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Sprachprüfer aus Österreich verfasste Teile von deutschem Corona-Strategiepapier

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Ein Germanistik-Doktorand aus Österreich soll den zentralen Teil eines Strategiepapiers des deutschen Innenministeriums zur Eindämmung der Corona-Pandemie verfasst haben.

Ein 52-jähriger österreichischer Germanistik-Doktorand an der Universität Lausanne hat die Bundesregierung in Sachen Pandemiebekämpfung beraten und zentrale Teile eines Covid-19-Strategiepapiers des deutschen Innenministeriums verfasst. Dies haben Recherchen von "Welt am Sonntag" ergeben.

Der 52-jährige Otto Kölbl war demnach im März 2020 in das Expertengremium des deutschen Innenministeriums berufen worden, das ein Strategiepapier mit dem Titel "Wie wir Covid-19 unter Kontrolle bekommen" erstellen sollte. Dabei hat er weder eine akademische Ausbildung in den Bereichen Virologie, Epidemiologie oder Public Health noch Expertise in einem anderen pandemierelevanten Feld.

Markus Kerber, Staatssekretär im deutschen Bundesinnenministeriums (BMI), stellte ein Team aus führenden Wissenschaftern von mehreren Forschungsinstituten und Universitäten zusammen. Gemeinsam sollten sie ein Papier erarbeiten, welches weitere harte Massnahmen über Ostern 2020 hinaus legitimieren sollte, schreibt die "Welt am Sonntag".

Universität hielt Berufung für Fälschung

Kölbl arbeitete zu diesem Zeitpunkt an der Schweizer Universität Lausanne an seiner Dissertation und war außerdem in Teilzeit als Sprachprüfer tätig. Ein Schreiben des Staatssekretärs Kerber an die Universitätsleitung, wonach Kölbl in den BMI-Expertenrat aufgenommen worden war, hielt der Dekan für eine Fälschung. "Wir halten die Nachricht für nicht glaubhaft und bitten Sie um eine Bestätigung", so die Antwort von Dave Lüthi, Dekan der Philosophischen Fakultät. Der Dekan wies den Staatssekretär auf die Anstellung Kölbls als Prüfer für Goethe-Deutschtests hin.

Die Mitarbeit im Gremium verdankte Kölbl offenbar einem Papier mit dem Titel "Von Wuhan lernen – es gibt keine Alternative zur Eindämmung von Covid-19". Dieses hatte er Anfang März gemeinsam mit dem Politologen Maximilian Meyer von der Universität Bonn in seiner Freizeit verfasst. Beide waren früher als Lehrbeauftragte an chinesischen Universitäten tätig. In ihrem Papier plädierten sie für einen streng autoritären Ansatz nach dem Vorbild Chinas bei der Eindämmung des Coronavirus und warnten eindringlich vor einer Durchseuchungsstrategie.

"Gewünschte Schockwirkung" durch drastische Schilderung

Die von Kölbl verfassten Abschnitte empfehlen, die Auswirkungen einer Durchseuchung in drastischen Worten anhand von Worst-case-Szenarios zu verdeutlichen. "Um die gewünschte Schockwirkung zu erzielen, müssen die konkreten Auswirkungen einer Durchseuchung auf die menschliche Gesellschaft verdeutlicht werden", heißt es da etwa.

In einem anderen Abschnitt heißt es: "Kinder werden sich leicht anstecken, selbst bei Ausgangsbeschränkungen … Wenn sie dann ihre Eltern anstecken, und einer davon qualvoll zu Hause stirbt und sie das Gefühl haben, Schuld daran zu sein, weil sie z.B. vergessen haben, sich nach dem Spielen die Hände zu waschen, ist es das Schrecklichste, was ein Kind je erleben kann."

Gegenüber der "Welt am Sonntag" verteidigt Kölbl diese Rhetorik: "Ich bin auch der Meinung, dass alles, was dort steht, korrekt ist. Es ist einfach die Realität, in Wuhan ist genau das passiert", wird er dort zitiert. Die deutsche Regierung wollte sich hingegen nicht dazu äußern, was den 52-jährigen Sprachprüfer zum Corona-Experten qualifiziert habe.

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  • Ein Germanistik-Doktorand aus Österreich soll den zentralen Teil eines Strategiepapiers des deutschen Innenministeriums zur Eindämmung der Corona-Pandemie verfasst haben.