Nach Kritik Änderungen im Erwachsenenschutzrecht angekündigt
Martin Ladstätter, Vizepräsident des Österreichischen Behindertenrats, äußerte zwar Verständnis für die Sparbemühungen der Bundesregierung. Er warnte aber vor "Schnellschüssen", durch die die Menschenrechte ausgehebelt würden. "Die düsteren Zeiten der Entmündigung dürfen nicht wiederkommen", appellierte Ladstätter.
Eine Erwachsenenvertretung dürfe nur so lange bestehen, wie nötig, und es müsse bei einem obligatorischen Clearing überprüft werden, ob diese überhaupt weiterhin gebraucht wird. Die vorgeschlagene Novelle zum Budgetbegleitgesetz sieht nun aber vor, dass diese zwei Sicherungsmechanismen kurzfristig ausgehebelt werden, so Ladstätter. Konkret soll die Überprüfungsfrist der gerichtlichen Erwachsenenvertretung von drei auf fünf Jahre verlängert werden und die Verpflichtung zum Clearing durch einen Erwachsenenschutzverein entfallen. "Das verspielt Vertrauen", so Ladstätter, der befürchtet, dass dadurch wieder zu oft Richterinnen und Richter über eine lebenslange Vertretung entscheiden.
Julia Moser, Vorsitzende des Unabhängigen Monitoringausschusses, nannte die geplanten Änderungen, die noch dazu über die Köpfe der Betroffenen hinweg geplant worden seien, "sehr bedenklich". In der UN-Menschenrechtskonvention sei klar das Recht auf selbstbestimmte Entscheidungen und die dafür nötige Unterstützung für Menschen mit Behinderung festgeschrieben. Erwachsenenvertreter können aber auch Entscheidungen gegen den Willen der vertretenen Person treffen. Umso wichtiger seien eine kurze Dauer und ein Clearing, das berücksichtigt, ob sich etwa die Lebenssituation der Person geändert hat und dadurch eine Vertretung nicht mehr nötig ist.
Dass laut Budgetbegleitgesetz Anwälte und Notare wieder mehr Erwachsenenvertretungen übernehmen sollen, birgt laut Moser auch die Gefahr, dass die Qualität der selbstbestimmten Entscheidungsfindung abnehme. Auch der von der SPÖ nominierte Volksanwalt Bernhard Achitz sieht diese Gefahr. Bei der Volksanwaltschaft habe man die Erfahrung gemacht, dass sich in diesen Fällen immer wieder Menschen nicht gut vertreten fühlen, weil sie "in der Kanzlei abgefertigt" werden. Juristen hätten auch schlicht oft nicht die nötige Zusatzausbildung, "die Erwachsenenvertreter machen das besser". Er appellierte an die Länder, durch entsprechende Unterstützungsstrukturen und Vorsorgemaßnahmen Erwachsenenvertretungen überhaupt möglichst zu vermeiden. Das wäre "gut für die Selbstbestimmung und billiger".
Justizministerium: "System an Kapazitätsgrenze"
Das Justizministerium verteidigte unterdessen in einer Stellungnahme gegenüber der APA die geplanten Maßnahmen. "Das System der Erwachsenenvertretung ist an seiner Kapazitätsgrenze", hieß es. Mit der Novelle versuche man das System der gerichtlichen Erwachsenenvertretung zu stabilisieren und die lückenlose Versorgung von Menschen sicherzustellen, die ohne diese Unterstützung nicht auskommen können. Weil das Ministerium aber die geäußerten Bedenken "selbstverständlich ernst" nehme, werde es "abgestimmte Anpassungen" am eingebrachten Gesetzesentwurf vorschlagen.
Dadurch sollen Betroffenen im Rahmen des Erneuerungsverfahrens ein Antragsrecht auf "Clearing" bekommen und gleichzeitig die Erwachsenenschutzvereine entlastet werden, da in bestimmten Konstellationen ein obligatorisches Clearing nicht erforderlich sei, etwa wenn der Betroffene im Koma liegt oder bei irreversiblen degenerativen Erkrankungen. Außerdem soll der laufende partizipative Prozess im Bereich Erwachsenenschutz zwischen Ministerium, Erwachsenenschutzvereinen, Interessens- und Selbstvertretungsvereinen und der Vertretung von Anwälten und Notarinnen in dieser Frage fortgesetzt werden.
Zusammenfassung
- Die geplante Novelle im Erwachsenenschutzrecht sieht vor, die Überprüfungsfrist für gerichtliche Erwachsenenvertretungen von drei auf fünf Jahre zu verlängern und die Clearing-Pflicht durch einen Erwachsenenschutzverein zu streichen.
- Behindertenrat, Volksanwaltschaft und Monitoringausschuss kritisieren die Änderungen scharf und warnen vor einer Rückkehr zu weniger Selbstbestimmung sowie einer möglichen Entmündigung von Betroffenen.
- Das Justizministerium kündigt als Reaktion auf die Kritik abgestimmte Anpassungen an, darunter ein Antragsrecht auf Clearing für Betroffene und Ausnahmen vom obligatorischen Clearing bei bestimmten Krankheitsbildern.