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Risikobericht warnt vor Ausweitung des Ukraine-Kriegs

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"Die Welt ist ohne Zweifel noch instabiler geworden." Das sagte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) am Freitag bei der Präsentation der Publikation "Risikobild 2023" in Wien.

Das Verteidigungsministerium beurteilt darin die Ausweitung des Ukraine-Krieges als die größte Bedrohung Österreich und Europas. Brigadier Peter Vorhofer hob insbesondere die Gefahr eines Angriffs auf ein EU-Mitgliedsland und aus der Luft durch Flugzeuge, Drohnen oder Raketen hervor.

Gefahr eines Angriffs auf EU-Mitgliedsland "massiv verstärkt"

Die Gefahr eines Angriffs auf ein EU-Mitgliedsland sei durch den Ukraine-Krieg "massiv verstärkt" worden - ob konventionell oder unterhalb der militärischen Schwelle, betonte Vorhofer in der Veranstaltung im Raiffeisen Forum. "Bei einer weiteren Eskalierung wird Österreich blitzartig in eine weitere sicherheitspolitische Herausforderung kommen." Dies wäre der Fall, wenn nämlich der angegriffene Staat die Beistandspflicht gemäß EU-Vertrag aktivieren würde. "Österreich muss sich sehr, sehr rasch bezüglich Solidarität und Beistandspflicht Gedanken machen."

Neutralitätsfrage wird drängender 

Auch die deutsche Verteidigungsexpertin Ulrike Franke vom European Council on Foreign Relations (ECFR) sieht mehr Druck auf Österreich zukommen. "Die Neutralitätsfrage wird in den nächsten Jahren viel mehr aufs Parkett kommen", betonte sie per Videoschaltung aus London. "Österreich ist stärker unter Druck als die Schweiz, das hat mit der EU-Mitgliedschaft zu tun." Der Ukraine-Krieg habe gezeigt, dass Europa nicht in der Lage scheine, selbstbestimmt und souverän zu agieren, "sondern immer noch den großen Bruder USA braucht." Europa müsse souveräner werden, unabhängig davon, wer im Weißen Haus in Washington sitze. Die Idee der europäischen Verteidigungsunion werde "gepusht", Österreich müsse sich positionieren.

"Wir sind nicht vorbereitet"

Brigadier Bruno Günter Hofbauer sagte im Hinblick auf die europäische Rüstungssituation ganz klar: "Wir sind nicht vorbereitet". Es gebe "keine europäischen Verteidigungsplanungen". Die Pläne, die bestünden, bezögen sich "out of area", auf Gebiet außerhalb der EU. Aber auch in Österreich: "55.000 österreichische Soldaten sind auf gar keinem Fall in der Lage, das gesamte Bundesgebiet zu schützen", erklärte Hofbauer. Es gelte, mithilfe von Technologie zur richtigen Zeit am richtigen Ort im Einsatz zu sein.

Tanner: Müssen nachrüsten

Tanner sagte, dass "nichts daran vorbeiführt, dass wir nachrüsten müssen", damit das Bundesheer seinen Aufgaben zum Schutz der Bevölkerung leisten könne. "Der Krieg in und um Europa macht auch deutlich, dass eine gut aufgestellte Landesverteidigung für einen neutralen Staat von existenzieller Bedeutung ist. Neben hybriden Bedrohungen hat nun auch wieder die konventionelle Kriegsführung an Bedeutung gewonnen." Mit dem erhöhten Budget von 16 Milliarden Euro für vier Jahre könne Österreich "viele Investitionen tätigen". Vor fünf Jahren seien 25 Bedrohungen für Österreich erkannt worden, mittlerweile seien es 73.

Gady: "Verpflichtende Milizübungen"

Der Militärexperte Franz-Stefan Gady vom International Institute for Strategic Studies (IISS) betonte, dass man vom Ukraine-Krieg zwei Ansätze ableiten könnte. Wichtig sei, dass das Bundesheer den "Kampf der verbundenen Waffen", also das Zusammenspiel aller Waffengattungen beherrsche. Und die Streitkräfte müssten sich im Ernstfall auch regenerieren können. Gady schlug die Anwerbung "guter Leute" als Reservisten sowie verpflichtende Milizübungen vor. "Die konventionelle Abschreckung zu steigern, ist wie eine Versicherungspolizze." Dies verringere das Risiko eines Kriegs, so Gady. Außerdem appellierte der Experte, "die nukleare Dimension" des Ukraine-Kriegs nicht zu vernachlässigen.

Ukraine-Krieg nicht das einzige Risiko für 2023

Der 262 Seiten umfassende Bericht "Risikobild 2023" des Verteidigungsministeriums befasst sich nicht nur mit verteidigungspolitischen Aspekten. Mit der Bedrohung einer Ausweitung des Ukraine-Krieges hängen auch zusammen: eine Zunahme der Migration, die weitere Konfrontation Russlands mit der EU, eine Verschärfung der Energiekrise, die Störung der Lieferketten sowie Stagflation. Auch die Gefahren der Globalisierung durch wechselseitige Abhängigkeiten, des Klimawandels, der Pandemie oder der Krieg gegen die europäische Wirtschaft werden ausgeführt.

Blackout-Gefahr

Gerhard Christiner, der Vorstand von Austrian Power Grid AG, sprach etwa die Gefahr eines Blackouts an. Er forderte einen konkreten Plan für die Energiewende in Österreich. So würden Windparks gebaut, bevor es Stromnetze gebe, und Genehmigungsverfahren dauerten viel zu lang. "Wenn wir so fahrlässig weiterfahren, ist das Risiko da, dass es irgendwann ein Blackout gibt", warnte er.

Der Generalanwalt des Österreichischen Raiffeisenverbandes, Erwin Hameseder, ging auf die "dramatischen" wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs und der Russland-Sanktionen ein. Von diversen Regimen abhängig zu sein, bedeute Vulnerabilität. Es sei "Gebot der Stunde, dass wir uns von dieser Abhängigkeit Stück für Stück entfernen."

ribbon Zusammenfassung
  • Das sagte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) am Freitag bei der Präsentation der Publikation "Risikobild 2023" in Wien.
  • Das Verteidigungsministerium beurteilt darin die Ausweitung des Ukraine-Krieges als die größte Bedrohung Österreich und Europas.
  • Der Militärexperte Franz-Stefan Gady vom International Institute for Strategic Studies (IISS) betonte, dass man vom Ukraine-Krieg zwei Ansätze ableiten könnte.

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