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Durchbruch beim Brexit-Handelspakt eher unwahrscheinlich

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Kurz vor Ablauf der wohl letzten Frist für einen Brexit-Vertrag am Sonntag rechnen die EU und Großbritannien kaum noch mit einem Durchbruch.

Eine Einigung scheint nicht in Sicht. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hält es inzwischen für wahrscheinlicher, dass mit dem ehemaligen Mitgliedsland Großbritannien kein Handelspakt vereinbart werden kann. Noch pessimistischer sind die Töne aus London. Premier Boris Johnson warnte am Freitag davor, dass ein Scheitern "sehr, sehr wahrscheinlich" sei.

Von der Leyen informierte nach Angaben eines Diplomaten beim EU-Gipfel in Brüssel die EU-Staats- und Regierungschefs über ihre Sicht der Dinge. Wie hoch die Chancen für eine Einigung oder noch seien, habe die Kommissionschefin nicht gesagt. Von der Leyen und Johnson hatten sich am Mittwochabend für drei Stunden zu einem Krisengespräch getroffen. Bis Sonntagabend solle die Entscheidung über "Deal" oder "No Deal" fallen. Zum aktuellen Stand der Verhandlungen gab es keine Angaben.

Was Sie zum Brexit wissen müssen

Der deutsche Außenminister Heiko Maas gab die Hoffnung auf einen Kompromiss noch nicht auf. "Wir glauben, dass eine Einigung zwar schwierig ist, aber dass sie immer noch möglich ist", sagte er bei einem Treffen mit seinem irischen Kollegen Simon Coveney in Berlin. Die EU werde verhandeln, solange das Fenster für eine Lösung "auch nur einen Spalt breit geöffnet ist". Auch eine Verlängerung der über Sonntag hinaus sei möglich: "Letztlich würde es nicht daran scheitern, dass noch ein paar Tage mehr gebraucht würden."

Großbritannien scheidet Ende 2020 aus EU aus

Großbritannien hatte die EU infolge der Volksabstimmung für einen Brexit 2016 Ende Jänner verlassen. De facto hat sich im Verhältnis zu den jetzt nur noch 27 Mitgliedsstaaten bisher noch nicht viel geändert. Zum Jahresende scheidet das Vereinigte Königreich nun aber aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion aus. Ohne Vertrag drohen nach dem 1. Jänner Zölle und große Handelshemmnisse. Alle monatelangen Verhandlungen brachten bisher noch keinen Erfolg.

Johnson sagte bei einem Besuch im nordenglischen Blyth, für einen Durchbruch sei vonseiten der EU "ein großes Angebot, ein großer Wandel" nötig. Er fügte hinzu: "Es ist sehr, sehr wahrscheinlich, dass wir eine Lösung finden müssen, die meiner Meinung nach für Großbritannien wunderbar wäre, und wir könnten ab dem 1. Jänner genau das tun, was wir wollen." Dies sei zwar nicht das, was sich Großbritannien vorgenommen habe. Aber sein Land sei bereit.

Knackpunkte: Fischerei, fairer Wettbewerb und Streitfälle

Die Knackpunkte haben sich seit Monaten nicht geändert: Fischerei, fairer Wettbewerb und die Frage, wie Vereinbarungen im Streitfall rechtlich durchgesetzt werden. Kommt kein Handelspakt zustande, rechnet die Wirtschaft mit höheren Zöllen und weiteren Handelshemmnissen. Infolge eines "No Deal" wären auch Zehntausende Arbeitsplätze bedroht. Von der Leyen sagte am Freitag: "So oder so - in weniger als drei Wochen wird es einen Neubeginn für alte Freunde geben."

Im Unterschied zu von der Leyen und Johnson äußerte sich der britische Kultur- und Medienminister Oliver Dowden zuversichtlich. Es gebe "eine bedeutende Möglichkeit, dass wir diesen Deal hinbekommen", sagte er dem Sender Sky News. "Wir haben fast 90 Prozent des Weges geschafft." Ein Handelsvertrag sei für die EU wie für das Vereinigte Königreich die beste Lösung - aber nicht zu jedem Preis.

ribbon Zusammenfassung
  • Kurz vor Ablauf der wohl letzten Frist für einen Brexit-Vertrag am Sonntag rechnen die EU und Großbritannien kaum noch mit einem Durchbruch.
  • EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hält es inzwischen für wahrscheinlicher, dass mit dem ehemaligen Mitgliedsland kein Handelspakt vereinbart werden kann als dass es eine Einigung gibt.
  • Von der Leyen und Johnson hatten sich am Mittwochabend für drei Stunden zu einem Krisengespräch getroffen.

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