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EuGH-Urteil gegen Polen: Justizminister hat zu viel Macht für EU-Recht

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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verurteilt die polnische Regierung erneut. Dass der Justizminister, der gleichzeitig Generalstaatsanwalt ist, Richter an höhere Strafgerichte abordnen und eine solche Abordnung jederzeit beenden könne, verstößt gegen EU-Recht. Die Regierung in Warschau wies die Entscheidung scharf zurück.

Abgeordnete Richter verfügen während der Dauer der Abordnung nicht über die Garantien und die Unabhängigkeit, über die ein Richter in einem Rechtsstaat normalerweise verfügen müsse. Es sei möglich, dass der Justizminister die Regelung als Instrument zur politischen Kontrolle einsetzt.

Erst im Oktober hatte der EuGH Polen zur Zahlung eines täglichen Zwangsgeldes in Höhe von einer Million Euro verurteilt, weil es ein früheres Urteil zu umstrittenen Justizreformen nicht umgesetzt hat. Konkret ging es dabei insbesondere um die Anordnung, die Arbeit der Disziplinarkammer zur Bestrafung von Richtern zu stoppen. 

Polen will in jahrelangem Streit nicht einlenken

Der Umgang von Polens nationalkonservativer PiS-Regierung mit dem Justizsystem des Landes steht schon seit Jahren heftig in der Kritik. Die Regierung in Warschau und besonders Justizminister Zbigniew Ziobro signalisieren bisher allerdings in den entscheidenden Punkten kein Einlenken.

Ziobro ist auch Architekt der Justizreformen. Innerhalb der nationalkonservativen PiS-Regierung von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat er sich als antieuropäischer, rechter Hardliner profiliert. Er argumentiert, seine Reformen seien nötig, um das polnische Justizsystem leistungsfähiger zu machen und es zudem von Richtern zu befreien, die noch im Kommunismus geprägt wurden.

Polen: EU hat kein Recht, sich einzumischen

"Das heutige EuGH-Urteil ist ein weiterer Versuch, das Justizsystem in Polen zu destabilisieren", kritisierte Polens Vize-Justizminister Sebastian Kaleta am Dienstag auf Twitter. Laut Polens Regierung hat der EU-Gerichtshof kein Recht, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Es gehe um ausschließlich innerpolnische Vorgänge und die Organisation der Justiz falle in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, hieß es.

Dieser Sichtweise folgte der EuGH allerdings nicht. Er verwies unter anderem auf Artikel 19 des Vertrags über die Europäische Union, in dem es heißt: "Die Mitgliedstaaten schaffen die erforderlichen Rechtsbehelfe, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist."

Hintergrund des EuGH-Urteils waren Fragen des Bezirksgerichts Warschau an den EuGH zu Rechtmäßigkeit der Abordnungspraxis. An das Gericht waren mehrfach Richter vom Justizminister abgeordnet worden - auch solche, die zugleich die Funktion von stellvertretenden Disziplinarbeauftragten ausüben.

Das kritisierte der EuGH ebenfalls scharf. Stellvertretenden Disziplinarbeauftragte werden auch vom Justizminister ernannt. Die gleichzeitige Ausübung des Amts eines abgeordneten Richters und des Amts des stellvertretenden Disziplinarbeauftragten lasse Zweifel an der Unempfindlichkeit anderer Richter "für äußere Faktoren" aufkommen. Richter könnten sich scheuen, Kollegen zu widersprechen, die irgendwann ein Disziplinarverfahren gegen sie anstrengen könnten.

ribbon Zusammenfassung
  • Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat erneut eine Regelung im aktuellen polnischen Justizsystem für unzulässig erklärt.
  • Erst im Oktober hatte der EuGH Polen zur Zahlung eines täglichen Zwangsgeldes in Höhe von einer Million Euro verurteilt, weil es ein früheres Urteil zu umstrittenen Justizreformen nicht umgesetzt hat.
  • Hintergrund des EuGH-Urteils waren Fragen des Bezirksgerichts Warschau an den EuGH zu Rechtmäßigkeit der Abordnungspraxis.

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