Chinas Führung beging 60 Jahre Tibet-Region mit Parade
60 Jahre lang habe Tibet wirtschaftliche Entwicklung erlebt und das Leben der Menschen aller ethnischen Gruppen habe sich verbessert, meinte Wang Huning, Mitglied des Ständigen Ausschusses des KP-Politbüros und damit Chinas innerem Führungszirkel, in einer Rede. Xi sprach nicht vor den zahlreichen Zuschauern.
Am Vortag hatte Xi bei einem Treffen mit Vertretern der Region gefordert, politische und soziale Stabilität für mehr Wohlstand in Tibet aufrechtzuerhalten. Die Region solle außerdem Großprojekte wie den umstrittenen und womöglich einmal weltweit größten Staudamm am Fluss Yarlung Tsangpo vorantreiben, sagte er.
Menschenrechtler werfen Peking schwere Verstöße gegen die Religions- und Meinungsfreiheit sowie kulturelle Unterdrückung in Tibet vor. Ausländische Journalisten dürfen nur mit einer Sondergenehmigung in die Region einreisen, in der die Nordseite des Himalaya-Gebirges liegt.
Der schwer zugängliche buddhistische Klosterstaat Tibet war von 1720 bis 1912 chinesisches Protektorat und nach dem Ende des chinesischen Kaisertums faktisch selbstständig. 1950/51 marschierten chinesische, kommunistische Truppen in Tibet ein. 1959 nach der Niederschlagung des Volksaufstands floh der 14. Dalai Lama Tenzin Gyatso mit über 100.000 Landsleuten über die Grenze nach Indien, wo er heute lebt. Am 1. September 1965 wurde die "Autonome Region Tibet" gegründet, deren Fläche wesentlich kleiner ist als die des alten Tibet, das große Teile der heutigen chinesischen Provinz Qinghai und den Westen der Provinz Sichuan umfasste.
Der Dalai Lama (90), der nur noch religiöses nicht mehr aber politische Oberhaupt der Tibeter ist, hat Peking in der Vergangenheit schwerste Menschenrechtsverstöße in seiner Heimat vorgeworfen, unter anderem Zwangsabtreibungen und Zwangssterilisationen, sowie "kulturellen Völkermord" durch massiven Bevölkerungstransfer, doch stellte er sich gegen die Forderungen von Nationalisten nach voller Unabhängigkeit Tibets.
Anpassungsdruck von höchster Stelle
Xi drang bei seinem Besuch in Tibet explizit auf die Angleichung der dort mehrheitlich buddhistischen Bevölkerung an die chinesische Kultur. Der tibetische Buddhismus solle "systematisch sinisiert" - also an China angeglichen - und "an die sozialistische Gesellschaft angepasst" werden, sagte er nach Angaben des chinesischen Staatsfernsehens am Donnerstag in Lhasa.
Menschenrechtsorganisationen und westliche Staaten werfen Xis Regierung seit langem nicht nur vor, die tibetische Kultur zu unterdrücken, sondern auch die Bevölkerung massenhaft zu überwachen. Bilder des Staatsfernsehens zeigten ein riesiges Porträt Xis vor dem ehemaligen Wohnsitz des Dalai Lama. Demnach kamen rund 20.000 Menschen zu Xis Auftritt.
Andere KP-Vertreter warnten in Tibet vor einer Abspaltung von der Zentralregierung. "Jeder Versuch, das Mutterland zu spalten und die Stabilität Tibets zu untergraben, ist zum Scheitern verurteilt", sagte der Parteifunktionär Wang Huning, der als Nummer vier des chinesischen Staates gilt.
Peking erhebt Ansprüche auf die Bestimmung der Nachfolge des 90-jährigen Dalai Lama. Die Zentralregierung betrachtet das derzeitige buddhistische Oberhaupt als Staatsfeind und hat erklärt, sein Nachfolger müsse von Peking genehmigt werden. Der Dalai Lama weist das zurück: Die Entscheidung liege "ausschließlich" bei seinem Büro in Indien, teilte er im Juli mit.
Zu den wirtschaftlichen Interessen Pekings in Tibet zählt der Bau eines Mega-Staudamms, der wegen möglicher Auswirkungen flussabwärts auf scharfe Kritik aus Indien und Bangladesch sorgt. Xi forderte bei seinem Besuch, die im Juli begonnenen Bauarbeiten "energisch, geordnet und effizient" abzuschließen. Der Damm war nach Angaben aus Neu-Delhi in dieser Woche auch Thema bei einem Besuch des chinesischen Außenministers Wang Yi in Indien.
Zusammenfassung
- Chinas Führung feierte den 60. Jahrestag der Gründung der Autonomen Region Tibet mit einer Parade in Lhasa, an der rund 20.000 Menschen teilnahmen.
- Staatschef Xi Jinping forderte bei seinem Besuch die politische und soziale Stabilität Tibets sowie die systematische Anpassung des tibetischen Buddhismus an die chinesische Kultur und den Sozialismus.
- Kritik kam von Menschenrechtlern und dem Dalai Lama (90), die Peking schwere Menschenrechtsverletzungen und kulturelle Unterdrückung vorwerfen, während China Großprojekte wie den umstrittenen Mega-Staudamm am Yarlung Tsangpo vorantreibt.