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ÖGB-Chef Katzian: "Die Leute drehen schön langsam durch"

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ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian drängt angesichts der massiven Teuerung weiter auf ein Wärmepaket und inflationsdämpfende Deckel bei Mieten und Gütern des täglichen Bedarfs.

Finanziert werden sollte dies über die Übergewinnsteuer - und zwar eine umfassendere als das "Light"-Modell der Regierung, sagte Katzian am Sonntag in der ORF-"Pressestunde". Mit den Herbst-Lohnabschlüssen ist er zufrieden, im Jänner bereitet sich die Gewerkschaft auf die Frühjahrsrunde vor.

Katzian: Preisdeckel für alle Heizformen

Den Strompreisdeckel begrüßte Katzian zwar. Aber er fordert gleiches für alle Heizformen - Gas, Pellets, Öl etc. - und zudem Strompreis-Maßnahmen für Wärmepumpen. "Die Leute drehen schön langsam durch" angesichts "unmoralisch hoher" Gas-Vorschreibungen oder enormer Stromkosten weil sie - um "die Welt zu retten" - auf Wärmepumpen umgestiegen sind, warnte der Gewerkschaftschef. "Da muss uns etwas einfallen", und zwar nicht nur für vulnerable Gruppen.

Zu wenig gegen die Inflation getan

Bisher sei "gar nichts passiert" bei den vom ÖGB schon im März geforderten inflationsdämpfenden Maßnahmen - konkret Mietenstopp und Mehrwertsteuer-Senkung für Güter des täglichen Bedarfs. Die einzige Reaktion sei die Zinserhöhung durch die EZB gewesen - und das werde noch Probleme bei Kreditrückzahlungen machen. Das "Gießkannen"-Argument gegen Preisdeckel gehe ihm "so auf die Nerven". Man müsse etwas unternehmen, wenn der Preis für den Wocheneinkauf um 14 Prozent gestiegen ist. Auch dass Preisdeckel in Ungarn kontraproduktiv gewirkt haben - die Güter wurden knapp und letztlich teurer - ist für ihn kein Argument, dort seien die Rahmenbedingungen andere.

Die jüngst vom Nationalrat beschlossene Gewinnabschöpfung von Energieunternehmen begrüßte Katzian - aber das sei nur eine "Gewinnsteuer light". Die Regierung habe nicht alle Möglichkeiten umgesetzt, die gegeben gewesen wären, pochte er auf das Arbeiterkammer-ÖGB-Modell.

Mit Gehaltsabschlüssen zufrieden

Rundum zufrieden ist Katzian mit den erreichten Gehaltsabschlüssen, da habe "die Sozialpartnerschaft einen guten Job gemacht". Besonders freut ihn, dass es - was "gar nicht so einfach war" - den Arbeitnehmervertretern gelungen ist, Einmalzahlungen als Ersatz für Tarifanhebungen abzuwehren. Denn mit einmaligen Teuerungsprämien und dafür niedrigeren Tariferhöhungen wäre "im Leben eines jungen Arbeitnehmers ein Mittelklasseauto auf der Strecke geblieben".

Dass die Abschlüsse unterschiedlich ausfielen - so steigen die Pensionen um mindestens 5,8 Prozent, die Eisenbahner-Löhne um durchschnittlich 8,9 Prozent - liege am Stichtag für die Verhandlungen. Basis der Erhöhungen sei immer die "rollierende Inflation" der jeweils zwölf Monate davor, und für heuer hieß das "je später, umso höher" war die zugrunde liegende Inflationsrate.

18 Prozent weniger für Arbeitnehmer im Sommer

Dem Ziel von 2.000 Euro Brutto-Mindestlohn sei man näher gekommen. In einigen Branchen - Handel oder Sozialwirtschaft - werde man es mit dem nächsten Abschluss schaffen, ist Katzian überzeugt. Genaue Zahlen dazu gebe es noch nicht; im Sommer haben noch 18 Prozent der Arbeitnehmer weniger verdient. Wie es jetzt aussieht werde im Jänner erhoben, in der Vorbereitung auf die Frühjahrslohnrunde, wo das "ganz klare Ziel 2.000 Euro Mindestlohn" weiter verfolgt werde. Geht das nicht im Verhandlungsweg, werde die Gewerkschaft Maßnahmen überlegen - "der Blumenstrauß dessen, was man tun kann, ist ja ein sehr großer".

Gesetzliche Mindestlöhne - wie im Burgenland - begrüßt Katzian "natürlich", aber wirksamer sei die kollektivvertragliche Verankerung. Denn gesetzliche Mindestlöhne seien oft ein "Deal", würden als Wahlzuckerl eingesetzt - und könnten auch, wie z.B. in der Finanzkrise, wieder gesenkt werden.

"Gute Arbeitsbedingungen" gegen Fachkräftemangel

Thema in der "Pressestunde" mit dem ÖGB-Präsidenten war natürlich auch der Fachkräftemangel. Hier drängte er auf "gute Arbeitsbedingungen" - nicht nur hinsichtlich des Lohnes, sondern auch in puncto Planbarkeit der Dienstpläne, also Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben. Man sehe in der jetzigen Phase, dass "viele dort hingehen wo es das gibt". Genützt werden müsse das Potenzial von rund 60.000 Müttern, die wieder oder wieder mehr arbeiten möchten, drängte Katzian auf einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung. Außerdem mahnte er die Unternehmen, wieder mehr junge Leute auszubilden - also Lehrlinge aufzunehmen.

Asyl "nicht verhandelbar"

Katzian ist auch dafür, jungen Asylwerbern, die gute Chancen auf Verbleib im Lande haben, Zugang zum Arbeitsmarkt und Lehre zu geben. Zum Asylthema erklärte er weiters, dass Asyl nach der Flüchtlingskonvention "nicht verhandelbar" sei. Aber es brauche eine gemeinsame europäische Vorgangsweise - und dazu offensichtlich "einen neuen Anlauf". Vorstellbar ist für ihn, Asylanträge an der EU-Außengrenze abzuwickeln.

Wiederwahl im Juni?

Der 66-jährige Katzian, seit 2018 Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, wird sich im Juni der Wiederwahl stellen. "Solange ich das Gefühl habe, es brennt ein Feuer" und er "die Leidenschaft habe, dass ich etwas umsetzen will", stehe er für die Funktion zur Verfügung - "wenn der Körper und die Familie es zulässt. Von beiden habe ich positive Signale."

In der SPÖ hat Pamela Rendi-Wagner als Parteivorsitzende Katzians "volle Unterstützung". Zurückhaltend äußerte er sich zu den Differenzen mit Burgenlands Parteichef Hans Peter Doskozil - und der von der Landespartei in Auftrag gegebenen Umfrage, die Doskozil größere Chancen bei einer Nationalratswahl ausweist als Rendi-Wagner. "Er hat nicht gesagt, dass er es werden will", war sein kurzer Kommentar. Bisher sei immer die Parteivorsitzende auch Spitzenkandidatin für die Nationalratswahl gewesen, "ich sehe nichts was man daran ändern müsste". Und personelle Diskussionen sollte man nicht öffentlich, sondern "im Wohnzimmer führen", meinte Katzian.

Dass die SPÖ in Umfragen teilweise hinter der FPÖ liegt führt er auf die aktuelle "Themenlandschaft Schengen, Asyl" zurück - und das sorge ihn momentan auch nicht, weil keine Wahl im Raum steht. Der ÖGB-Präsident geht nämlich davon aus, dass die ÖVP-Grün-Regierung bis zum regulären Termin Herbst 2024 weitermachen wird.

SPÖ unterstützt Katzians Forderungen, FPÖ lehnt sie ab

Von der SPÖ kam - wenig überraschend - Unterstützung für die Forderungen Katzians im Kampf gegen die Teuerung. Auch die SPÖ fordere anstelle von "schnell verpuffenden" Einmalzahlungen Gaspreisdeckel, Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel und Mietpreisdeckel - samt Finanzierung durch "richtige" Besteuerung der Übergewinne, betonte Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch in einer Aussendung. Er sicherte der Gewerkschaft zudem "volle Unterstützung" bei den Lohnverhandlungen zu.

Ablehnung für Katzians Aussagen kam von der FPÖ - und zwar zum Punkt Arbeitsmarktzugang für Asylwerber. Da sei der ÖGB-Präsident "ganz auf Linie mit österreicher- und arbeitnehmerfeindlichen Vorstößen von ÖVP und SPÖ", meinte die stv. Klubchefin Dagmar Belakowitsch. Die FPÖ lehnt die Zulassung von Asylwerbern ab, weil dies Lohndumping "befeuern" als als "weiterer Magnet" für illegale Einwanderer wirken könne.

Präsident der Industriellenvereinigung erfreut

Erfreut von Katzians Aussagen zum Fachkräftemangel war der Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Knill. Er begrüßte es, dass "auch der ÖGB erkannt hat, dass es in diesem Bereich einen großen Handlungsbedarf gibt". Anders als Katzian - der darin nur eine Einsparungsmaßnahme für die Arbeitgeber sieht - hielte Knill es aber für geboten, für den Verbleib über das gesetzliche Pensionsantrittsalter hinaus auf die Pensionsversicherungsbeiträge zu verzichten. Damit könnte vorhandenes Potenzial am Arbeitsmarkt genützt werde, meint er, und drängte auch auf den Ausbau der Kinderbetreuung.

ribbon Zusammenfassung
  • ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian drängt angesichts der massiven Teuerung weiter auf ein Wärmepaket und inflationsdämpfende Deckel bei Mieten und Gütern des täglichen Bedarfs.
  • Mit den Herbst-Lohnabschlüssen ist er zufrieden, im Jänner bereitet sich die Gewerkschaft auf die Frühjahrsrunde vor.
  • Bisher sei immer die Parteivorsitzende auch Spitzenkandidatin für die Nationalratswahl gewesen, "ich sehe nichts was man daran ändern müsste".

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