APA/HELMUT FOHRINGER

Lögers "Erinnerungsdilemma" und eine Debatte um russische Zeugen

0

Der ehemalige Finanzminister Hartwig Löger sagte am Montag im Prozess um mögliche Falschaussage gegen Sebastian Kurz und Bernhard Bonelli aus. Er verspürte keinen Druck durch Kurz, widersprach teilweise Thomas Schmid, aber zeigte auch Erinnerungslücken. Russische Geschäftsmänner, die Kurz entlassen sollen, werden als Zeugen zugelassen.

Hartwig Löger nahm das Wort 'Erinnerung' so oft in den Mund, man konnte kaum mitzählen. Der ehemalige Finanzminister betonte bei seinen Antworten im Zeugenstand stets, dass er sich eben auf seine Erinnerungen berufe und damit schwang unausgesprochen stets mit: Es könnte zumindest theoretisch auch anders gewesen sein.

Besonders beim Thema Sideletter hatte er gar ein "Erinnerungsdilemma", wie er dem Richter sagte. Als die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) danach fragte, erinnerte er nochmal ans "Erinnerungsdilemma".

Sideletter "mein Leben lang nicht vergessen"

Das türkis-blaue Abkommen über die Aufteilung von Posten wusste Löger laut eigener Aussage zu Beginn seiner Ministertätigkeit nichts, erst später habe er ihn das erste Mal gesehen. Nun werde er diese Unterlage aber "mein Leben lang nicht vergessen".

Wie nahm er dann aber die Postenbesetzungen bei der ÖBAG wahr?

Die WKStA wirft Kurz und Bonelli ja vor, ihre Rolle bei den Besetzungen vor dem Ibiza-U-Ausschuss kleingeredet und damit falsch ausgesagt zu haben. Thomas Schmid sagte in der vergangenen Woche aus, dass es keine Personalentscheidung ohne Kurz gegeben, dass dieser ein Vetorecht gehabt habe. Kurz und Bonelli bestreiten das – Löger, der formell zuständig war, habe die ÖBAG-Bestellungen vorgenommen.

Löger spürte "keinen Druck"

Löger, der eigentlich Jetpilot beim Bundesheer werden wollte, wegen einer Verletzung aber im Versicherungswesen landete, will "keinen Druck" aus dem Kanzleramt wahrgenommen haben. Er habe Personalvorschläge aus zahlreichen Ecken bekommen – von Kurz, aber auch der Industriellenvereinigung.

Kurz sei interessiert gewesen. Dass aber etwa W., der von Löger als Aufsichtsratsvorsitzender vorgesehen war, am Weg zur ÖBAG wieder umdrehen musste, sei, so Löger, Schmids Schuld gewesen. Dieser hätte vorher nicht abgeklärt, dass W. in der ÖVP nicht bekannt gewesen sei.

Löger selbst war bemüht, sich nicht als Parteimitglied zu bekennen. "Ich war nie Mitglied einer Partei, bin nicht Mitglied einer Partei. Und nach meiner Erfahrung werde ich wahrscheinlich nie Mitglied einer Partei werden." Überrascht zeigte er sich daher über den Vorhalt der WKStA, er sei offiziell Mitglied im Wirtschaftsbund, einer Teilorganisation der ÖVP. Dann müsse er wohl außerordentliches Mitglied sein, meinte der ehemalige Minister, wisse es aber nicht genau.

Thomas Schmids "Hyperaktivität"

Lögers Beziehung zu Thomas Schmid war angespannt: Schmid habe laut Löger eine "Hyperkativität" gezeigt. Dessen Interesse, ÖBAG-Chef zu werden, sei von Anfang an zu erkennen gewesen. Nicht erinnern konnte sich Löger aber daran, dass Schmid ihm mitgeteilt hatte, Kurz' Unterstützung dabei zu haben, wie es Schmid selbst geschildert hatte.

Ohnehin habe er Schmid, den Löger laut eigener Aussage erst kurz vor der Regierungsbildung kennengelernt hatte, als Kabinettschef austauschen wollen. Er habe ihm nicht vertraut.

"Hilfreicher Vorschlag" von Bonelli

Bei Helmut Kern, der dann tatsächlich Ausfischratschef wurde, kam dann der "hilfreiche Vorschlag" doch von Bonelli und damit aus dem Kanzleramt.

Nur in einer Sache waren sich Schmid und Wolf einig. Beide sprachen sich gegen einen Vorschlag von Kurz aus, der Siegfried Wolf präferiert hat. 

Laut Löger passte Wolf nicht, weil der bereits in der ÖIAG, die dann ja die ÖBAG wurde, Aufsichtsratschef gewesen sei und Löger "diese alte Welt nicht zurückholen wollte".

Die WKStA vermutet allerdings, dass Wolf aufgrund der US-Sanktionen wegen seiner Russland-Connections ohnehin erst später in den ÖBAG-Aufsichtsrat hätte einziehen sollen. Löger meinte, dass die Sanktionen einen "gesichtswahrenden" Grund für eine Absage darstellten. Kurz sieht darin einen Beweis, dass er seine Wünsche nicht durchgebracht habe.

"Life begins, where your comfort-zone ends"

Kurz und Löger kannten sich zu diesem Zeitpunkt schon länger – und zwar als Kurz noch Student war. Im Rahmen eines Projekts zur Lehrlingsoffensive lernten sie sich kennen. 2017 habe ihn Kurz dann angerufen und gefragt, ob er Finanzminister werden wolle: "Ich war der Kandidat der letzten Minute, der letzten Sekunde", meint Löger. Zugesagt habe er, weil er auf einem Magneten seines Sohnes einen Spruch gelesen habe: "Life begins, where your comfort-zone ends".

Die WKStA wollte von Löger wissen, mit wem er, wenn er doch kein Parteimitglied gewesen sei, als Finanzminister ÖVP-Nominierungen besprochen habe. Mit Thomas Schmid, sagte er. Kurz-Anwalt Otto Dietrich fragte nach, mit wem dann Schmid gesprochen habe. Löger meinte, er könne das nicht allgemein sagen.

Russische Zeugen zugelassen

Bei den letzten Prozessterminen stellten die Anwälte von Kurz und Bonelli Beweisanträge, über die am Montag entschieden wurde. Zwei russische Geschäftsleute hätten ein Bewerbungsgespräch mit Schmid geführt. Dort soll dieser gesagt haben, er sei von der WKStA unter Druck gesetzt worden. Der Richter entschied am Montag, dass die beiden Geschäftsmänner als Zeugen zugelassen werden – er bat die Verteidiger um den Kontakt. Die WKStA stellte hingegen "provozierte Beweismittel" in den Raum.

Aussagen werden außerdem die ÖBAG-Aufsichtsrät:innen Helmut Kern und Günther Helm Susanne Höllinger und Iris Ortner, nicht erscheinen müssen vorerst Siegfried Wolf und Heinz-Christian Strache. Weiter geht's am 10. Jänner.

Der Liveblog zum Nachlesen:

Liveblog

Sebastian Kurz vor Gericht - Hartwig Löger wird befragt

ribbon Zusammenfassung
  • Der ehemalige Finanzminister Hartwig Löger ist am Montag als Zeuge im Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (beide ÖVP) wegen Falschaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss befragt worden.
  • Dabei belastete er seinen einstigen Chef zwar nicht wirklich, bestätigte aber einen gewissen Einfluss auf Postenbesetzungen in der Staatsholding ÖBAG.
  • Er bestätigte Kurz darin, dass er sich mit seinem Wunsch für Siegfried Wolf nicht durchsetzen konnte.
  • Löger will keinen Druck von Kurz gespürt haben.
  • Am Ende der Verhandlung gab der Richter seine Entscheidung zu weiteren Zeugenladungen bekannt: Aussagen werden etwa auch jene zwei Russen, die Schmids Glaubwürdigkeit belasten.

Mehr aus Politik