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Mutmaßlicher Nord-Stream-Saboteur soll ausgeliefert werden

Heute, 09:52 · Lesedauer 3 min

Wegen des Anschlags auf die Nord-Stream-Gaspipelines in der Ostsee von Russland nach Deutschland hat ein italienisches Gericht am Dienstag die Auslieferung eines Ukrainers nach Deutschland angeordnet. Der Mann wird verdächtigt, die Anschläge auf die Pipelines durch die Ostsee im Jahr 2022 koordiniert zu haben, wie aus einem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Gerichtsbeschluss hervorgeht. Serhii K. will laut seinen Anwälten aber Einspruch dagegen einlegen.

Der Verdächtige war im August auf Grundlage eines europäischen Haftbefehls in der Nähe des italienischen Küstenortes Rimini festgenommen worden. Den Ermittlern zufolge gehörte Serhii K. zu einer Gruppe von Personen, die im September 2022 nahe der dänischen Insel Bornholm Sprengsätze an den Gaspipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 platzierten. Bei dem 49 Jahre alten Ukrainer handle es sich mutmaßlich um einen der Koordinatoren der Aktion, teilte die deutsche Bundesanwaltschaft im August mit.

Für die Tat sei eine in Rostock gestartete Segeljacht genutzt worden, die über Mittelsmänner mit gefälschten Ausweisen bei einem deutschen Unternehmen gechartert worden sei. Die Sprengsätze waren am 26. September 2022 detoniert. Mehrere Leitungen wurden dabei schwer beschädigt. Durch Nord Stream wurde russisches Gas direkt nach Deutschland gepumpt.

Der Verdächtige soll nach seiner Überstellung aus Italien dem Ermittlungsrichter des deutschen Bundesgerichtshofs vorgeführt werden. Allerdings versucht sein Anwalt Nicola Canestrini noch, mit einem Gang vor den italienischen Kassationsgerichtshof in Rom, die Überstellung an die deutschen Behörden zu verhindern. Die Aussichten werden als gering beurteilt.

Bei dem Haftprüfungstermin wies K. jegliche Vorwürfe zurück. Er behauptete, in der Zeit der Anschläge auf die Pipelines in der Ukraine gewesen zu sein. Auch Kiew bestreitet, hinter den Anschlägen auf die Gaspipelines zu stecken. Die Ukraine wehrt sich schon seit mehr als dreieinhalb Jahren gegen einen Angriffskrieg aus Russland.

Ehemaliger Geheimdienstagent?

Nach Informationen des Magazins "Der Spiegel" soll der Mann ein ehemaliger Agent des ukrainischen Geheimdienstes SBU sein. K. wurde in der Gemeinde San Clemente im Hinterland des beliebten Adria-Badeortes Rimini gefasst, wo er mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern die Ferien verbrachte. Die italienischen Behörden halten es für möglich, dass er auch an Anschlägen auf Schiffe der sogenannten russischen Schattenflotte im Mittelmeer beteiligt war.

Der Anschlag im Herbst vor drei Jahren hatte weltweit Schlagzeilen gemacht. Mehrere Sprengungen beschädigten die beiden Pipelines so sehr, dass kein Gas mehr durchgeleitet werden konnte. An drei der insgesamt vier Leitungen wurden Lecks entdeckt.

Allerdings war zuvor schon kein Gas mehr durch die Leitungen geflossen. Nach Kriegsbeginn im Februar 2022 hatte Russland seine Lieferungen schrittweise gedrosselt und Anfang September völlig eingestellt - angeblich wegen technischer Probleme. Beobachter vermuteten, dass damit der Druck auf den Westen und insbesondere Deutschland erhöht werden sollte, wegen des Kriegs erlassene Sanktionen gegen Russland zurückzunehmen. Inzwischen sind viele weitere Sanktionen hinzugekommen.

Zusammenfassung
  • Ein italienisches Gericht hat am Dienstag die Auslieferung des 49-jährigen Ukrainers Serhii K. nach Deutschland angeordnet, da er verdächtigt wird, die Sprengungen an den Nord-Stream-Pipelines im September 2022 koordiniert zu haben.
  • Serhii K. wurde im August 2023 nahe Rimini auf Grundlage eines europäischen Haftbefehls festgenommen, nachdem Ermittler ihn als mutmaßlichen Koordinator einer Gruppe identifizierten, die nahe Bornholm Sprengsätze an den Pipelines platzierte.
  • K. und die Ukraine bestreiten jegliche Beteiligung an dem Anschlag, während die Verteidigung versucht, die Auslieferung mit einem Einspruch vor dem italienischen Kassationsgerichtshof zu verhindern, die Erfolgsaussichten jedoch als gering gelten.