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Slowakischer Premier Matovic zurückgetreten

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Die slowakische Präsidentin Zuzana Caputova hat am Dienstag den Rücktritt von Igor Matovic als slowakischer Ministerpräsident akzeptiert und Finanzminister Eduard Heger mit der Regierungsbildung beauftragt, wie die slowakische Nachrichtenagentur TASR meldete. Die Ablöse Matovics erfolgt nach einer Regierungskrise. Matovic und die Mitglieder seines Kabinetts bleiben bis zur Ernennung einer neuen Regierung in ihren Ämtern. Matovic soll künftig Finanzminister werden.

Matovic hatte am Sonntag auf Druck eines Teils seiner Koalitionspartner seinen Rücktritt als Chef der Vier-Parteien-Regierung angekündigt und Heger als Nachfolger vorgeschlagen. Zwei kleinere Koalitionspartner hatten Matovic Selbstherrlichkeit, Unberechenbarkeit und einen "unerträglichen Regierungsstil" vorgeworfen. Sie gaben ihm die Hauptschuld daran, dass die Slowakei zuletzt im Verhältnis zur Bevölkerungszahl mehr Coronatote verzeichnete als fast jedes andere Land der Welt. Das Fass zum Überlaufen brachte dann, dass Matovic gegen einen Beschluss der eigenen Regierung den Coronaimpfstoff Sputnik V aus Russland bestellte und die erste Lieferung persönlich am Flughafen abholte.

Der 44 Jahre alte Marketingexperte Heger gehört zum konservativ-christlichen Flügel der Matovic-Bewegung Gewöhnliche Leute und unabhängige Persönlichkeiten (Olano). Im Gegensatz zum polarisierenden Matovic gilt er als Konsenspolitiker. Alle vier bisherigen Koalitionsparteien sagten ihm bereits ihre Unterstützung zu. Sie akzeptierten auch, dass Matovic im Gegenzug Finanzminister werden wollte und kündigten an, dass sie mit wenigen Ausnahmen wieder dieselben Personen wie bisher in die Regierung nominieren wollten.

Für Überraschung sorgte dann jedoch am Dienstag, dass das schon für Vormittag geplante Zusammentreffen von Präsidentin Caputova mit Matovic und Heger kurzfristig um mehrere Stunden verschoben wurde. Und obwohl Heger ursprünglich angekündigt hatte, der Präsidentin bereits eine fertige Ministerliste vorzulegen, wurden keine Namen veröffentlicht. Die Präsidentschaftskanzlei teilte lediglich mit, dass Caputova und Heger über die Zusammensetzung der neuen Regierung gesprochen hätten und die Öffentlichkeit "so bald wie möglich" informiert werde.

Matovic, der seit März 2020 im Amt war, erklärte in einer emotionellen Rede: "Es war nur ein einziges Jahr, aber es fühlte sich wie ein Jahrzehnt an. Dies war das schwerste Jahr für die Slowakei seit dem Zweiten Weltkrieg, und ich überlebte es mit einem einzigen Paar Schuhen, aber auch mit einem einzigen Ziel: das Leben und die Gesundheit der Menschen zu schützen". Er versicherte der Öffentlichkeit, dass sie Heger vertrauen könne. Heger seinerseits dankte Matovic für seine Arbeit als Ministerpräsident. Er nannte Matovics Rücktritt eine Geste, die darauf abzielte, Frieden und Hoffnung für die Slowakei zu bringen und die Spannungen zwischen den Koalitionspartnern zu entschärfen. "Igor, wie wir gerade gemeinsam am selben Ende des Seils gezogen haben, hoffe ich, dass wir dies im Interesse der Slowakei auch weiterhin tun", sagte Heger.

Die Opposition kritisierte unterdessen die Pläne für Matovics politische Zukunft. Wenn Caputova Matovic als Finanzminister angelobt, will sich die linkspopulistische Smer an die EU-Finanzminister wenden. Die Partei werde den Ministern der EU-Mitgliedsstaaten schreiben, dass die Diplomarbeit von Matovic ein Plagiat sei und er wegen "seriöser ethischer, moralischer und rechtlicher Gründe" kein Minister sein dürfe, erklärte Ex-Premier Robert Fico, der selbst 2018 nach dem Mord am Investigativjournalisten Jan Kuciak zurücktreten musste.

Die Coronalage hat sich in der Slowakei zuletzt etwas entspannt. Allerdings verzeichnet das Land mit seinen 5,5 Millionen Einwohnern mehr Todesfälle als etwa Österreich. 9.624 Menschen starben laut den slowakischen Gesundheitsbehörden an Covid. Die Sieben-Tages-Inzidenz pro 100.000 Einwohner lag zuletzt bei ca. 160. In Österreich betrug der Wert ca. 255.

ribbon Zusammenfassung
  • Matovic und die Mitglieder seines Kabinetts bleiben bis zur Ernennung einer neuen Regierung in ihren Ämtern.
  • Alle vier bisherigen Koalitionsparteien sagten ihm bereits ihre Unterstützung zu.

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