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Kiew: Russland schuld an Nahrungsmittelkrise

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Die Ukraine hat Russland erneut mit Nachdruck widersprochen, dass westliche Strafmaßnahmen gegen Moskau der Grund für die aktuelle mangelnde Lebensmittelsicherheit in der Welt seien.

"Sanktionen gegen Russland haben nichts mit der sich abzeichnenden globalen Nahrungsmittelkrise zu tun", teilte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba am Samstag per Twitter mit.

"Der einzige Grund für Engpässe, steigende Preise und drohenden Hunger ist, dass das russische Militär 22 Millionen Tonnen ukrainischer Lebensmittelexporte in unseren Seehäfen physisch blockiert", betonte Kuleba. Der Westen müsse Russland mit Druck dazu bringen, die Blockade zu beenden.

Putin stellt Bedingungen 

Erst am Samstag hatte der russische Präsident Wladimir Putin bei einem Telefonat mit Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron gesagt, die "fehlerhafte Wirtschafts- und Finanzpolitik der westlichen Staaten" sowie die "antirussischen Sanktionen" seien für die Probleme verantwortlich.

Die deutsche Bundesregierung weist stets darauf hin, dass es keine Sanktionen gegen Lebensmittel gebe. Scholz und Macron beklagten bei dem Telefonat nach Angaben der deutschen Bundesregierung die angespannte Lage auf dem globalen Lebensmittelmarkt.

Putin hatte in dem Telefonat mit Scholz und Macron in Aussicht gestellt, bei Lockerungen der westlichen Sanktionen gegen sein Land die Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine zu ermöglichen. Russland sei "bereit", Möglichkeiten "für einen Getreide-Export ohne Hemmnisse zu finden", sagte Putin nach Kreml-Angaben am Samstag.

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Nehammer sieht "Signale" 

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte am Freitag nach einem Telefonat mit Putin erklärt, dieser habe "Signale gegeben", bereit zu sein, aus der Ukraine Exporte von Saat- und Nahrungsmittel über Seehäfen zuzulassen. Die Ukraine kann als großer Weizenproduzent das Getreide wegen der von der russischen Kriegsmarine blockierten Häfen derzeit nicht ausführen. Kiew fordert seit Wochen vom Westen die Lieferung schwerer Waffen, um den Weg für den Schiffsverkehr freizuschießen.

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G7 arbeiten "mit Hochdruck" an Lösung

Die G7-Staaten arbeiten dem britischen Premierminister Boris Johnson zufolge mit Hochdruck an einer Lösung für den Export von Getreide aus der Ukraine, um eine weltweite Nahrungsmittelkrise zu vermeiden. Dies habe Johnson dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in einem Telefonat am Samstag gesagt, teilt Großbritannien mit. Johnson und Selenskyj seien sich einig, dass Russland diese Blockade aufgeben und sichere Schiffsrouten gewährleisten müsse, hieß es.

Die Häfen der Ukraine im Schwarzen Meer müssen von der russischen Blockade befreit werden, teilte Selenskyj mit. "Wir haben über eine Verstärkung des Verteidigungshilfe gesprochen", twitterte er. Angesichts der Knappheit von Kraftstoffen in der Ukraine habe er sich mit Johnson auch über die Energielieferungen unterhalten, hieß es. Viele Ukrainer klagen seit Wochen, dass es an den Tankstellen kein Benzin mehr gebe. Sie werfen der ukrainischen Regierung vor, ihr Versprechen, den Engpass zu beenden, nicht zu erfüllen.

Ukraine als Kornkammer 

Wegen ihrer fruchtbaren Böden ist die Ukraine einer der wichtigsten Weizenexporteure weltweit. Hinzukommen hohe Weltmarktanteile bei Gerste, Mais und Sonnenblumenöl. UNO-Angaben zufolge wurden 2020 allein gut 30 Millionen Tonnen Mais und knapp 25 Millionen Tonnen Weizen geerntet. Zusammen produzieren die Ukraine und Russland einer Studie zufolge 12 Prozent der weltweit gehandelten Kalorien.

Ein Großteil davon droht nun wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine auszufallen. Denn viel ukrainisches Getreide wird über die Schwarzmeerhäfen verschifft. Weizen ging von dort im vergangenen Jahr etwa nach Ägypten, Tunesien und Marokko, nach Äthiopien, in den Jemen und den Libanon, nach Indonesien, Pakistan und Bangladesch. Diese Häfen, allen voran Odessa, werden jetzt von den russischen Streitkräften blockiert.

Verhandlungen über Nahrungsmittel-Korridore 

Der ukrainische Präsident Selenskyj hat Verhandlungen über einen Korridor und die Freigabe für den Export gefordert. Rund 20 Millionen Tonnen Getreide aus der vergangenen Ernte können laut der früheren ukrainischen Finanzministerin Natalie Jaresko derzeit nicht verschifft werden. Die Ukrainer hätten keinen Platz mehr in ihren Silos. Die neue Ernte drohe zu verrotten. Letztlich aber werde die Krise die ganze Welt treffen: Nahrungsmittelknappheit werde in vielen Ländern zu Unruhen führen.

Drohungen wegen Waffenlieferungen 

Putin warnte Scholz und Macron im Gespräch außerdem vor der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Das berge das Risiko einer weiteren Destabilisierung der Lage und der Verschärfung der humanitären Krise, sagte Putin einer in Moskau am Samstag vom Kreml veröffentlichten Mitteilung zufolge. Scholz und Macron forderten in dem 80-minütigen Gespräch erneut ein Ende des Krieges, wie der Sprecher der deutschen Regierung, Steffen Hebestreit, mitteilte.

"Der Bundeskanzler und der französische Präsident drängten dabei auf einen sofortigen Waffenstillstand und einen Rückzug der russischen Truppen", teilte Hebestreit mit. "Sie riefen den russischen Präsidenten zu ernsthaften direkten Verhandlungen mit dem ukrainischen Präsidenten und einer diplomatischen Lösung des Konflikts auf." Putin betonte laut Kreml die Bereitschaft Moskaus, die "durch die Schuld Kiews" eingefrorenen Verhandlungen über eine Lösung des Konflikts wieder aufzunehmen.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Ukraine hat Russland erneut mit Nachdruck widersprochen, dass westliche Strafmaßnahmen gegen Moskau der Grund für die aktuelle mangelnde Lebensmittelsicherheit in der Welt seien.
  • "Sanktionen gegen Russland haben nichts mit der sich abzeichnenden globalen Nahrungsmittelkrise zu tun", teilte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba am Samstag per Twitter mit.
  • Der Westen müsse Russland mit Druck dazu bringen, die Blockade zu beenden.

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