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Mehrheit der Österreicher gegen EU-Erweiterung

Heute, 09:01 · Lesedauer 4 min

Die Mehrheit der Österreicher lehnt laut einer am Dienstag vorgestellten Eurobarometer-Umfrage die Aufnahme weiterer Länder in die Europäische Union ab. Die Umfrage ist Grundlage von Beratungen der EU-Europaminister, die am Dienstag in Kopenhagen über die Erweiterung diskutieren. Demnach sind 56 Prozent der EU-Bürger für weitere EU-Erweiterungen, aber nur 45 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher.

Mehr Skepsis gegenüber der EU-Erweiterung als in Österreich findet sich nur in Tschechien und Frankreich, wo die Aufnahme neuer Länder nur von 43 Prozent der Befragten gutgeheißen wird. Zu den glühendsten Befürwortern der EU-Erweiterung mit Zustimmungsraten von über 70 Prozent zählen die Bürger in Schweden, Dänemark, Litauen und Finnland. Als größte Sorgen bezüglich der Erweiterung werden EU-weit unkontrollierte Migration, Korruption, Organisiertes Verbrechen und Terrorismus sowie die Kosten für die europäischen Steuerzahler genannt.

Ukraine und Montenegro am populärsten

Sieht man sich die Kandidatenländer im einzelnen an, erhält keines in Österreich eine mehrheitliche Zustimmung. Am populärsten sind hierzulande noch EU-Beitritte der Ukraine, Montenegros und Bosnien-Herzegowinas (jeweils 40 Prozent), gefolgt von Serbien (39 Prozent) und Nordmazedonien (34 Prozent). Auf den hinteren Rängen liegen Moldau (33 Prozent), Albanien (30 Prozent), Georgien (29 Prozent), Kosovo (28 Prozent) und die Türkei (19 Prozent). Im EU-Durchschnitt erhalten die Ukraine (52 Prozent) und Montenegro (51 Prozent) die höchsten Zustimmungsraten, die Türkei die niedrigste (37 Prozent).

Plakolm: "Beitrittsprozess dauert zu lange"

Europaministerin Claudia Plakolm (ÖVP) zeigte sich von den Ergebnissen der Umfrage nicht überrascht. "Der Prozess zieht sich seit über 20 Jahren, ohne dass konkrete Ergebnisse sichtbar werden. Da ist völlig klar, dass man den Glauben daran verliert und auch die Vorteile in den Hintergrund geraten", betonte Plakolm am Dienstag in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Plakolm nimmt wegen der gleichzeitig stattfindenden Regierungsklausur nicht an dem informellen Treffen der Europaminister in Kopenhagen teil.

"Der Beitrittsprozess dauert zu lange, wir riskieren, dass auch die Stimmung in den Beitrittsländern am Westbalkan sich verschlechtert", warnte Plakolm. "Die Menschen brauchen auf beiden Seiten einen klaren Pfad, der rasch und mit spürbaren Schritten umgesetzt wird." Die Europaministerin forderte erneut eine "graduelle Integration nicht nur beim Binnenmarkt, sondern auch bei Energie, Infrastruktur oder Sicherheit", dies würde "uns in der Stimmung gegenüber der EU und dem Erweiterungsprozess weiterbringen". Erste Beispiele wären die Einbindung in den SEPA-Zahlungsraum oder Diskussionen über ein Ende der Roaminggebühren. Plakolm: "Europa muss im Alltag der Menschen positiv spürbar sein - in Österreich und bei den Beitrittskandidaten. Nur so können wir proeuropäische Kräfte stärken - denn wenn wir uns nicht um diese Länder bemühen, werden es andere tun." Die EU müsse "hier liefern".

Montenegro und Albanien Frontrunner

EU-Erweiterungskommissarin Marta Kos hatte zuletzt Montenegro und Albanien als die am weitesten fortgeschrittenen Kandidaten bezeichnet, beide Länder könnten ihrer Ansicht noch vor 2030 der EU beitreten. Montenegro will die EU-Beitrittsgespräche schon 2026 abschließen und der Union 2028 als 28. Mitgliedsland beitreten. Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sind praktisch zum Erliegen gekommen, in Georgien hat die pro-russische Regierungspartei "Georgischer Traum" die Beitrittsverhandlungen mit der EU von sich aus auf die lange Bank geschoben. Serbien muss vor einem EU-Beitritt eine Normalisierung seiner Beziehungen mit dem Kosovo erreichen. Der Kosovo selbst wird nicht nur von Serbien, sondern auch von fünf EU-Staaten nicht anerkannt.

Die bisher letzte EU-Erweiterungsrunde fand 2013 mit Kroatien statt. Seither ist die Europäische Union durch den Austritt Großbritanniens 2020 (Brexit) sogar kleiner geworden.

EU-Erweiterungskommissarin: "Besser mit Bürgern kommunizieren"

Kos erklärte in ihrem Einladungsbrief für das Treffen in Kopenhagen, sie wolle einen kurzen Austausch darüber abhalten, "wie wir besser mit unseren Bürgern über die Erweiterung kommunizieren können". Sie wolle eine "fundierte öffentliche Debatte fördern, das Verständnis der Bürger für die Vorteile der Erweiterung vertiefen und die Erweiterungspartner enger in die gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit in der gesamten Union einbeziehen".

Der SPÖ-EU-Delegationsleiter, Andreas Schieder, bezeichnete die EU-Erweiterung in einer Aussendung als "eines der stärksten außenpolitischen Instrumente, über die Europa verfügt. Unsere unmittelbare Nachbarschaft ist längst zum Spielfeld autoritärer Mächte geworden und genau deshalb dürfen wir nicht weiter tatenlos zusehen, wie andere dort zunehmend den Ton angeben." Die Erweiterung eröffne außerdem handfeste Chancen für Österreich. Schieder nannte etwa Absatzmärkte, Arbeitsplätze und eine engere Zusammenarbeit bei Energie und Infrastruktur. Parallel zur Erweiterung brauche die EU tiefgreifende interne Reformen, insbesondere eine Ausweitung von Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit. "Zu oft erleben wir, wie Blockierer wie Ungarn die EU lähmen."

Zusammenfassung
  • Laut Eurobarometer-Umfrage befürworten nur 45 Prozent der Österreicher eine EU-Erweiterung, während im EU-Durchschnitt 56 Prozent dafür sind.
  • Die höchste Zustimmung in Österreich für einen EU-Beitritt erhalten die Ukraine, Montenegro und Bosnien-Herzegowina mit jeweils 40 Prozent.
  • Zu den größten Bedenken gegenüber einer Erweiterung zählen EU-weit unkontrollierte Migration, Korruption, organisiertes Verbrechen, Terrorismus und Kosten.
  • Europaministerin Claudia Plakolm kritisiert die lange Dauer des Beitrittsprozesses und fordert eine graduelle Integration, etwa durch Einbindung in den SEPA-Zahlungsraum.
  • Montenegro und Albanien gelten laut EU-Kommissarin Marta Kos als die fortgeschrittensten Kandidaten, wobei Montenegro bereits 2028 der EU beitreten möchte.