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Die skurrile Welt des russischen Staatsfernsehens

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Strategische Besprechungen über einen Dritten Weltkrieg, Witze über mögliche Atombombenangriffe auf Großstädte des Westens, umgedichtete TikTok-Songs für Propagandazwecke – im russischen Staatsfernsehen finden seit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine skurrile und erschreckende Szenen statt.

Es sieht wie eine ganz normale Diskussionssendung im Fernsehen aus. Gesprochen wird allerdings über einen potenziellen Krieg gegen ganz Europa und die Welt und warum diese die Eskalation verdient hätten. Das russische Staatsfernsehen überträgt seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine eine Vielzahl dieser Panel- und Talk-Formate, welche reine Propagandazwecke erfüllen.

In Österreich und Europa kann man die russischen Staatsmedien nicht mehr empfangen bzw. online abrufen. Die US-amerikanische Kolumnistin des "The Daily Beast", Julia Davis, teilt aber weiterhin bizarre Ausschnitte davon auf ihrem Twitter-ProfilDavis hat vor einigen Jahren den "Russian State Monitor" ins Leben gerufen, um russische Falschinformationen aufzudecken und ihnen, im besten Fall, entgegenzuwirken.

"Keine Gnade"

Davis teilte unter anderem einen Ausschnitt, in welchem der in Russland sehr bekannte TV-Moderator Wladimir Rudolfowitsch Solowjow die Staaten Europas sowie der NATO bedroht. Er stellt die Frage in den Raum, ob diese genug Waffen und Personen haben werden, um sich zu verteidigen, sobald die "Spezialoperation" – nur so darf der Krieg in Russland bezeichnet werden – in der Ukraine zu Ende sei. Am Ende meint er: "Es wird keine Gnade geben."

Antisemitismus 

In einem anderen Clip aus einer anderen Folge der Diskussionssendung wird in der Runde über einen Tweet der US-amerikanischen Historikerin und Journalistin Anne Applebaum diskutiert. Darin berichtet sie über ihr Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und ihrem Besuch in den Kiewer Vororten kurz nach Bekanntwerden des Massakers in Butscha.

Die beteiligten Diskutanten reagieren wütend und werfen Applebaum und anderen Kritikern vor, Hass gegen Russen zu schüren. "Hören Sie sich nur deren Namen an", sagt ein Show-Gast und meint damit, dass die Betreffenden jüdisch klingende Namen hätten. Da sieht sich sogar der Moderator gezwungen einzugreifen und betont: "Felgenhauer (eine russische Journalistin des kritischen Senders Echo Moskau, Anm.) ist nur dem Namen nach jüdisch." Der Gast lässt nicht locker: "Was ist mit Rosenbaum?", meint er süffisant grinsend.

Die antisemitischen Äußerungen sind auch in Hinblick auf die von Russland ausgerufenen Ziele des Krieges in der Ukraine – nämlich die Befreiung der Bevölkerung vom "neonazistischen Regime in Kiew" – besonders entlarvend.

Bei weiteren Sendungen kichern und lachen die Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer, während sie über Atomschläge gegen Städte der Vereinigten Staaten diskutieren. Die Bilder zeigen, dass sich der Umgang mit dem Ukraine-Krieg in den Staatsmedien geändert hat. Waren diese zu Beginn des Krieges noch darauf bedacht, die Invasion möglichst totzuschweigen, änderte sich das mit dem Scheitern der anfänglichen Invasionspläne.

Inzwischen ist der Krieg mit seinen Tausenden von Toten - darunter auch sehr viele russische Soldaten - nicht mehr zu ignorieren. Die Staatsmedien setzen deshalb auf ideologische Massenmobilisierung und auch Eskalation und Säbelrasseln. Russland soll als stark und militärisch überlegen dargestellt werden, auch wenn die Kämpfe in der Ukraine das Gegenteil zeigen.

ribbon Zusammenfassung
  • Strategische Besprechungen über einen Dritten Weltkrieg, Witze über mögliche Atombombenangriffe auf Großstädte des Westens, umgedichtete TikTok-Songs für Propagandazwecke – im russischen Staatsfernsehen finden seit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine skurrile und erschreckende Szenen statt.

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