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Junge Forscher wollen vor allem Freiheit und Karrierechancen

Heute, 06:38 · Lesedauer 4 min

Was für die Job-Zufriedenheit in vielen Bereichen der Wirtschaft gilt, trifft auch im Wissenschaftsbereich zu: Geld ist nicht alles, weiche Faktoren wie ein unterstützendes und wertschätzendes Umfeld für die eigene Arbeit und klare Karrierechancen sind zumindest genauso wichtig. Das ist das Ergebnis eines am Donnerstag im Rahmen der "Technology Talks Austria" im Wiener Museumsquartier gehaltenen Workshops.

"Attracting Excellence: How Can We Succeed in the Competition for Scientific Talent?" lautete der Titel, und Maria Leptin, Präsidentin des Europäischen Forschungsrats (ERC), machte in ihrer Keynote unter Verweis auf zahlreiche Studien deutlich: "Junge Forscherinnen und Forscher wollen nichts gratis, und sie haben auch nichts gegen den Wettbewerb, sie wollen aber klare Strukturen, wie sie sich etablieren können, und eine überschaubare Frist dafür." Freiheit und Unabhängigkeit würden neben einer kollegialen Arbeitsatmosphäre als wesentliche Faktoren für erfolgreiche wissenschaftliche Arbeit geschätzt.

Christof Gattringer, Präsident des Wissenschaftsfonds FWF, präsentierte Zahlen einer kürzlich vorgestellten aktuellen Umfrage des Marktforschungsinstituts Spectra, für die im Mai und Juni mehr als 3.300 Wissenschafterinnen und Wissenschafter befragt wurden. Zwei Drittel sind mit ihrer beruflichen Situation zufrieden oder sehr zufrieden, 61 Prozent fühlen sich in ihrer wissenschaftlichen Unabhängigkeit unterstützt. 86 Prozent suchen nach einer permanenten Anstellung im akademischen Sektor, aber fast ebenso viele glauben, dass ihre Chancen dafür eher gering sind. Die Hälfte der Befragten hat in jüngster Zeit mit dem Gedanken gespielt, den akademischen Bereich zu verlassen.

Manuela Baccarini, Vizerektorin für Forschung und Internationales an der Universität Wien, hielt das für eine realistische Einschätzung, die man unterstützen müsse: 1.100 Post-Docs arbeiteten an der Universität Wien - deutlich mehr als dauerhafte Posten, die man anbieten könne. "Die Zahlen sprechen nicht für sie."

Wechsel auf "the other side"?

Um Wechsel in die industrienahe Forschung attraktiver und leichter zu machen, müsse man "the other side" jedoch entmystifizieren, meinte Georg Winter, "Life Science Direktor" von AITHYRA, dem an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) eingerichteten neuen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz (KI) in der Biomedizin. "Sonst kann es ein böses Erwachen in der Wirklichkeit sein, wenn man von der Wissenschaft in die Wirtschaft wechselt." Er selbst erlebe gerade eine aufregende Zeit, das erste Symposium des neuen Instituts sei soeben zu Ende gegangen, und beim Recruiting habe sich anhand der hohen Zahl an Bewerbungen aus den USA gezeigt: "Wir profitieren stark von der Trump-Administration."

Die Vereinigten Staaten haben sich unter dem politischen Druck der aktuellen Regierung zu einem Negativbeispiel in der Forschungslandschaft gewandelt. Gute finanzielle Ausstattung und eine klare und straffe Organisation seien wenig wert, wenn die Unabhängigkeit gefährdet sei, betonte Juan Pablo Aguilera vom Institute of Discrete Mathematics and Geometry an der Technischen Universität (TU) Wien, der u.a. an Harvard und Rutgers studiert hat. In Österreich sei diese Freiheit gewährleistet, manche Struktur jedoch verbesserungsfähig: "Auf die Frage, warum etwas so ist, lautet die Antwort meist: So ist es eben."

Viele Verbesserungsmöglichkeiten

Aguilera wusste sich auch einig mit seinen Mit-Diskutanten, in welchen Bereichen Österreich nachlegen könne, um bei der internationalen Jagd nach wissenschaftlicher Exzellenz der Zukunft künftig noch besser abzuschneiden. Hilfe bei Visa- und Immigrations-Fragen, englischsprachige Unterstützung bei allen Problemen der Übersiedlung und des Ankommens, Steuer-Erleichterungen, transparente Prozesse bei Bewerbungsverfahren und eine Klarheit über den möglichen Karriereweg seien Schlüsselfaktoren dafür, die besten ausländischen jungen Forscherinnen und Forscher holen zu können.

Die EU habe bewiesen, dass Europa auch bei der Forschung viel leisten könne. Der Erfolg der ERC-Grants sei ein Beispiel dafür, sagte Maria Leptin, ebenso seien jedoch die nationalen Regierungen gefordert: "Wir können es uns nicht leisten, Talente zu vergeuden."

(S E R V I C E - https://technologytalks.ait.ac.at/)

Zusammenfassung
  • Die Hälfte der Befragten hat kürzlich mit dem Gedanken gespielt, den akademischen Bereich zu verlassen, während an der Universität Wien 1.100 Post-Docs nur auf wenige dauerhafte Stellen hoffen können.
  • Neben finanziellen Aspekten sind für junge Forscher vor allem Freiheit, Unabhängigkeit, klare Karrierewege und ein unterstützendes Umfeld entscheidend für ihre Zufriedenheit und ihren Verbleib in der Wissenschaft.