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Papst verurteilt in Ungarn Nationalismus

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Papst Franziskus hat in Ungarn Nationalismus verurteilt und an die friedensstiftende Bedeutung einer gemeinsamen europäischen Politik erinnert. "Insgesamt scheint sich die Begeisterung für den Aufbau einer friedlichen und stabilen Gemeinschaft der Nationen in den Gemütern aufgelöst zu haben", sagte er laut Kathpress bei einem Treffen mit Politikern, Vertretern der Zivilgesellschaft und Diplomaten am Freitag in Budapest.

Franziskus rief laut dpa auch dazu auf, Wege und Mittel zu finden, um die vor Konflikten, Armut und Klimawandel Fliehenden in Europa aufzunehmen. Denn das Thema Migration und Flucht werde sich früher oder später auf alle auswirken. "Deshalb ist es dringlich, dass wir als Europa an sicheren und legalen Wegen arbeiten, an gemeinsamen Mechanismen angesichts einer epochalen Herausforderung, die nicht durch Zurückweisung eingedämmt werden kann, sondern angenommen werden muss."

Zugleich würden Einflusszonen abgesteckt, Unterschiede hervorgehoben, Urteile anderen gegenüber verschärft und Nationalismen brandeten wieder neu auf. Man habe den Eindruck, "dem traurigen Untergang des gemeinsamen Traums vom Frieden beizuwohnen, während die Einzelkämpfer des Krieges Raum gewinnen", so das Kirchenoberhaupt zum Auftakt seiner dreitägigen Pastoralvisite in Ungarn.

Bei dem Treffen im ehemaligen Karmeliterkloster in Budapest, dem Amtssitz des nationalkonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban, wandte sich Franziskus gegen die Verfolgung eigener strategischer Interessen in der internationalen Politik. Frieden entstehe durch "Arten von Politik, die fähig sind, das Ganze, die Entwicklung aller, in den Blick zu nehmen".

Dabei erinnerte der Papst auch an Ziele der Europäischen Union: "Fernstehende zu vereinen, die Völker in ihrem Inneren willkommen zu heißen und niemanden für immer als Feind stehen zu lassen." Der Beitrag eines lebendigen Europa zur Zivilisation sei unerlässlich für die Aufrechterhaltung friedlicher Beziehungen, verwies Franziskus auf Worte des früheren französischen Außenministers Robert Schuman. "In dieser historischen Phase sind die Gefahren viele, aber ich frage mich, auch wenn ich an die leidgeprüfte Ukraine denke, wo die schöpferischen Anstrengungen für den Frieden bleiben?", fügte der Papst hinzu.

Es brauche in der EU den Beitrag aller, betonte Franziskus. Allerdings dürfe dabei die Einzigartigkeit der Staaten nicht außer Acht gelassen werden. Mit Blick auf Brüssel erklärte er, benötigt werde "ein Ganzes, das die Teile nicht plattdrückt, und Teile, die sich gut in das Ganze integriert fühlen". Europa dürfe sich nicht "in eine zerfließende, wenn nicht gar gasförmige Wirklichkeit" verwandeln - "zu einer Art abstrakten Überstaatlichkeit, die das Leben der Völker vergisst".

Dies wäre aus Sicht des Papstes der "unheilvolle Weg der 'ideologischen Kolonisierung'", die Unterschiede auslösche. Als Beispiel nannte Franziskus "die sogenannte Gender-Kultur" oder Freiheitskonzepte, die sich negativ auswirkten, "indem sie zum Beispiel ein sinnwidriges 'Recht auf Abtreibung' als Errungenschaft rühmen". Abtreibung sei jedoch immer eine tragische Niederlage.

Stattdessen solle ein Europa aufgebaut werden, das den Menschen in den Mittelpunkt stelle, so der Papst, der zugleich "wirksame politische Ansätze für eine bessere demografische Entwicklung und zugunsten der Familie" forderte. Eine Politik, die etwa Ministerpräsident Orban verfolgt. Familien mit drei und mehr Kindern erhalten in Ungarn neben Kindergeld und anderen Zuwendungen auch weitreichende Steuerbefreiungen. Zudem gilt in dem osteuropäischen Land ein Verbot von Werbung für gleichgeschlechtliche Beziehungen und das gesetzliche Nein zur "Ehe für alle".

Diese Gemeinsamkeit betonte Staatspräsidentin Katalin Novak in ihrer Rede an den Papst, zitierte etwa aus dem ungarischen Grundgesetz. "Wir sind Verbündete. Gemeinsam verteidigen wir das menschliche Leben, die Frau und den Mann als Individuen und als Menschen, die zusammenkommen (...), aber auch die Freiheit von Menschen, die anders denken und leben", führte Novak anschließend aus.

Mit Blick auf den Krieg im ungarischen Nachbarland Ukraine forderte sie vom Papst Einsatz für dessen Beendigung: "Sprechen Sie mit Kiew und Moskau, mit Washington, Brüssel, Budapest und mit all denen, ohne die es keinen Frieden geben kann. Hier in Budapest bitten wir Sie, sich persönlich für einen gerechten Frieden einzusetzen, und zwar so schnell wie möglich."

Franziskus erinnerte seinerseits die Ungarn an ihre christlichen Wurzeln und die damit verbundenen Werte, beispielsweise bei der Aufnahme von Geflüchteten. "Ich empfehle dir, nicht nur zu deiner Familie und Verwandtschaft oder zu den Mächtigen und Reichen oder zu deinem Nächsten und den Einwohnern deines Landes freundlich zu sein, sondern auch zu den Fremden", zitierte der Papst wörtlich aus einer Schrift des ungarischen Nationalheiligen Szent Istvan Kiraly (Hl. König Stephan von Ungarn).

Der Ungarn-Besuch ist Franziskus' erste Reise nach seinem jüngsten Krankenhausaufenthalt. Der bis Sonntag angesetzte offizielle Pastoralbesuch ist die 41. Auslandsreise des Papstes. Er war am Freitagvormittag am Budapester Flughafen gelandet. Den Weg vom Flugzeug zum wartenden Auto legte der 86-jährige Papst zu Fuß und auf einen Gehstock gestützt zurück, statt wie zuletzt oft im Rollstuhl.

Mit dem Treffen im ehemaligen Karmeliterkloster endet der erste und politische Teil des Tagesprogramms von Papst Franziskus in Budapest. Am frühen Abend ist eine Begegnung mit katholischen Kirchenvertretern in der Stephansbasilika in Budapest geplant. Am Samstag und Sonntag liegt der Schwerpunkt des Papst-Programms auf Begegnungen mit sozialem Hintergrund, etwa mit Geflüchteten, Kindern und Jugendlichen. Außerdem gibt es eine große Sonntagsmesse auf dem Kossuth-Platz vor dem weltbekannten Gebäude des ungarischen Parlaments.

Für den ungarischen Rechtsextremisten György Budaházy öffneten sich am Rande des Papst-Besuchs unterdessen die Gefängnistore in Vác. Staatspräsidentin Novák hatte den wegen Terrorismus Verurteilten am Donnerstagabend begnadigt. Laut Aussendung des Sándor-Palastes sei der Papst-Besuch in Ungarn Anlass dafür, dass das Staatsoberhaupt von seinem Amnestierecht Gebrauch machte.

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  • Papst Franziskus hat in Ungarn Nationalismus verurteilt und an die friedensstiftende Bedeutung einer gemeinsamen europäischen Politik erinnert.

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