Industrie: Regierung muss Tempo großer Reformen steigern
Österreich müsse nicht wie Dänemark werden - aber doch ein bisschen mehr wie Dänemark, sagte Knill. Dänemark habe viele tiefgreifende Reformen bereits erledigt, die Österreich auf die eine oder andere Art auch brauche.
Der nordische Staat hat im Vergleich zur Alpenrepublik mit ihren mehr als 80 Prozent etwa eine fast verschwindend geringe Staatsschuldenquote von 28 Prozent. Daher gehöre aus vielen Punkten gelernt, was die Dänen besser machten. "Wir wollen nicht das dänische System kopieren, aber die Fühler ausstrecken, über den Tellerrand schauen und dass man sich selbst hinterfragt", so Neumayer.
Die IV gehört nicht zu den in Österreich mächtigen Sozialpartnern (ÖGB, WKÖ, LKÖ, AK), sitzt aber doch öfters mit diesen an einem Tisch, ist als Arbeitgeberinnenvereinigung etwa auch äußerst nahe an den Lohnabschlüssen. "In Dänemark funktionieren die Reformschritte in einem ausgeprägten, partnerschaftlichen Modell mit Regierung, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern", sagte Neumayer. "Das ist durchaus sehr ähnlich zum ausgeprägten sozialpartnerschaftlichen Modell, das es in Österreich gibt. Aber die Dänen agieren sachpolitisch und zukunftsorientiert und nicht reaktionär und verzagt." Von "Vernunft, Problembewusstsein und Mut auf allen Ebenen dort kann man sich viel abschauen".
Verwaltung effizienter machen
Nun gehört laut Knill und Neumayer die Zeit ohne Wahlen genutzt, um in Österreich Strukturreformen anzugehen, dass man grundsätzlich arbeitsfähig sei, habe die Regierung mit der Erstellung des Doppelbudgets 2025/26 bewiesen. Doch es brauche mehr. Ein Schritt sei das Treffen mit den Landeshauptleuten gewesen, denn es gebe viel zu viele Kompetenzunklarheiten und Doppelgleisigkeiten zwischen Bund und Ländern. Doch dass die Evaluierung nun eineinhalb Jahre dauern solle, das geht der IV zu langsam. "Wenn es nun schon eine Bereitschaft gibt, die Parallelstrukturen anzugehen, und alles am Tisch liegt, ist vieles umsetzbar. Da muss man schneller, klarer sein, Menschen mitnehmen und einen klaren Reformprozess starten", so Neumayer.
Dänemark habe etwa die Zahl der Gemeinden etwa gedrittelt auf 98 und 13 Kreise zu fünf Regionen umgewandelt - die nicht steuerautonom sind und klare Aufgaben hätten. Österreich hat mehr als 2.000 Gemeinden, 94 Bezirke und neun Länder "mit Parallelstrukturen und unklarer Verantwortung". Man wolle freilich niemanden abschaffen oder Kompetenzen rauben, betonte Neumayer. "Aber wir müssen das endlich effizient organisieren."
Die Staatsausgabenquote liege hierzulande bei knapp 53 Prozent, in Dänemark seien es lediglich knapp 47 Prozent. Alleine mit einer Verwaltungsvereinfachung sei etwa eine halbe Milliarde Euro drin.
Pensionen
Kürzlich forderte Knill ja bereits ein Pensionsantrittsalter von 70 Jahren, ein solches kommt in Dänemark schrittweise bis 2040 in dieses Alter - und ist automatisch an die Lebenserwartung angepasst. Derzeit liegt das dortige Pensionsalter bei 67 Jahren. Die Skandinavier (9,3 Prozent) geben deutlich weniger staatliches Geld aus als die Österreicher (13,3 Prozent). Österreich finanziert größtenteils über Umlagen, Dänemark hat eine steuerfinanzierte Grundrente mit starker Kapitaldeckung. Der Kapitalmarkt gehöre auch hierzulande viel stärker für die Pensionen genutzt.
Umgelegt auf Österreich heiße das, es brauche eine "klare Strukturreform im Pensionssystem mit einer klaren Anhebung des faktischen, aber auch des Regel-Pensionsalters samt Anpassung an die Lebenserwartung. Die Kapitalmarktsäule mit deren Möglichkeiten gehöre genutzt.
Kinderbetreuung
Um das trotz steigender Anzahl von arbeitenden Menschen stagnierende Arbeitszeitvolumen zu stärken, müsse die Regierung die Kinderbetreuung angehen - also ausbauen. Es braucht nämlich mehr Frauen auf dem Arbeitsmarkt, die Voll- und nicht Teilzeit hackeln. Hierzulande sind 70 Prozent der arbeitenden Mütter in Teilzeit, in Dänemark 23 Prozent.
"Stabile Mehrheit beste Voraussetzung für strukturelle Reformen"
Traut Knill der Regierung aus ÖVP, SPÖ und NEOS die geforderten großen Reformschritte zu? "Eine stabile Mehrheit im Nationalrat ist gegeben und beste Voraussetzung für strukturelle Reformen", sagte er auf diese Journalistenfrage.
Vergleich von Steuer- und Abgabensätze
Die Abgabenquote liegt heuer in Dänemark laut IV-Angaben bei 43,7 Prozent, hierzulande bei 45,4 Prozent. Die KöSt ist mit 22 bzw. 23 Prozent ähnlich hoch. Die Umsatzsteuer liegt im nordischen Land mit 25 Prozent um fünf Punkte über dem hiesigen Satz. Der Eingangssteuersatz ist bei den Skandinaviern mit 37 Prozent deutlich höher als in Österreich mit 20 Prozent, der Spitzensteuersatz liegt im Norden bei 52, hierzulande bei 55 Prozent. Der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung und Einkommen-/Lohnsteuer in Prozent der Lohnkosten 2023 (alleinstehender Arbeitnehmer ohne Kinder, Durchschnittseinkommen) betrug in Dänemark gut 36 und in Österreich gut 47 Prozent.
Zusammenfassung
- Die Industriellenvereinigung fordert nach den ersten 100 Tagen der neuen Regierung ein entschlosseneres Tempo bei Strukturreformen und verweist auf Dänemark als Vorbild für effiziente Verwaltung und niedrige Staatsschulden von 28 Prozent.
- Österreichs Staatsausgabenquote liegt mit knapp 53 Prozent deutlich über der Dänemarks mit 47 Prozent, und durch Verwaltungsvereinfachungen könnten laut IV rund 0,5 Milliarden Euro eingespart werden.
- Im Pensionssystem wird eine Anhebung des Antrittsalters auf bis zu 70 Jahre gefordert, ähnlich wie in Dänemark, wo das Pensionsalter derzeit 67 Jahre beträgt und die Pensionsausgaben 9,3 Prozent (Österreich: 13,3 Prozent) betragen.
- Um das Arbeitszeitvolumen zu steigern, soll die Kinderbetreuung ausgebaut werden, da in Österreich 70 Prozent der arbeitenden Mütter Teilzeit arbeiten, während es in Dänemark nur 23 Prozent sind.
- Die Abgabenquote liegt in Österreich mit 45,4 Prozent über jener Dänemarks mit 43,7 Prozent, und auch die Sozialversicherungs- und Lohnsteuerbelastung ist hierzulande mit 47 Prozent im Vergleich zu 36 Prozent in Dänemark deutlich höher.