APA/APA/POOL (Archiv)/OLIVIER MATTHYS

Nationalkonservative Koalition in Polen geplatzt

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In Polen steht das nationalkonservative Regierungsbündnis von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki vor dem Aus.

Der bisherige Vize-Regierungschef Jaroslaw Gowin kündigte nach der Entlassung durch Morawiecki am Dienstagabend in Warschau die Zusammenarbeit seiner Gruppierung mit der Regierungspartei PiS auf. Nach sechs Jahren des gemeinsamen Regierens sei man aus dem Bündnis hinausgeworfen worden, sagte Gowin dem Sender TVN24. Dies bedeute das Ende des Projekts.

Rundfunkgesetz als Anstoß

Die Nachrichtenagentur AFP hatte bereits am Abend das Aus für die Regierungskoalition vermeldet, andere Quellen sprachen von einer Entscheidung am Mittwoch. Der 59-Jährige Gowin vertritt die konservative Gruppierung Porozumenie (Verständigung), die mit der PiS und einer weiteren Kleinpartei bisher ein Listenbündnis unter dem Namen "Vereinte Rechte" bildete. Gowin war bis zu seiner Entlassung Entwicklungsminister und zugleich Vize-Regierungschef. Offiziell hieß es zur Begründung, Gowin und die Abgeordneten seiner Gruppierung hätten nicht ausreichend an Reformen der PiS mitgearbeitet. Eigentlicher Hintergrund ist aber Streit um eine Änderung des Rundfunkgesetzes.

Gowins Ministerium habe "unzureichende Fortschritte" bei einem gemeinsamen Wirtschaftsprogramm vorzuweisen, sagte ein Regierungssprecher zur Begründung. Gowin erklärte seinerseits, seine Entlassung sei "ein faktischer Bruch der Regierungskoalition". Die Spitze seiner Partei werde am Mittwoch offiziell eine Entscheidung darüber treffen. In der polnischen Nachrichtenagentur PAP wurde nicht explizit über einen Bruch der Koalition berichtet, am Ende einer Meldung über den Zwist im Regierungsbündnis war aber zu lesen: "Nach seiner Entlassung sagte Gowin, dass dies das Ende der Koalition der Vereinigten Rechten bedeuten würde."

Streit um Steuerreform

Der Regierungssprecher zeigte sich zuversichtlich, dass die Koalition im Parlament auch nach der Entlassung Gowins über eine ausreichende Mehrheit verfügen werde. Einige Abgeordnete von dessen Partei dürften weiter die Reformpläne der Regierung unterstützen, sagte er. Die beiden Koalitionspartner hatten unter anderem über geplante Steuerreformen gestritten. Morawieckis PiS-Partei hat erklärt, die große Mehrheit der Bevölkerung werde davon profitieren. Auf Gowins Seite hieß es jedoch, die Reformen würden die Mittelschicht treffen und die Inflation anheizen. Gowin hat zudem zu den umstrittenen Justizreformen des Landes erklärten, es sei nicht sinnvoll, deswegen in einen Streit mit der Europäischen Union zu geraten.

AFP hatte berichtet, der Juniorpartner der PiS habe seinen Rückzug aus dem Bündnis bereits verkündet. "Wir verlassen die Regierung erhobenen Hauptes", erklärte Gowin demnach. Seine Entlassung markiere das Ende des Bündnisses "Vereinigte Rechte" und "de facto den Bruch der Regierungskoalition". In den vergangenen Monaten hatten die Spannungen zwischen Gowins Partei und der PiS zugenommen.

Anlass für die Regierungskrise waren unter anderem geplante Steuererhöhungen, die der Vize-Regierungschef ablehnte. Gowin sprach sich außerdem gegen einen Gesetzentwurf aus, der den US-Medienkonzern Discovery dazu zwingen könnte, die Mehrheit seiner Anteile am privaten polnischen Sender TVN zu verkaufen.

Nach dem Rückzug ihres Juniorpartners ist die PiS nun auf die Unterstützung von Abgeordneten anderer Parteien aus dem rechten Spektrum angewiesen. Er denke nicht, dass die PiS-Regierung ihre Mehrheit im Sejm verliere, sagte Regierungssprecher Piotr Müller. "Ich bin überzeugt, dass es in der Vereinigten Rechten und im übrigen polnischen Parlament Abgeordnete gibt, welche die von uns vorgeschlagenen positiven Reformen unterstützen werden", sagte er.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Partei Verständigung, Koalitionspartner der PiS, reagierte auf die Entscheidung von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, deren Vorsitzenden Jaroslaw Gowin als Vize-Regierungschef abzuberufen und verließ laut AFP die Regierungskoalition. 
  • Seine Entlassung markiere das Ende des Bündnisses "Vereinigte Rechte" und "de facto den Bruch der Regierungskoalition".
  • In den vergangenen Monaten hatten die Spannungen zwischen Gowins Partei und der PiS zugenommen.
  • Andere Nachrichtenagenturen berichtetet zwar von der Entlassung Gowins, meldeten aber noch nicht das Ende der Regierungskoalition.

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