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Frankreichs Ex-Premier Lecornu sucht nach Kompromiss

Heute, 11:17 · Lesedauer 4 min

Frankreichs zurückgetretener Premierminister Sébastien Lecornu hat im Auftrag des Präsidenten Emmanuel Macron am Dienstag die Suche nach einem Kompromiss in letzter Minute aufgenommen. Dieser solle sich auf das Budget und die Lage im Überseegebiet Neukaledonien konzentrieren, schlug Lecornu nach einem ersten Treffen mit Parteienvertretern vor. Unterdessen forderte Ex-Premier Édouard Philippe bereits vorgezogene Präsidentschaftswahlen.

Nicht anwesend war bei dem Treffen Innenminister Bruno Retailleau von den konservativen Republikanern, der zuvor mit seiner Drohung, die Koalition zu sprengen, den Rücktritt des Premierministers am gestrigen Montag ausgelöst hatte. Eingeladen war hingegen Ex-Premier Philippe, Chef der von ihm gegründeten Partei Horizonte (Horizons), der als erster hochrangiger Vertreter des Regierungslagers in der Früh öffentlich "vorgezogene Präsidentschaftswahlen" gefordert hatte. Philippe rief Präsident Macron dazu auf, nach der Verabschiedung des Haushalts zurückzutreten.

"Die Lösung der Krise liegt bei ihm", betonte Philippe, der Macrons erster Premierminister nach dessen Amtsantritt 2017 war. "In einer Situation, in der die Autorität des Staates so sehr in Frage gestellt wird, muss (der Präsident) eine Entscheidung treffen, die seinem Amt gerecht wird", sagte Philippe, der selbst bei den kommenden Präsidentschaftswahlen antreten will. Dies ermögliche Macron "einen geordneten Abgang".

Der Fraktionschef der Präsidentenpartei Renaissance, Gabriel Attal, distanzierte sich von dem Rücktrittsruf. Einen demokratisch gewählten Präsidenten zum Rücktritt zu bewegen "würde das demokratische Gleichgewicht gefährden", sagte er. Am Vortag war Attal allerdings selbst auf Distanz zu seinem politischen Ziehvater Macron gegangen und hatte betont, dass er dessen Entscheidungen "nicht mehr verstehe". Er habe den Eindruck, dass dieser sich an sein Amt klammere, hatte er hinzugefügt.

Das oppositionelle linksgrüne Lager beriet seinerseits am Dienstag über die Folgen der anhaltenden Regierungskrise. Von einer gemeinsamen Position ist das ehemalige Wahlbündnis Nouveau Front Populaire (Neue Volksfront, NFP) jedoch weit entfernt: Da die Sozialisten (PS) ein Treffen mit den Linkspopulisten von Unbeugsames Frankreich (La France insoumise, LFI) ablehnen, wurden zwei verschiedene Gesprächsrunden angesetzt.

Während die Linkspopulisten sowohl Neuwahlen als auch die Absetzung des Präsidenten fordern, hoffen Sozialisten und Grüne noch darauf, dass Macron einen Premierminister aus ihren Reihen ernennen könnte. "Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, zusammen unser Programm durchzusetzen", heißt es in einem Aufruf der Linkspopulisten und Grünen.

Macron will sich "Verantwortung stellen"

Macron hatte am Vortag Lecornus Rücktritt angenommen, ihn dann aber damit beauftragt, bis Mittwochabend weiter zu verhandeln, um eine "Grundlage des Handelns und der Stabilität des Landes" zu definieren. Falls Lecornu damit scheitere, wolle Macron "sich seiner Verantwortung stellen", hieß es im Umfeld des Präsidenten. Was genau damit gemeint ist, blieb offen. Dies umfasse "zahlreiche Möglichkeiten", hieß es lediglich. Bisher hatte Macron immer betont, dass er sein Mandat bis zum Ende ausüben wolle. Es scheint jedoch nicht ausgeschlossen, dass es erneut zu einer Neuwahl des Parlaments kommt - was Macron bisher ebenfalls abgelehnt hat.

Bei der vorgezogenen Parlamentswahl im Sommer 2024 hatte das Regierungslager seine relative Mehrheit verloren. Seitdem ist die Nationalversammlung in drei zerstrittene Blöcke gespalten: das Regierungslager, die Linken beziehungsweise Linkspopulisten sowie die Rechtspopulisten von Rassemblement National (RN). Diese Spaltung hat die Verabschiedung des nötigen Sparhaushalts für 2026 bisher verhindert.

Die lange währende Regierungskrise in der zweitgrößten Volkswirtschaft des Euroraums hat die Europäische Zentralbank (EZB) bisher nicht auf den Plan gerufen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde verwies am Montagabend bei einer Anhörung vor dem Europäischen Parlament in Straßburg nur darauf, dass man "unterschiedliche Instrumente" im Werkzeugkasten habe. Diese würden angewendet, wenn bestimmte Bedingungen gegeben und Kriterien erfüllt seien: "Darüber haben wir aber jetzt in letzter Zeit im EZB-Rat nicht diskutiert", betonte sie. Die EZB hat mit dem Transmission Protection Instrument (TPI) ein Notprogramm in der Hinterhand, mit dem sie theoretisch unbegrenzt Staatsanleihen eines in Bedrängnis geratenen Euro-Landes kaufen kann. Französische Aktien hielten sich am Dienstag stabil, nachdem der französische Leitindex zu Wochenbeginn zeitweise mehr als zwei Prozent nachgegeben hatte.

Zusammenfassung
  • Frankreichs zurückgetretener Premier Sébastien Lecornu sucht im Auftrag von Präsident Macron einen Kompromiss, insbesondere beim Budget und der Lage in Neukaledonien, und soll bis Mittwochabend weiterverhandeln.
  • Ex-Premier Édouard Philippe fordert nach der Verabschiedung des Haushalts vorgezogene Präsidentschaftswahlen und ruft Macron zum Rücktritt auf, während die Präsidentenpartei Renaissance dies ablehnt.
  • Seit der Parlamentswahl im Sommer 2024 ist die Nationalversammlung in drei Blöcke gespalten, was die Verabschiedung des Sparhaushalts für 2026 blockiert und die Regierungskrise verschärft.