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Ex-Justizminister

Prozess: Brandstetter von Falschaussage freigesprochen

06. Aug. 2025 · Lesedauer 5 min

Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter ist am Donnerstag in seinem Prozess wegen falscher Zeugenaussage am Wiener Landesgericht freigesprochen worden.

Es sei "nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellbar, dass Sie vorsätzlich falsch ausgesagt haben", stellte Richter Christoph Kraushofer fest. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Staatsanwalt meldete dagegen Rechtsmittel an.

Brandstetter war vorgeworfen worden, am 31. März 2022 als Auskunftsperson im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder eine Falschaussage getätigt zu haben. Demnach hätte er tatsachenwidrig behauptet, er habe sein privates Mobiltelefon am 25. Februar 2021 nicht herausgeben können, da es zu Hause gelegen sei.

Brandstetters Handy hätte an besagtem Tag im Verfassungsgerichtshof (VfGH) sichergestellt werden sollen, dem Brandstetter damals als Höchstrichter angehörte.

Brandstetters Handy lag nicht im Waldviertel

Aufgrund der Daten seines Mobiltelefons stellte sich später heraus, dass Brandstetter sein Handy nicht daheim gelassen hatte.

Das Gerät befand sich am 25. Februar 2021 in seinem Büro im VfGH, weshalb die mit den Ermittlungen gegen Brandstetter betraute Staatsanwaltschaft Innsbruck ihm eine vorsätzliche Falschaussage vor dem U-Ausschuss unterstellt.

Dabei blieb der zuständige, aus Innsbruck angereiste Staatsanwalt bis zum Schluss der Hauptverhandlung. Die Sicherstellungsanordnung sei Brandstetter um 12.50 Uhr übergeben worden. Dieser habe gegenüber den einschreitenden Beamten darauf verwiesen, dass sein privates Handy zu Hause liege, aber nachweislich bereits um 14.32 Uhr damit kommuniziert, ohne den Strafverfolgungsbehörden seinen angeblichen Irrtum mitzuteilen.

Erst Tage später sei das Handy von Brandstetters Anwalt einem Sachverständigen - und nicht der Staatsanwaltschaft - "mit einem eingeschränkten Auftrag" übergeben worden. Der Sachverständige sei nur gebeten worden, allfällige Kommunikation zwischen Brandstetter und dem damaligen Sektionschef im Justizministerium Christian Pilnacek sowie dem Unternehmer Michael Tojner abzuklären, führte der Staatsanwalt aus.

Was sonst an Kommunikation am Handy abgespeichert war, wisse man nicht.

Brandstetter spricht von "leichter kognitiver Störung"

Brandstetter wies das im Grauen Haus zurück. Er habe zum Zeitpunkt seiner Aussage im Ausschuss eine Lungenentzündung gehabt, habe aber dessen ungeachtet "unbedingt diese Aussage machen wollen. Mich mit medizinischen Attesten entschuldigen, das kommt nicht gut."

Er sei an diesem Tag "definitiv krank" gewesen: "Ich hatte Luftprobleme gehabt. Da kann man sich nicht so voll konzentrieren, es tut mir leid."

"Ich habe meine Aussage bis zuletzt für richtig gehalten", insistierte Brandstetter noch in seinem Schlusswort. Außerdem hätte er gar keinen Grund gehabt, die Unwahrheit zu sagen, da er zum Zeitpunkt der U-Auschuss-Befragung "so gut wie pensioniert" gewesen sei und seine Position als VfGH-Richter nicht mehr innehatte, betonte der Ex-Justizminister wenige Augenblicke vor dem Freispruch.

"Traumatische, chaotische Aktion"

Was den Zeitpunkt der Übergabe der Sicherstellungsanordnung im VfGH gibt, behauptet Brandstetter, er habe im maßgeblichen Zeitpunkt aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme und eines wenige Wochen davor erlittenen schweren Verkehrsunfalls eine "leichte kognitive Störung" gehabt. Diese habe Erinnerungslücken bewirkt.

"Es war eine traumatische, chaotische Aktion. Ich war so konsterniert und konnte nicht klar denken", erläuterte Brandstetter dem Gericht. Daher habe er nicht mehr im Kopf gehabt, dass sein privates Handy von seinem Wohnsitz im Waldviertel mit nach Wien genommen hatte.

Zwei Stunden nach dem Gespräch mit der Staatsanwältin im VfGH sei es ihm wieder eingefallen. Er habe dann sofort seinen Anwalt angerufen und in weiterer Folge die Ausfolgung des Handys veranlasst, an dem keine Veränderungen vorgenommen wurden.

Verteidiger: "War überzeugt, die Wahrheit zu sagen"

Wie Brandstetters Verteidiger Georg Krakow zu Beginn der Verhandlung ausführte, sei es Brandstetter zum Zeitpunkt seiner Befragung im U-Ausschuss gesundheitlich schlecht gegangen. Er hätte "zwei Lungenembolien" hinter sich und "in geschlossenen Räumen Atemprobleme" gehabt.

Dass im Jahr davor im VfGH Brandstetters Notebook von einer Staatsanwältin und einem Polizisten im Zuge eines gegen den Ex-Justizminister geführten Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts aus Amtsmissbrauch sichergestellt wurde und nach seinem dienstlichen und privaten Handy gesucht wurde, hätte Brandstetter "bloßgestellt". In weiterer Folge hätte es ihn auch belastet, sagte Krakow.

Infolge all dessen hätte sein Mandant bei seiner Befragung im U-Ausschuss - laut Krakow "ein politisches Tribunal" - "Erinnerungsprobleme" gehabt: "Er war überzeugt, die Wahrheit zu sagen."

"Erinnerung funktioniert nicht wie das Zurückspulen einer Filmrolle", hielt Krakow fest. Erinnerung sei mitunter "ungenau", "vermischt" und "nicht immer richtig", sagte der Verteidiger: "Das passiert uns allen. Wer da fehlerfrei ist, der werfe den ersten Stein."

Psychiater: "Gedächtnis ist keine gebrannte DVD"

Wesentlich für den Freispruch waren die Ausführungen des vom Gericht bestellten psychiatrischen Sachverständigen Peter Hofmann. "Gedächtnis ist keine gebrannte DVD, die festhält, was damals passiert ist", sagte der erfahrene Gerichtsgutachter einleitend.

Brandstetter habe sich bei der versuchten Handy-Sicherstellung "in einer medizinisch-vitalen Ausnahmesituation" befunden und sich dennoch am 25. Februar 2021 in eine VfGH-Session begeben, was Hofmann "unverständlich" nannte. Brandstetters damaliger Zustand war laut Hofmann "geeignet, eine schwere psychische Belastung zu bewirken und seine Gedächtnisleistung zu beeinträchtigen".

Die "medizinischen Grundlagen für eine Gedächtniseinschränkung, wo er aus Überzeugung Dinge sagt, die nicht der Realität entsprechen" lägen vor.

Sein Gutachten sei jedoch "keine Glaubwürdigkeitsprüfung", bemerkte der Sachverständige. Gedächtniseinschränkungen seien "nicht beweisbar". Die Frage der Glaubhaftigkeit sei eine Frage der Beweiswürdigung und damit eine Aufgabe des Gerichts.

Gutachten für Richter "plausibel"

Der Richter stützte sich bei seiner Entscheidung vor allem auf Hofmanns Ausführungen, die er als "plausibel" bezeichnete. Der Ex-Justizminister und -VfGH-Richter wurde daher freigesprochen, obwohl die inkriminierte Aussage im U-Ausschuss für den Richter "objektiv falsch" war.

Als weitere Indizien, die aus Sicht des Richters gegen eine bewusste Falschaussage sprachen, wurden die insgesamt vierstündige Befragung Brandstetters im U-Ausschuss und die Tatsache gewertet, dass sich an dessen privatem Handy im Nachhinein keine vorgenommenen Manipulationen zwischen dem versuchten Vollzug der Sicherstellungsanordnung im VfGH und der Übergabe des Handys ein paar Tage danach zeigten.

Video: VfGH: Brandstetter zieht sich zurück

Zusammenfassung
  • Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter ist am Donnerstag in seinem Prozess wegen falscher Zeugenaussage am Wiener Landesgericht freigesprochen worden.
  • Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Staatsanwalt meldete dagegen Rechtsmittel an.
  • Brandstetter wurde vorgeworfen, im März 2022 vor dem ÖVP-Korruptionsausschuss falsch ausgesagt zu haben.