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EU fährt härteren Kurs gegen Russland

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Die EU-Staaten haben ein härteres Vorgehen gegen Russland beschlossen und sich nicht auf Treffen mit Präsident Wladimir Putin geeinigt. Die 27 Staats- und Regierungschefs beschlossen am Freitag nach stundenlanger Debatte, die EU müsse ihre Verteidigung gegen "bösartige, illegale und spaltende Aktivitäten durch Russland" verstärken. Die EU-Kommission und der EU-Außenbeauftragte werden deshalb aufgefordert, zusätzliche Maßnahmen inklusive wirtschaftlicher Sanktionen zu prüfen.

Die Staaten folgten einem entsprechenden deutsch-französischen Vorstoß aber nur zum Teil: "Wir haben den deutsch-französischen Vorschlag für einen Dialog mit Putin unterstützt", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Freitag. Andere hätten dies kritischer gesehen. Sowohl Moskau als auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zeigten im Anschluss offen ihr Bedauern darüber. "Ich persönlich hätte mir hier einen mutigeren Schritt gewünscht", sagte Merkel am Freitag in Brüssel.

Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron hatten für den EU-Gipfel drei Vorschläge vorgelegt, um die Zusammenarbeit mit Russland neu zu strukturieren. Dazu gehört die Arbeit an dem nun beschlossenen neuen Sanktionsregime gegen Russland. Damit soll vor allem erreicht werden, dass die EU schneller reagieren kann. Zudem sollte die EU zusätzliche Hilfen für Staaten in Auge fassen, die unter Druck Russlands stehen. Auch dies findet sich in der Gipfel-Erklärung. Die Zusammenarbeit mit Russland soll gleichzeitig auf Feldern mit gemeinsamen Interessen wie beim Kampf gegen den Klimawandel, Gesundheit, aber auch punktuell in der Außen- und Sicherheitspolitik intensiviert werden.

Auf Widerstand stieß aber im Kreis der 27 EU-Regierungen der Vorschlag, dass man nach dem Vorbild der USA auch auf oberster Ebene wieder Gespräche mit Moskau führen sollte. Zuletzt hatte es einen EU-Russland-Gipfel 2007 im finnischen Turku gegeben. "Es reicht nicht aus, wenn der amerikanische Präsident Joe Biden mit dem russischen Präsidenten redet", hatte Merkel bereits am Donnerstag auf das Treffen Biden-Putin in Genf verwiesen. Am Freitag verwahrte sie sich gegen Kritik, dass ein solches Treffen eine "Belohnung" für Putin sei. Es müsse auch nicht freundschaftlich verlaufen.

Zwar schloss sich auch Italiens Ministerpräsident Mario Draghi der Forderung nach einem Gipfel an. "Russland ist ein wichtiger Spieler auf dem wirtschaftlichen und politischen Feld. Wir brauchen einen aktiven Dialog", sagte er am Freitag. Widerstand kam aber vor allem aus Osteuropa. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sagte, Putin müsse erst seine "aggressive" Politik gegenüber Nachbarstaaten stoppen. Es könne keinen Gipfel geben, solange Russland die ukrainische Halbinsel Krim besetze und die prorussischen Separatisten in der Ostukraine unterstütze. Aber auch der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte sagte, dass er an solch einem Treffen aller 27 EU-Staats- und Regierungschefs mit Putin nicht teilnehmen werde. Moskau hatte den Vorschlag dagegen begrüßt und zeigte sich am Freitag enttäuscht.

Bereits auf dem G7-Gipfel der größten westlichen Industriestaaten und auf dem NATO-Gipfel hatten Deutschland, Frankreich und Italien als große EU-Länder eine härtere Sprache zu Russland unterstützt, dem etwa Cyberangriffe auf westliche Demokratien vorgeworfen werden. In der Erklärung des EU-Gipfels findet sich nun mit Blick auf ein mögliches Spitzentreffen der Satz, dass der EU-Rat "Formate und Bedingungen" für den Dialog mit Russland untersuchen werde. Merkel sagte, die Debatte sei nun auf EU-Ebene verankert.

Bundeskanzler Kurz zeigte sich nach den EU-Gipfeldebatten zu Russland und zu Ungarn besorgt über immer tiefere Gräben in der Europäischen Union. "Das ist ein heikles Thema, das mir sehr viel Sorge bereitet", sagte Kurz am Freitag nach Ende der Beratungen in Brüssel. Unterschiedliche Meinungen seien per se kein Problem, vor allem wenn es um innenpolitische Aspekte gehe. "Bei außenpolitischen Fragen nicht geeint aufzutreten, ist schon schlechter. Das schwächt die Europäische Union", sagte Kurz. Viele Themen würden die EU allerdings schon lange beschäftigen.

Ein Thema heftiger Debatten unter den EU-Ländern war das jüngst verabschiedete ungarische "Pädophiliegesetz". Dieses enthält neben Maßnahmen gegen Kindesmissbrauch auch umstrittene Passagen, die sich gegen die "Propagierung und Darstellung" von Homo- und Transsexualität gegenüber Minderjährigen richten. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen kündigte strikten Widerstand gegen das ungarische Gesetz an. Es habe beim EU-Gipfel "überwältigende Unterstützung" dafür gegeben, die Grundwerte der Europäischen Union zu verteidigen, sagte von der Leyen am Freitag zum Abschluss des Treffens der Staats- und Regierungschefs.

Kurz sagte zur Ungarn-Debatte: "Die Debatte war emotional, es war sicher eine harte Debatte." Ziel Österreichs sei es, dass dies nicht zu einem Auseinanderbrechen in Europa führe, "das sehe ich aber nicht", so Kurz weiter. Er wolle, dass Grund- und Freiheitsrechte überall gewahrt werden. Dies sei ihm lieber als eine Debatte, ob ein Land die Europäische Union verlassen sollte. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte hatte dem ungarischen Premier Viktor Orbán im Zusammenhang mit dem Homosexuellen-Gesetz einen Austritt Ungarns aus der EU nahegelegt.

Orbán selbst hatte bereits vor dem Treffen klar gemacht, dass er an dem Text nichts ändern werde. Der rechtsnationale Regierungschef hatte den Vorwurf zurückgewiesen, dass es sich um ein diskriminierendes Gesetz handle und hatte sich selbst als Verteidiger der Rechte Homosexueller bezeichnet.

Die EU-Staats- und Regierungschefs unterstützten außerdem Pläne für ein weiteres Milliardenpaket zur Versorgung von Syrien-Flüchtlingen in der Türkei. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen sagte, bis 2024 seien "zusätzlich drei Milliarden Euro" für die Türkei vorgesehen. Weitere 2,2 Milliarden Euro sollten an die Syrien-Nachbarländer Jordanien und den Libanon gehen, die gleichfalls Millionen Flüchtlinge beherbergen.

ribbon Zusammenfassung
  • Die EU-Staaten haben ein härteres Vorgehen gegen Russland beschlossen und sich nicht auf Treffen mit Präsident Wladimir Putin geeinigt.
  • Die 27 Staats- und Regierungschefs beschlossen am Freitag nach stundenlanger Debatte, die EU müsse ihre Verteidigung gegen "bösartige, illegale und spaltende Aktivitäten durch Russland" verstärken.
  • Moskau hatte den Vorschlag dagegen begrüßt und zeigte sich am Freitag enttäuscht.