammenbruchs der Sowjetunion", erklärte Timoschenko.