OLG muss über Anklage gegen "Foltergeneral" entscheiden
Da es sich bei dem Verfahren um einen recht umfangreichen Akt handelt, dürfte eine Entscheidung wohl mehrere Wochen dauern. Den beiden werden unter anderem schwere Körperverletzung, geschlechtliche Nötigung und Folter vorgeworfen. Dabei liegen die Tathandlungen schon einige Jahre zurück: Der 61-Jährige Khaleb Al H. war seit 2009 bis März 2013 Leiter der Abteilung 335 des syrischen Geheimdienstes. Der Zweitangeklagte war zwischen 2011 und 2013 Leiter der Ermittlungsabteilung für Kriminalpolizei in Raqqa. Die Misshandlungen sollen nicht nur unter ihre Verantwortung fallen, sondern von den Angeklagten auch selbst ausgeübt worden sein. Bekannt sind der Staatsanwaltschaft Wien 21 Opfer, die für einen Prozess aus ganz Europa anreisen würden.
Für eine schnelle Bearbeitung spricht, dass Al H. seit bald einem Jahr in der Wiener Josefstadt in U-Haft sitzt. Auf freiem Fuß ist hingegen der zweitangeklagte Abu R.. Nach APA-Informationen sah das OLG bei ihm keinen Haftgrund.
Aussagen ehemaliger Häftlinge zufolge wurden die Inhaftierten extremen psychischen Misshandlungen ausgesetzt und regelmäßig und systematisch durch Schläge, Elektroschocks und den Einsatz primitiver Instrumente, die starke Schmerzen verursachen sollten, gefoltert und erniedrigt. In den Hafträumen der Kriminalpolizei dürften außerdem furchtbare Zustände geherrscht haben: Mitunter waren 25 oder mehr Häftlinge in einer fünf mal fünf Meter großen Zelle untergebracht. Weder wurden die Insassen über die Dauer der Haft informiert, noch deren Angehörige über deren Verbleib benachrichtigt. Die hygienischen Bedingungen sowie die Versorgung mit Nahrung und Trinkwasser kann nur als mangelhaft beschrieben werden: Letztere erfolgte über die Toilette, welche sich in der Zelle befand.
Die Männer sollen laut Anklage die ihnen vorgeworfenen Straftaten an Häftlingen begangen haben, um "die damalige Protestbewegung gegen das Regime zu unterdrücken und die Bevölkerung einzuschüchtern". Durch die massiven körperlichen Misshandlungen seien die Inhaftierten zur Ablegung von Geständnissen gezwungen worden.
Prozess wegen Operation "White Milk" endete in Freisprüchen
Das mittlerweile aufgelöste Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hatte im Mai 2015 mit dem israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad vereinbart, Khaleb Al H. von Frankreich nach Österreich zu bringen. Von BVT-Beamten wurde er an der österreichischen Grenze in Empfang genommen, in einem Dienstfahrzeug nach Wien chauffiert, in der Bundeshauptstadt in einem Quartier untergebracht und finanziell unterstützt. In weiterer Folge waren Vertreter des BVT dem syrischen Offizier sogar bei seinem Asylverfahren behilflich und bemühten sich, diesem zu einem Bleiberecht zu verhelfen.
Nach Erkenntnissen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) schloss die Kooperationsvereinbarung mit der Bezeichnung "White Milk" federführend der damalige BVT-Abteilungsleiter Martin Weiss ab, der inzwischen in Dubai untergetaucht ist. Nach Weiss wird mit internationalem Haftbefehl gefahndet, weil er die überstürzte Flucht des Ex-Wirecard-Managers Jan Marsalek vom Flughafen Bad Vöslau Richtung Russland mitorganisiert haben soll. Für drei ehemalige Beamte des BVT bzw. einen des Bundesamts für Fremdenrecht und Asyl (BFA) endete der Prozess wegen Amtsmissbrauchs 2023 in einem Freispruch. Weiss war für die Justiz allerdings schon damals nicht greifbar und war der Hauptverhandlung ferngeblieben. Der nun erstangeklagte General war damals als Zeuge geladen, gab sich aber wortkarg. Er habe "Angst um mein Leben und das meiner Familie", führte er damals am Straflandesgericht Wien ins Treffen.
Zusammenfassung
- Das OLG Wien muss nach einem Einspruch über die Anklage gegen zwei Ex-Vertreter des Assad-Regimes entscheiden, denen schwere Körperverletzung, geschlechtliche Nötigung und Folter an 21 bekannten Opfern zwischen 2009 und 2013 vorgeworfen werden.
- Khaleb Al H., der seit fast einem Jahr in Wien in U-Haft sitzt, wurde 2015 im Rahmen der Operation „White Milk“ vom Verfassungsschutz und dem Mossad nach Österreich gebracht, während der zweite Angeklagte, Abu R., auf freiem Fuß ist.
- Ehemalige Häftlinge berichten von systematischer Folter, katastrophalen Haftbedingungen mit bis zu 25 Personen in einer 5x5 Meter Zelle und mangelnder Versorgung, wobei die mutmaßlichen Taten der Unterdrückung der damaligen Protestbewegung dienten.
