APA/APA/AFP/CHANDAN KHANNA

Konservative verärgert

Spanien will Abtreibungsrecht in Verfassung verankern

Heute, 07:53 · Lesedauer 4 min

Die sozialistische Regierung will in Spanien das Recht auf Abtreibung in der Verfassung verankern. Mit dem Vorstoß reagiert Ministerpräsident Pedro Sánchez auf eine erneute Attacke der konservativen Volkspartei (PP) und der rechtsextremen Vox auf das von den Sozialisten liberalisierte Abtreibungsrecht in Spanien.

"In einem globalen Kontext von Angriffen auf sexuelle und reproduktive Rechte ist dieser Schritt notwendig, um die Freiheit und Autonomie der Frauen zu garantieren", hieß es laut der Tageszeitung El País aus Regierungskreisen. 

Die Initiative folgt auf ein von PP und Vox vergangene Woche im Madrider Stadtrat verabschiedetes Gesetz, das Gesundheitszentren in der von den Konservativen regierten Hauptstadtregion verpflichtet, abtreibungswillige Frauen vor dem Eingriff über ein angebliches "Post-Abtreibungstrauma" zu warnen.

Das Kuriose: Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) existiert dieses angebliche Post-Abtreibungssyndrom gar nicht. Zwar können Frauen laut unterschiedlicher Studien gemischte oder negative Gefühle wie Trauer, Schuld oder Zweifel nach einem Schwangerschaftsabbruch verspüren. Aber eine Abtreibung führt nicht automatisch zu langfristigen psychischen Schäden oder Traumata.

Konservative und Rechtspopulisten führten in Madrid Zwangsberatung bei Abtreibungen ein

Gemäß der Rechtspopulisten von Vox, welche die Maßnahme im Stadtrat einbrachte und die von den mit absoluter Mehrheit in Madrid regierenden Konservativen von Bürgermeister José Luis Martínez Almeida angenommen wurde, existiere das "Post-Abtreibungstrauma" aber sehr wohl. 

Es könne bei betroffenen Frauen Depressionen, Angstzustände, Drogen- oder Alkoholkonsum, Suizidgedanken oder sogar ein erhöhtes Krebsrisiko auslösen. Dieses Syndrom wurde laut Vox früher in manchen älteren Diagnosehandbüchern erwähnt, sei heuer aber aufgrund des "ideologischen Drucks" der Linken und politischer Interessen nicht anerkannt.

Spaniens Gesundheitsministerin Monica García von Madrids größter Oppositionspartei, der linksalternativen Más Madrid, hält dagegen: "Das einzige Syndrom, das derzeit existiert, ist der Rechtsruck der Partido Popular und ihrer gezielten Bekämpfung von Frauenrechten." Für García, selber Ärztin, sei der Beschluss im Madrider Stadtrat ganz einfach ein weiterer Versuch der Rechten, gegen das Selbstbestimmungsrecht der Frauen.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Rechtspopulisten mit Unterstützung der Konservativen die von den Sozialisten liberalisierten Abtreibungsregeln angreifen. 

2023 verabschiedeten die Konservativen von der autonomen Region Kastilien-León, wo sie parlamentarisch von Vox abhängen, auf Druck der Rechtspopulisten ein Gesetz, nach dem Schwangeren in Kliniken die Herztöne des Embryos sowie ein sogenannter 4-D-Ultraschall, also bewegte 3-D-Bilder, vorgeführt werden sollten. Erst dann hätten sie sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden können.

Schließlich ruderten die Konservativen wieder zurück, da die spanische Rechtslage dies nicht zuließ und die sozialistische Zentralregierung von Premier Pedro Sánchez notfalls vor Gericht gegen diese regionale Maßnahme ziehen wollte.

Konservative Regionalregierungen wollen neue Abtreibungsregeln boykottieren

Unterdessen versuchen die konservativen Regionalregierungen in Madrid, Asturien, Aragonien und auf den Balearen die neuen Abtreibungsregeln zu boykottieren, indem sie Register sogenannter Abtreibungsverweigerer verhindern. 

Laut der neuen spanischen Gesetzgebung müssen öffentlich Kliniken Schwangerschaftsabbrüche garantierten. Ärzte, die diese aus Gewissensgründen nicht durchführen wollen, müssen sich in ein Register eintragen lassen.

Die spanische Zentralregierung gibt den betroffenen Regionalregierungen nun eine Frist von drei Monaten, um das geltende Recht und die Register einzuführen. 

"Die Achtung der Gewissensverweigerung von Fachkräften darf niemals ein Hindernis für die Gesundheitsversorgung von Frauen darstellen", heißt es aus Regierungskreisen.

Abtreibungen wurden in Spanien 1985 teilweise entkriminalisiert. 2010 verabschiedete die Regierung des Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero ein neues Abtreibungsgesetz, das erstmals das Recht auf freiwilligen Schwangerschaftsabbruch frei und ohne Vorwand während der ersten 14 Schwangerschaftswochen regelte.

Die Konservativen zogen dagegen vor das Verfassungsgericht und versuchten, das Gesetz während ihrer Regierungsperioden immer wieder rückgängig zu machen. Doch 2023 lehnte das Verfassungsgericht nach 13 Jahren die Beschwerde der Konservativen ab, womit die Fristenregelung für Schwangerschaftsabbrüche in Spaniens rechtens ist.

Sozialisten wollen Abtreibungsrecht vor Veränderungen schützen

Hinter der Initiative der regierenden Sozialisten, das Abtreibungsrecht nun als Grundrecht in der spanischen Verfassung zu verankern, sieht Francisco Valiente eine klare Strategie: "Nur so kann das Abtreibungsrecht mit Blick auf zukünftige Regierungswechsel vor Veränderungen geschützt werden", erklärte der Professor für Verfassungsrecht an der Madrider Comillas ICADE Universität im Gespräch mit der APA.

Sollte die Verfassungsreform angenommen werden, wäre Spanien das zweite Land weltweit, das das Recht auf Abtreibung in seine Verfassung aufnimmt. Frankreich, das Abtreibungen 1975 entkriminalisierte, hatte dies 2024 bereits getan.

Die Chancen dafür ständen in Spanien allerdings schlecht, so Valiente: Die Sozialisten und ihr linker Koalitionspartner Sumar verfügten nur über eine Minderheitsregierung und für eine solche Verfassungsänderung bedürfe es im Parlament eine Drei-Fünftel-Mehrheit im Parlament, welche durch den Widerstand von PP und Vox nicht erreicht werden kann.

Video: Abtreibungskosten: "Ist ein menschenrechtliches Problem"

Zusammenfassung
  • Die sozialistische Regierung will in Spanien das Recht auf Abtreibung in der Verfassung verankern.
  • Mit dem Vorstoß reagiert Ministerpräsident Pedro Sánchez auf eine erneute Attacke der konservativen Volkspartei (PP) und der rechtsextremen Vox auf das von den Sozialisten liberalisierte Abtreibungsrecht in Spanien.