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Aufregung um Studie zu Zwangsumsiedelung aus Gaza nach Sinai

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Die israelische Armee beginnt schrittweise ihre Bodenoffensive in Gaza. Währenddessen gelangte ein Papier des israelischen Geheimdienstministeriums an die Öffentlichkeit. Darin werden Überlegungen zur Umsiedelung der Bevölkerung von Gaza auf den Sinai durchgespielt und als optimale Lösung empfohlen. Die Regierung spricht von einem reinen "Konzeptpapier".

Seit beinahe vier Wochen - seit den blutigen Hamas-Massakern in Israel mit über 1.000 ermordeten Zivilisten - tobt der Krieg Israels gegen die Hamas im Gazastreifen. Während Israel sich die komplette militärische Vernichtung der Terrorgruppe Hamas zum Ziel gesetzt hat, wird überlegt, wie es im Gazastreifen danach weiter gehen soll.

Das israelische Geheimdienstministerium, das hauptsächlich für Studien rund um Politik und Geheimdienste zuständig ist, hat in einem Papier mögliche Konzepte für den Umgang mit dem Gazastreifen nach dem Sieg über die Hamas prüfen lassen - sowohl in Hinblick auf die längerfristigen Auswirkungen auf Israel als auf die Machbarkeit.

Das Papier wurde publik und sorgt naturgemäß für Kritik von der Palästinensischen Autonomiebehörde im Westjordanland. Denn als optimale Vorgehensweise wird empfohlen, den Großteil der rund 2,2 Millionen Bewohner aus dem Gazastreifen zwangsweise auf die ägyptische Sinai-Halbinsel umzusiedeln.

Echtheit bestätigt, aber "nur Konzept", keine offizielle Strategie

Die israelischen Internet-Portale "+972 Magazine" sowie "The Call" und die Tageszeitung "Haaretz" machten das Papier publik - unter anderem in englischer Übersetzung. Die israelische Regierung hat die Echtheit des Dokuments bestätigt, betont allerdings, dass es sich lediglich um ein Konzeptpapier handelt, dessen Vorschläge als "Diskussionsgrundlage" dienen würden.

Das israelische Geheimdienstministerium betreibt selbst keine Politik, sondern führt Studien für die Regierung und Geheimdienste durch.

Umsiedlung als optimale Variante

Grundsätzlich gebe es drei mögliche Vorgehensweisen, so das Papier: den Gazastreifen der Palästinensischen Autonomiebehörde unterstellen; eine neue, durch die lokale Bevölkerung gewählte Verwaltung einsetzen oder die Bevölkerung zwangsweise umsiedeln.

Von den drei Möglichkeiten sei die Umsiedlung die bevorzugte, heißt es in dem Papier. Die anderen beiden Möglichkeiten würden längerfristig nicht die Gefahr für Israel aus dem Gazastreifen senken und seien keine ausreichende Abschreckung, etwa für die Hisbollah im Norden, so die Überlegung.

Auch würde in den ersten beiden Fällen keine längerfristige ideologische Veränderung der palästinensischen Bevölkerung stattfinden, da auch unter der Autonomiebehörde und einer etwaigen neuen palästinensischen Führung junge Generationen weiter zum Hass auf Israel indoktriniert würden. Wünschenswert wäre ein Vorgehen wie bei der Entnazifizierung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, heißt es in dem Papier.

Um die Sicherheit zu gewährleisten, solle das neue Flüchtlingslager, das wie ähnliche Flüchtlingslager im Libanon oder Jordanien von einer Zeltstadt zu einer tatsächlichen Stadt ausgebaut werden solle, mit einem mehrere Kilometer langen Sicherheitskordon umgeben sein.

USA und arabische Staaten sollen helfen, Spanien und Italien aufnehmen

Die Gedankenspiele gehen weiter: Eine Umsiedelung der über zwei Millionen Gaza-Bewohner sei machbar, da viele ohnehin aus Gaza fliehen wollten. Außerdem könnten Staaten wie die USA, Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate international für die Variante lobbyieren und finanzielle Mittel für Ägypten zur Verfügung stellen.

Darüber hinaus könnten EU-Staaten wie Griechenland und Spanien sowie Kanada palästinensische Flüchtlinge aufnehmen. Zusätzlich könnte über PR-Firmen Lobbying für die Umsiedlung bei den Vereinten Nationen betreiben.

Palästinenser empört, Ägypten klar gegen Vertreibung

Ein Sprecher von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas brachte gegenüber der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) die Kritik der Autonomiebehörde zum Ausdruck: "Wir sind gegen die Umsiedlung, egal an welchen Ort und in welcher Form, und wir betrachten es als rote Linie, deren Überschreiten wir nicht erlauben."

Laut AP hätte das Strategiepapier auch für eine Verschlechterung der Beziehungen mit Ägypten gesorgt. Die ägyptische Regierung äußerte sich bisher nicht konkret zu dem Papier, der ägyptische Machthaber Abdel Fattah al-Sisi hat aber bereits mehrmals klargestellt, dass Ägypten keiner Zwangsumsiedlung bzw. Vertreibung von Palästinensern nach Ägypten zustimmen werde.

Am Wochenende äußerte sich auch US-Präsident Joe Biden nach einem Telefongespräch mit Sisi sowie Israel Premierminister Benjamin Netanjahu in ähnlicher Weise: Die USA wollten "sicherstellen, dass die Palästinenser in Gaza weder nach Ägypten noch in ein anderes Land vertrieben werden".

ribbon Zusammenfassung
  • Die israelische Armee beginnt schrittweise ihre Bodenoffensive in Gaza. Währenddessen gelangte ein Papier des israelischen Geheimdienstministeriums an die Öffentlichkeit.
  • Darin werden Überlegungen zur zwangsweisen Umsiedelung der Bevölkerung von Gaza auf den Sinai durchgespielt und als optimale Lösung empfohlen.
  • Dieses Papier wurde publik und sorgt für Kritik und Verärgerung, besonders beim Nachbarstaat Ägypten.
  • Die israelische Regierung hat die Echtheit des Dokuments bestätigt, betont allerdings, dass es sich lediglich um ein Konzeptpapier handelt, das als "Diskussionsgrundlage" dienen solle.
  • Das israelische Geheimdienstministerium betreibt selbst keine Politik, sondern führt Studien für die Regierung und Geheimdienste durch.