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"Disability Pride Month" legt Fokus auf Behinderten-Rechte

05. Juli 2025 · Lesedauer 4 min

Im Juli wird der "Disability Pride Month" gefeiert. Ähnlich wie im Monat davor die LGBTIQ+-Community, wenngleich deutlich unbekannter, soll der Themenmonat die Rechte von Menschen mit Behinderungen in den Mittelpunkt stellen. "Es geht aber vor allem auch darum, dass die Community sich selbst und ihre crip culture feiert", sagte Julia Golser vom Verein selbstbestimmt Leben im Gespräch mit der APA.

In anderen Städten, etwa Berlin oder Bonn, gäbe es auch Paraden, ähnlich wie die Pride Parade. In Österreich ist das derzeit nicht der Fall. "Solche Paraden entstehen immer im Sinne einer Grassroots-Bewegung und werden von Betroffenen organisiert, aber dafür braucht man erst mal die Ressourcen", sagte Golser. Betroffenen, die oft bereits in einer Interessensvertretung aktiv seien, sei die Organisation einer zusätzlichen Veranstaltung oft nicht möglich. Sie spricht auch von der "Crip Time" ("Krüppelzeit", Anm.), einem Konzept, das zusätzlichen zeitlichen Aufwand für Menschen mit Behinderungen beschreibt, etwa dadurch dass ein barrierefreier, aber längerer Weg genommen werden muss.

Genutzt wird der Juli auch, um auf verschiedene politische Forderungen aufmerksam zu machen. Nach wie vor nur zum Teil umgesetzt ist die 2008 ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention. Im Behindertengleichstellungsgesetz sieht Golser Lücken. Wenn etwa bei einem Geschäft eine Rampe fehlt, wo diese laut Gericht zumutbar wäre, könne ihr zwar Schadensersatz zugesprochen werden, eine Rampe müsse deshalb aber nicht gebaut werden. "Ein Antidiskriminierungsgesetz, bei dem die Diskriminierung nicht beseitigt werden muss, ist für mich zahnlos", betonte sie.

Auch die am Dienstag in Kraft getretenen Änderungen beim Erwachsenenschutzgesetz kritisiert Golser, wie auch der Behindertenrat und die Volksanwaltschaft, scharf: "Das ist ein absoluter Rückschritt, der aus reinen Kostenspargründen gesetzlich festzementiert worden ist". Durch die Gesetzesänderung werden etwa gerichtliche Erwachsenenvertretungen nun nicht mehr für drei, sondern für fünf Jahre bestellt.

Grundsätzlich treffen die von der Bundesregierung geplanten und teils umgesetzten Einsparungen, um das Budget zu konsolidieren, Menschen mit Behinderungen überproportional hart, meinte Golser. "Weil viele Dinge dabei sind, die Menschen mit niedrigem Einkommen betreffen. Und Menschen mit Behinderung sind oft armutsgefährdet und überproportional oft von Arbeitslosigkeit betroffen."

Haus der Geschichte widmet sich Kampf um Selbstbestimmung

Im Haus der Geschichte läuft seit Herbst das Sammlungsprojekt "Disability History Project". Die Web-Ausstellung "Selbst bestimmt!" dokumentiert das politische Engagement und den Aktivismus von Menschen mit Behinderungen ab 1848. Bislang wurden über 400 Objekte angeboten, gerechnet habe man mit ein paar Dutzend, sagte Vanessa Tautter vom hdgö im Gespräch mit der APA.

Viel zu oft werde über Menschen mit Behinderungen gesprochen, anstatt ihnen eine Stimme zu geben. Das gemeinsam mit dem Sozialministerium initiierte Projekt soll die Kämpfe um Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen in der Vergangenheit, aber auch in der Gegenwart aus der Perspektive von Betroffenen abbilden. "Denn es ist ja nicht so, als ob es Ableismus (Diskriminierung aufgrund einer Behinderung, Anm.) nicht mehr gibt", betonte Tautter.

"Licht ins Dunkel pisst Menschen mit Behinderung ans Bein"

Auch der Verein selbstbestimmt Leben stellte ein Objekt zur Verfügung. Die Christbaumkugeln mit der Aufschrift "Piss on Pity" (Pisse auf Mitleid, Anm.) sind als Kritik an "Licht ins Dunkel" zu verstehen. "Diese 'Licht ins Dunkel'-Aktion pisst Menschen mit Behinderungen seit Jahrzehnten massiv ans Bein", so Golsers scharfe Kritik an dem Charity-Event. Bei der Darstellung von Menschen mit Behinderungen in Werbekampagnen käme vielen "das kalte Kotzen". "Die Gala bietet Künstlern und Künstlerinnen gratis eine Bühne und Politikern gratis Werbung, und wenn man Pech hat, gibt es immer noch die klassische Kopf-Tätschel-Aktion".

Das Grundproblem ist dabei, "ein System, das ganz bewusst einkalkuliert, dass ein paar Millionen im Jahr an die Charity ausgelagert werden". Die Länder, die zumeist in der Verantwortung seien, würden bestimmte Finanzierungsforderungen nicht ausschöpfen, "damit sich die Organisationen den Rest bei Licht ins Dunkel erbetteln müssen". Man sehe nicht ein, weshalb Dinge, auf die man einen Rechtsanspruch habe, erbettelt werden müssen. "Es kommt ja keiner in der Politik auf die Idee, eine Spendengala zu machen, weil die Polizei neue Autos braucht"

Bewegung entstand in den 1990ern in den USA

Die Bewegung Disability Pride entstand in den 1990er-Jahren in den USA. 1990 wurde dort das Bundesgesetz "Americans with Disabilities Act" unterzeichnet, das die Rechte von Menschen mit Behinderungen absichern sollte. Danach wurde das erste Mal eine Disability Pride in Boston gefeiert.

Zusammenfassung
  • Im Juli findet der Disability Pride Month statt, der die Rechte und die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen in den Mittelpunkt stellt und auf bestehende Lücken im Behindertengleichstellungsgesetz hinweist.
  • Die jüngsten Änderungen beim Erwachsenenschutzgesetz sorgen für Kritik, da gerichtliche Erwachsenenvertretungen nun fünf statt bisher drei Jahre dauern, was als Rückschritt und Kostensparmaßnahme gesehen wird.
  • Das Haus der Geschichte sammelt mit dem 'Disability History Project' seit Herbst über 400 Objekte, um das Engagement und den Aktivismus von Menschen mit Behinderungen ab 1848 zu dokumentieren.