APA/HERBERT NEUBAUER

ÖVP drängt auf mehr Befugnisse bei Terrorbekämpfung

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Die ÖVP drängt auf mehr Befugnisse für die Strafverfolgungsbehörden bei der Terrorverfolgung. Bei einer Sondersitzung des Nationalrats zum Attentat in der Wiener Innenstadt meinte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Donnerstag, nicht immer verfüge man über die rechtlichen Mittel, um islamische Extremisten und andere Gefährder entsprechend überwachen und sanktionieren zu können. Der Regierungschef selbst sah sich teils heftiger Kritik der Opposition ausgesetzt.

Es brauche eine bessere Handhabe im Umgang mit Gefährdern, meinte Kurz. Es dürfe sich nicht wiederholen, dass ein Dschihad-Rückkehrer weitgehend unbehelligt in Österreich leben können, nur weil er fälschlicherweise angebe, geläutert zu sein. Zudem bedarf es auch internationale Zusammenarbeit und Prävention.

"Es gibt gar nichts, was einen derartigen Anschlag rechtfertigen kann", betonte Vizekanzler Kogler. Man werde konsequent, entschlossen und besonnen reagieren. Man müsse die Ereignisse umfassend aufklären, es gehe auch darum, "wenn Fehler passiert sind, zu lernen". Konkret nannte der Vizekanzler das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), aber auch die entsprechenden Landesämter. Es werde Maßnahmen und Ressourcen zur besseren Bekämpfung des Terrorismus brauchen, es brauche auch einen "Neustart" und eine "Neuausrichtung" des BVT. "Es werden dort auch Missstände zu beseitigen sein." Die Tat müsse konsequent aufgeklärt werden, und man müsse aus Fehlern lernen.

Unter anderem sprach Kogler das Thema Informationsweitergabe an. Die Justiz hat ja offenbar vom BVT nicht erfahren, dass der Attentäter im Sommer versucht hatte, Munition in der Slowakei zu besorgen. Es brauche eine Terrorabwehr, die für eine umfassende Überwachung, aber auch für eine "klare und umgehende Informationsweitergabe" an Staatsanwaltschaft und Justiz sorge, forderte Kogler.

Vor allem SPÖ und FPÖ hielten sich mit Kritik an Kanzler und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) keineswegs zurück. Einerseits wurde angeprangert, dass die ÖVP-Politiker die Verantwortung auf die Justiz abzuschieben versucht hätten, andererseits, dass das BVT auf den Hinweis aus der Slowakei, dass der spätere Attentäter dort Munition kaufen wollte, nicht entsprechend reagiert hatte.

Der freiheitliche Klubobmann und ehemalige Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) meinte in Richtung seines Nachfolgers: "Was Sie Kommunikationsfehler nennen, ist das Todesurteil für vier unschuldige Menschen gewesen." Der Anschlag hätte verhindert werden können, er wüsste als Innenminister, was zu tun sei, legte Kickl Nehammer einen Rücktritt nahe. Die FPÖ brachte auch einen Misstrauensantrag gegen den Innenminister ein, der freilich keine Zustimmung bekam, auch wenn ihn die SPÖ unterstützte.

Auch die Sozialdemokraten sparten nicht mit Kritik. Es gehe nicht um Vernebelung, Ablenkung und Plattitüden, es gehe auch um die Übernahme von Eigenverantwortung, empfahl Partei- und Klubchefin Pamela Rendi-Wagner den ÖVP-Ministern. Nun müssten die Vorgänge ehrlich aufgearbeitet werden mit dem Mut, auch Fehler einzugestehen. Die von Nehammer angekündigte Untersuchungskommission erscheint dem stellvertretenden Klubobmann Jörg Leichtfried nicht das geeignete Instrument dafür. Es brauche parlamentarische Kontrolle, forderte er.

Für die Kommission ist NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger, allerdings will sie, dass die Opposition mitreden kann, auch bei der Frage des Vorsitzes. Insgesamt ging sie es deutlich gemäßigter an als SPÖ und FPÖ, wenngleich auch ihr die Angriffe von Kurz und Nehammer auf die Justiz missfielen. Sie nannte sie "schäbig". Den Misstrauensantrag lehnten die NEOS zumindest am Donnerstag ab, vielmehr vergab Klubvize Nikolaus Scherak an die Regierung einen "Aufklärungsauftrag". Gewarnt wurde von Meinl-Reisinger indirekt vor überzogenen gesetzlichen Reaktionen auf das Attentat: "Die liberale Gesellschaftsordnung darf nicht aufgegeben werden. Sonst hätten die gewonnen."

Dass sich etwas ändern muss, ist aber die Volkspartei überzeugt. Es brauche eine bessere Handhabe im Umgang mit Gefährdern, meinte Kurz, ohne ins Detail zu gehen. Sicherheitssprecher Karl Mahrer stellte die derzeitige Praxis der Deradikalisierung ebenso in Frage wie vorzeitige Entlassungen von Dschihadisten.

Die Grünen sehen auch Änderungsbedarf, den aber vor allem im BVT. Vizekanzler Werner Kogler warb für einen "Neustart" und eine "Neuausrichtung" des BVT. "Es werden dort auch Missstände zu beseitigen sein", meinte der Grüne Bundessprecher. Klubobfrau Sigrid Maurer versicherte bezüglich kommender Maßnahmen, dass alles "auf Basis der demokratischen Grundrechte" geschehen werde.

Insgesamt war man in der Koalition bemüht, auf jegliche Schuldzuweisungen zu verzichten. "Alles hat seine Zeit, heute ist noch die Zeit der Trauer", meinte etwa Grünen-Mandatar Georg Bürstmayr. Auch Kogler verwahrte sich gegen "voreilige Schuldzuweisungen".

"Es ist noch nicht die Zeit, abschließende Befunde zu erstellen, welche Umstände und welche Fehler wo gemacht worden sind", entgegnete auch der Innenminister der Opposition. Gemeinsam mit Justizministerin Alma Zadic (Grüne) garantierte Nehammer Transparenz bei der Aufarbeitung. Die Ressortchefin kündigte außerdem an, dass die Kontrolle nach der Haft "engmaschiger" werden soll.

Streng unterschieden wurde seitens der Regierung zwischen dem Islam an sich und Islamisten, die Terrortaten begehen, von Kurz als "Barbaren" bezeichnet: "Wir werden sicher nicht den Fehler machen unsere Gesellschaft zu spalten", betonte der Kanzler. Denn die Trennlinie liege nicht zwischen Christen und Muslimen oder zwischen Österreichern und Migranten.

ribbon Zusammenfassung
  • Der Regierungschef selbst sah sich teils heftiger Kritik der Opposition ausgesetzt.
  • Es brauche eine bessere Handhabe im Umgang mit Gefährdern, meinte Kurz.
  • Vor allem SPÖ und FPÖ hielten sich mit Kritik an Kanzler und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) keineswegs zurück.
  • Die Grünen sehen auch Änderungsbedarf, den aber vor allem im BVT.
  • Gemeinsam mit Justizministerin Alma Zadic (Grüne) garantierte Nehammer Transparenz bei der Aufarbeitung.

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