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Antrittsbesuch in Brüssel: Kanzler Nehammer hält Plädoyer für Europa

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Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat am Mittwoch bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel ein Plädoyer für Europa gehalten. "Ich bin ein glühender Europäer", sagte Nehammer.

 Als Kanzler werde er die österreichischen Interesse in der EU vertreten, "immer eingedenk der Tatsache, dass die Europäische Union an sich das größte Friedensprojekt der Geschichte ist", das es gilt weiterzuentwickeln. Dafür brauche es "starke Stimmen, und Österreich wird eine davon sein".

So wichtig ihm das Projekt Europa sei, so wichtig sei ihm aber auch das Prinzip der Subsidiarität, betonte der ÖVP-Politiker. Es brauche so viel Kompetenz in den Nationalstaaten, um Probleme, die nationalstaatlich "am effizientesten und am besten lösbar sind", tatsächlich auch in dieser Kompetenz zu behalten. Als Beispiel nannte Nehammer, der zum Auftakt seines Brüssel-Aufenthalts mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zusammengetroffen war, die Corona-Bekämpfung. Zwar sei es wichtig gewesen, die Entwicklung und Verteilung von Impfstoffen auf EU-Ebene voranzutreiben, die jeweiligen Maßnahmen müssten aber von den einzelnen Ländern ergriffen werden.

"Guter Austausch" mit Von der Leyen

Von der Leyen sprach von einem "guten Austausch" mit Nehammer. Sie freue sich auf die produktive Zusammenarbeit zwischen der EU und Österreich, erklärte die Kommissionschefin auf Twitter. "Wir haben gemeinsam viel vor, und Österreich ist ein wichtiger Partner", schrieb sie in Hinblick auf den Corona-Wiederaufbaufonds, das EU-Klimaschutzpaket "Green Deal" und die Digitalisierung.

Es brauche aber "Ge- und Entschlossenheit" der Mitgliedstaaten der Europäische Union und der EU-Kommission nach außen, "um wirkungsvoll aufzutreten", so Nehammer. Bestes Beispiel sei die Rolle in einem "globalisierten Markt mit großen Playern wie China, den USA, und anderen aufstrebenden Nationen."

Beim Thema Migration habe er Ursula von der Leyen klar gemacht, welchem "Belastungsdruck wir ausgesetzt sind", erklärte Nehammer. Die EU-Kommissionspräsidentin sei sehr beeindruckt gewesen von den Zahlen, die Österreich "zu stemmen" habe. "Das ist ein nicht allgemein vorhandenes Wissen auch innerhalb der Europäischen Kommission", sagte der Bundeskanzler. "Ich konnte darlegen, woher der Migrationsdruck gerade besonders stark spürbar ist für Österreich, und was es bedeutet, wenn wir nicht genug Augenmerk darauflegen, dass wir schnelle Asylverfahren haben, einen starken Außengrenzschutz und auch schnelle und effiziente Rückführungen." Im letztgenannten Punkt sei die Präsidentin "eine starke Verbündete für die österreichische Position", betonte Nehammer.

Von der Leyen will Brenner-Konflikt lösen

Die Kommissionspräsidentin habe auch ein großes Interesse daran, dass der Konflikt zwischen Bayern und Österreich betreffend "Lkw-Transit und Brenner" gelöst werde, erklärte Nehammer. "Sie wird vonseiten der Kommission verschiedene Maßnahmen setzen, um in einer Form der Mediation Österreich und Bayern zueinanderzubringen, um hier einen Interessenausgleich zu finden." Das sei "ganz besonders wichtig" für die Tiroler Bevölkerung, "die unter dem Lkw-Transit in einer unglaublichen Art und Weise belastet ist", formulierte der Bundeskanzler.

Dass er außer seinem griechischen Amtskollegen Kyriakos Mitsotakis bisher keinen der in Brüssel anwesenden Staats- und Regierungschefs persönlich kenne, irritiert Nehammer nicht. "Wichtig sind politische Kontinuitäten." Auch als Innenminister sei er bei diversen EU-Meetings stets mit neuen Politikerkollegen konfrontiert gewesen.

Am Nachmittag traf Nehammer mit den 26 anderen EU-Staats- und Regierungschefs und Spitzen der östlichen Partnerschaftsländer Ukraine, Georgien, Moldau, Armenien und Aserbaidschan zusammen. Die Ukraine-Krise sowie Migrationskrise mit Belarus (Weißrussland) dürften den Gipfel am Mittwoch dominieren. Zudem will die EU 35 Millionen Euro aus dem EU-Budget bereitstellen, um Corona-Impfungen in den Ländern der östlichen Partnerschaft voranzutreiben.

"Für uns als Österreich ist dieses Treffen deshalb wichtig, weil wir auch klar signalisieren, der Ukraine, unsere volle Unterstützung und Solidarität", betonte Nehammer. In der Ukraine-Krise bekräftigte der Bundeskanzler, die Funktion des "Brückenbauers" einnehmen zu wollen. "Wir tolerieren keine Politik der Gewalt", sagte er. Seiner Ansicht nach sei es wichtig neben dem Drohszenarium zur Entspannung beizutragen, mit den Konfliktparteien in einen Dialog einzutreten.

EU-Gipfel im Zeichen der Ukraine-Krise

Hintergrund der Diskussionen sind Erkenntnisse der NATO, wonach Russland in Gebieten unweit der Ukraine derzeit zwischen 75.000 und 100.000 Soldaten zusammengezogen hat. Russland wies wiederholt zurück, einen Angriff auf die Ukraine zu planen.

Der belarussische (weißrussische) Machthaber Alexander Lukaschenko suspendierte unterdessen die Teilnahme an dem Gipfel von sich aus, die EU lehnt aber auch hochrangige Treffen mit Vertretern derzeit ab. "Wir müssen den Scheinwerfer nach Weißrussland ausrichten, wenn es darum geht, Menschenrechtsverletzungen, Unterdrückung von Meinungsfreiheit, Unterdrückung von Pressefreiheit sichtbar zu machen", betonte Nehammer. Auch müsse man dem Regime klar machen, dass "die Europäische Union sich in keinster Weise erpressen lässt". Auf heutigen Tagesordnung steht ein Treffen mit der belarussischen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja.

Seit Jahresbeginn kamen tausende Migranten - viele von ihnen aus dem Nahen Osten - über Belarus an die EU-Außengrenzen in Litauen, Polen und Lettland. Besonders angespannt ist die Situation an der Grenze zu Polen, auf dem Gebiet halten sich nach jüngster Einschätzung der polnischen Behörden nach wie vor rund 7.000 Migranten auf.

ribbon Zusammenfassung
  • Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat am Mittwoch bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel ein Plädoyer für Europa gehalten.
  • "Ich bin ein glühender Europäer", sagte Nehammer.
  • Dafür brauche es "starke Stimmen, und Österreich wird eine davon sein".
  • Am Nachmittag wird der Bundeskanzler erstmals beim Gipfel der Östlichen Partnerschaft seine Kollegen aus den anderen 26 EU-Staaten treffen.