"Fest der Freude" am Heldenplatz mit mahnenden Worten
Mit dem Beginn der Zweiten Republik habe sich Österreich wieder an sogenannten "westlichen Werten" orientiert. Rechtsstaatlichkeit und liberale Demokratie seien zu den Grundfesten der Gesellschaft und Toleranz und Pluralismus eingeübt worden, Österreich machte sich auch auf den Weg, der vor 30 Jahren in dem Beitritt zur Europäischen Union mündete. "All dies, was die letzten 80 Jahre geprägt und Europa zu einer der sichersten und wohlhabendsten Regionen der Welt werden ließ, all das ist heute in Gefahr", warnte das Staatsoberhaupt mit Blick auf die globale und europäische Bedrohungslage.
Es wäre jedoch falsch, angesichts dieser Herausforderungen das Augenmaß zu verlieren. "Denn damit hätten wir einen der Grundsätze unserer offenen Gesellschaft schon über Bord geworfen", so Van der Bellen. "Vielmehr bin ich überzeugt, dass wir gemeinsam und entschlossen - und möglicherweise deutlicher als bisher - für die Werte einstehen müssen, die unser Land nach 1945 geprägt haben: Respekt, ein friedliches Miteinander, und selbstverständlich auch die Kultur des Erinnerns, wie sie den heutigen Abend am Wiener Heldenplatz prägt."
Als Zeitzeuge sprach in diesem Jahr der 95-jährige Publizist Paul Lendvai. Er war Ende 1944 als 15-Jähriger nach der Machtergreifung der ungarischen Nazis mit zehntausenden anderen Juden im berüchtigten Todesmarsch Richtung Österreich getrieben worden, konnte durch Glück allerdings fliehen. Nach der Niederschlagung des Ungarnaufstands 1957 durch die sowjetische Armee kam er als politischer Flüchtling nach Wien.
Er nutzte seinen Beitrag für ein Plädoyer für Menschen- und Minderheitenrechte. "Die Geschichte des Weges zum Zweiten Weltkrieg und zum Holocaust lehrt uns, dass wir alle zusammen, ohne Rücksicht auf Religion, Abstammung und Nationalität (...) überall und rechtzeitig, gegen Xenophobie, Rassismus und Antisemitismus, für unsere europäischen Werte, für Toleranz und Menschlichkeit, für die liberale Demokratie auftreten, und falls notwendig, kämpfen müssen."
Kritik übte er an neonazistischen "sogenannten Einzelfällen". Zeitungen oder Politiker, die diese Vorfälle bagatellisierten oder verschwiegen, "haben nichts, überhaupt nichts aus der Geschichte gelernt". Deutschnationale schlagende Burschenschaften seien keine Partner im Kampf gegen die Extreme, sondern selbst "Teile des Bösen", so Lendvai wohl in Anspielung auf Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ), der auch wegen seiner Mitgliedschaft in einer Burschenschaft wiederholt in der Kritik stand.
Lendvai verurteilte auch die "zügellosen Hasskampagne" gegen Israel "auch unter dem Deckmantel einer antiimperialistischen, antizionistischen, linken Ideologie". "Man muss aber zugleich offen aussprechen, dass die unbeschreiblichen Terrorakte der Hamas und islamistische Anschläge kein Freibrief für die sinnlose Zerstörung von Gaza, für die Unterdrückung der Palästinenser und für Überfälle der illegalen Siedler auf der Westbank sein dürfen", betonte Lendvai.
Feier mit "Mauthausen-Babys"
Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), hatte zuvor in einer Videobotschaft das Jubiläum am 8. Mai als "Grund zu uneingeschränkter Freude" bezeichnet, denn das NS-Regime sei besiegt, die Gaskammern seien abgedreht worden. Die Welt sei damit aber nicht von Antisemitismus und Rassismus befreit worden. In Sozialen Medien würden übelste Hassbotschaften über Jüdinnen und Juden verbreitet, sogar der Vernichtungs-Antisemitismus lebe in manchem Keller in Österreich weiter. Noch offener fortgesetzt werde diese Ideologie aber von Islamisten wie dem Regime im Iran oder den Terrororganisationen Hamas und Islamischer Dschihad, etwa im Massaker an Jüdinnen und Juden vom 7. Oktober 2023.
"80 Jahre nach der Befreiung der Vernichtungslager müssen wir also feststellen, dass die Ideologie, die nach Mauthausen, Auschwitz und die vielen anderen Schauplätze der Shoah geführt hat, nicht besiegt ist", betonte Deutsch. "Es liegt an uns allen - auch an Ihnen - den Kampf gegen Ideologien des Hasses nicht aufzugeben - für eine Welt, in der jede Person, unabhängig von ihrer Religion, ihre Geschlechts und sexueller Orientierung in Frieden und Würde leben kann."
Als besondere Gäste hatte der MKÖ-Vorsitzende Willi Mernyi in diesem Jahr Hana Berger-Moran, Eva Clarke und Mark Olsky begrüßt. Alle drei waren als Babys im Mai 1945 in Mauthausen befreit worden, heute leben sie in den USA und Großbritannien. "Niemals wieder sollte eine Mutter ihre Schwangerschaft verstecken müssen, um überleben zu können. Niemals wieder soll ein Kind in Unfreiheit in einem Konzentrationslager zur Welt kommen müssen. Niemals wieder!", mahnte Mernyi.
Zusammenfassung
- Beim 13. 'Fest der Freude' wurde der Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus gedacht, mit dem Thema 'Für ein Niemals-wieder und Frieden in Europa'.
- Bundespräsident Van der Bellen warnte per Videobotschaft vor den Gefahren für liberale Demokratien und betonte die Wichtigkeit von Respekt und friedlichem Miteinander.
- Der 95-jährige Paul Lendvai plädierte für Menschen- und Minderheitenrechte und kritisierte neonazistische Vorfälle sowie deren Bagatellisierung durch Medien.
- Oskar Deutsch, Präsident der IKG, hob die fortdauernde Bedrohung durch Antisemitismus hervor und betonte die Notwendigkeit, gegen Hassideologien vorzugehen.
- Als besondere Gäste wurden drei Mauthausen-Babys begrüßt, die im Mai 1945 befreit wurden, was die Bedeutung des Gedenkens unterstreicht.