Israel avisiert "größere Härte" bei Offensive in Gaza-Stadt
Der israelische Regierungschef Benjamin Netanyahu hatte bereits am Montag verstärkte Angriffe der Armee in der Stadt Gaza angekündigt und die verbliebenen Einwohner aufgefordert, die Stadt umgehend zu verlassen: "Sie wurden gewarnt, verschwinden Sie von dort", sagte er.
Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz drohte am Dienstag in der Früh erneut der Hamas: Sollten die Islamisten ihre Waffen nicht niederlegen und alle Geiseln freilassen, würden sie sowie die Stadt Gaza vernichtet. Israels Armee habe am Montag dort 30 Hochhäuser zerstört, um die Infrastruktur von Terrororganisationen zu zerstören und den Weg für Israels einrückende Truppen zu ebnen.
Die Stadt Gaza gilt als eine der letzten Hochburgen der militant-islamistischen Palästinenser-Organisation Hamas im Gazastreifen.
Die Menschen sollen sich zu ihrer eigenen Sicherheit von Gaza-Stadt nach Al-Mawasi in den Süden des Gazastreifen begeben, hieß es in einem in arabischer Sprache veröffentlichten Aufruf. Israels Armee werde in der Stadt Gaza "mit großer Intensität vorgehen", um die Hamas zu besiegen, wie sie es bereits im gesamten Küstenstreifen getan habe, teilte das Militär darin weiter mit.
Die Evakuierungsanordnungen lösten unter den Bewohnern teilweise Panik aus. Einige sagten, sie hätten keine andere Wahl, als in den bereits mit Flüchtlingen überfüllten Süden des Küstenstreifens zu gehen. Die meisten erklärten jedoch, sie würden bleiben, da auch kein anderer Ort sicher sei. "Trotz des Bombardements in der vergangenen Woche habe ich mich geweigert zu gehen, aber jetzt werde ich zu meiner Tochter gehen", sagte Um Mohammed, eine 55-jährige Mutter von sechs Kindern.
Es ist die erste Fluchtaufforderung der Armee für die gesamte Stadt. Zuvor hatte es derlei Aufrufe nur für einzelne Gegenden gegeben. Die israelische Armee gab auch eine Nummer an, für den Fall, dass die Menschen auf Straßensperren der Hamas stoßen oder anderweitig von den Islamisten an der Flucht gehindert würden.
Al-Mawasi wurde während des Gaza-Kriegs von Israel als "humanitäre Zone" ausgewiesen. In der Vergangenheit hatte das israelische Militär aber auch dort mehrfach angegriffen. Ziel waren Armeeangaben zufolge dabei etwa Hamas-Einrichtungen.
Totaleroberung geplant
Israels Regierung beabsichtigt, die Stadt Gaza militärisch vollständig einzunehmen. Nach jüngsten Schätzungen haben sich dort bis zuletzt rund eine Million Menschen aufgehalten. Netanyahu sagte am Sonntag, bisher hätten rund 100.000 Palästinenser den Ort verlassen. Hilfsorganisationen warnen vor einer weiteren Verschärfung der ohnehin katastrophalen Lage der Zivilbevölkerung.
Die angekündigte israelische Offensive erschwert parallel auch die Bemühungen um einen Waffenstillstand. Katar habe die Hamas-Führung bei Gesprächen am Montag in Doha dazu gedrängt, "positiv" auf den jüngsten von den USA vorgeschlagenen Waffenstillstands- und Geisel-Deal zu reagieren, sagte ein über die Gespräche informierter Insider der Nachrichtenagentur Reuters. Die Hamas erklärte, sie habe von US-Seite einige Ideen für ein Waffenstillstandsabkommen erhalten und diskutiere mit den Vermittlern, wie diese Ideen weiterentwickelt werden könnten.
Kämpfer der Hamas und anderer islamistischer Gruppen hatten mit ihrem überraschenden Großangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 den Krieg im Gazastreifen ausgelöst. Die Angreifer töteten damals mehr als 1.200 Menschen und verschleppten 251 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen. Israel geht seither massiv militärisch in dem Palästinenser-Gebiet vor. Dabei wurden nach Angaben der Hamas-Behörden, die nicht unabhängig überprüft werden können, bisher mehr als 64.500 Menschen getötet.
Zusammenfassung
- Die israelische Armee kündigte eine verstärkte Offensive in Gaza-Stadt an und forderte die rund eine Million verbleibenden Bewohner zur Flucht auf, nachdem am Montag 30 Hochhäuser zerstört wurden.
- Premierminister Netanyahu und Verteidigungsminister Katz drohen der Hamas mit der vollständigen Vernichtung der Stadt, falls keine Waffenabgabe und Freilassung der Geiseln erfolgt, während laut Netanyahu bereits 100.000 Menschen geflohen sind.
- Hilfsorganisationen warnen angesichts der Evakuierungsanordnung und den anhaltenden Angriffen vor einer weiteren Verschärfung der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen, wo laut Hamas-Angaben über 64.500 Menschen getötet wurden.