Caritas fordert Ausbildungspflicht für Geflüchtete
Wie alle anderen Jugendlichen hätten auch Asylwerberinnen und Asylwerber "Träume und Bilder im Kopf", sagte Caritas-Generalsekretärin Anna Parr bei der Pressekonferenz. In Österreich hätten sie aber keine Möglichkeit, diesen nachzugehen. Denn von der geltenden Ausbildungspflicht bis 18 sind Asylwerbende ausgenommen. Viele würden daher ihren Bildungsweg nach der neunten Schulstufe abbrechen und auch später nicht wieder ins System zurückfinden.
Die Caritas hat ein rechtliches Gutachten bei Lioba Kasper, Expertin für Asyl- und Kinderrechte, in Auftrag gegeben. Dieses komme zu einem klaren Ergebnis: "Österreich erfüllt seine Pflichten nicht", berichtete Parr. Bundesverfassung, UNO-Kinderrechtskonvention und EU-Aufnahmerichtlinie würden durch die aktuellen Regeln verletzt. Letztere ist Teil der neuen europäischen Asylgesetze und muss bis Juli 2026 umgesetzt werden. Es sei eine "recht einfache Änderung", sagte Parr. Aktuell hieße es Warten auf die Politik, noch gebe es keine Hinweise auf rechtliche Anpassungen.
Formal gebe es zwar Möglichkeiten zur weiteren Ausbildung für Asylwerbende, sagte die Caritas-Generalsekretärin. "Aber in der Realität ist es faktisch für sie unmöglich." Schulen würden eigenständig über eine Aufnahme entscheiden, "man kann fast sagen willkürlich". Für eine Lehre brauche es eine Bewilligung durch das Arbeitsmarktservice (AMS). Rund 10.000 Menschen seien in Österreich betroffen. Zu den Forderungen zählen eine "Ausbildungspflicht für alle", bessere Sprachförderung, Unterstützung am Arbeitsmarkt sowie mehr Transparenz im System.
Erwerbsquote könnte erhöht werden
Die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger von der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien hat für die Caritas gesamtwirtschaftliche Kosten untersucht. Befragungen von Expertinnen und Experten sowie eine Literaturanalyse hätten die hohen Belastungen für Asylwerbende deutlich gemacht. Die Folgen von Bildungsunterbrechungen sind "tiefgreifend", sagte Kohlenberger. Die Motivation zu lernen sinke, das Risiko längerer Arbeitslosigkeit steige an. Dem Gutachten zufolge könnte die Erwerbsquote bei jungen Geflüchteten durch bessere Bildungsbeteiligung um 15 Prozent erhöht werden. Das würde dem Staat 5.500 Euro pro Person bzw. insgesamt 53 Millionen pro Jahr sparen.
Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger präsentierte ein Forschungsprojekt zur Arbeitsmarktintegration junger Schutzberechtigter in Niederösterreich und Oberösterreich. Diese würden oft als Feindbilder gesehen, für Integration brauche es aber den Willen beider Seiten. "Ein Wettbewerb der Ablehnung trägt nichts bei", so Fenninger. Die Motivation sei bei vielen ausgeprägt, sie wären aber zum Warten verdammt. Betroffene würden oft schnell prekäre Beschäftigungen aufnehmen, anstatt Spracherwerb und Ausbildung zu priorisieren. Hier will die Volkshilfe gegensteuern und fordert praxisnahe Sprachkurse, vereinbar mit Erwerbsarbeit und Bildung.
Zusammenfassung
- Caritas und Volkshilfe fordern eine Ausbildungspflicht für alle jungen Geflüchteten in Österreich, da aktuell rund 10.000 Betroffene von der Ausbildungspflicht bis 18 ausgenommen sind.
- Laut einem Gutachten verstößt Österreich mit dieser Regelung gegen die Bundesverfassung, die UNO-Kinderrechtskonvention und die EU-Aufnahmerichtlinie, die bis Juli 2026 umgesetzt werden muss.
- Eine bessere Bildungsbeteiligung könnte die Erwerbsquote junger Geflüchteter um 15 Prozent erhöhen und der Volkswirtschaft jährlich rund 53 Millionen Euro sparen.
