"Weltenschöpfer" Walter Moers: "Zamonien ist allgegenwärtig"
Mythenmetz ist der Großschriftsteller in der seit 1999 von Moers in zahlreichen Fantasyromanen wie "Die 131⁄2 Leben des Käpt'n Blaubär", "Die Stadt der Träumenden Bücher" oder "Die Insel der Tausend Leuchttürme" beschriebenen Zamonien-Welt, die eine breite Fangemeinde samt eigenem "Zamonien Wiki" hat. Mit dem Ritterroman "Qwert" erscheint nun eine Erweiterung, die buchstäblich in eine andere Dimension führt, nämlich in die Parallelwelt Orméa. Die APA durfte aus diesem Anlass eines der seltenen Interviews mit Walter Moers führen - schriftlich, versteht sich.
APA: Lieber Herr Moers, Sie haben mit Zamonien einen Kontinent ersonnen, der eine große Fangemeinde seit Jahren beschäftigt. Wie sehr ist er in Ihrem persönlichen Alltag präsent?
Moers: Allgegenwärtig. Über meinem Schreibtisch hängt eine Zamonienkarte und überall in der Wohnung stehen Skulpturen und Maquetten, die Carsten Sommer von meinen Figuren geschaffen hat. Ich wohne also sozusagen in Zamonien.
APA: Haben in einem Parallelkosmos das kleine Arschloch und Käpt'n Blaubär noch Platz? Oder sind die für Sie Geschichte?
Moers: Das Kleine Arschloch ist für mich schon seit geraumer Zeit in kreativer Hinsicht ein erledigter Fall. Der Käpt'n Blaubär ist zäher. Aus irgendwelchen Gründen scheint er eine längere Halbwertzeit zu besitzen. Ich arbeite gerade an einem Buch, in dem er wieder eine Rolle spielt.
"Ritter sind komisch"
APA: In dem neuen Roman haben Sie Ihren Helden und seinen Knappen aus Zamonien in eine andere Dimension bzw. eine neue Welt stürzen lassen, in denen die Ritterkultur noch präsenter ist als bei Hildegunst von Mythenmetz und seinen Gefährten. Woher kommt dieses Fasziniertsein von Ritterromantik - und war "Qwert" eine Möglichkeit, dem noch breiteren Raum zu geben?
Moers: Was das Genre der Rittergeschichte angeht, fand ich schon immer die humoristischen Möglichkeiten, die darin liegen, am reizvollsten. In Filmen wie Monty Pythons "Holy Grail" oder Büchern wie "Don Quijote" oder "Der König auf Camelot" von T.H. White zum Beispiel. Ritter sind komisch. Wer beruflich in einer Rüstung herumläuft, muss doch völlig paranoid sein. Eigentlich das Gegenteil von einem Helden. Das war einer der Grundgedanken zu "Qwert".
"Ein nichtillustriertes Buch kann ich mir gar nicht vorstellen"
APA: Wie arbeiten der Zeichner und der Autor Walter Moers bei solchen Romanen zusammen?
Moers: Hand in Hand. Texte ergeben sich aus Skizzen, Illustrationen aus Texten und wieder umgekehrt. Das ist ein dauernder Kreislauf. Das eine geht ohne das andere nicht, ein nichtillustriertes Buch kann ich mir gar nicht vorstellen. Genauso wenig käme ich auf die Idee, einfach so ein Bild zu zeichnen, das nicht auch eine Geschichte erzählt.
APA: Sie gelten in der literarischen Welt beinahe als so ein Phantom wie Thomas Pynchon. Warum ist es Ihnen wichtig, privat völlig hinter Ihre Figuren und Geschichten zurückzutreten und als deren Urheber gar nicht in Erscheinung zu treten?
Moers: Ich stehe ganz einfach nicht gerne im Mittelpunkt. Früher hatte ich deswegen ein schlechtes Gewissen dem Verlag gegenüber, weil ich ihm dadurch Marketingmöglichkeiten wie öffentliche Auftritte, Homestorys, Lesungen usw. entziehe. Aber in der heutigen Zeit, wo sich wirklich jeder via Internet einer breiteren Öffentlichkeit aufdrängen kann, kann ein bisschen Zurückhaltung das Interesse an einer Person auch steigern, denke ich.
Verzichtbar: "Schlafen, essen und aufs Klo gehen"
APA: Fantasyromane gelten als willkommene Flucht vor der Realität. Doch was soll man von einer Welt halten, in der sich das bzw. die Schönste als ein grässliches Ungeheuer herausstellen kann und man nie sicher ist, ob alles nicht vollkommen anders ist, als es scheint? Ist Orméa eine gute oder eine schlechte Alternative zu der Welt, in der wir leben - oder "nur" ein fantasievolles Abbild von ihr? Würden Sie gerne wechseln, wenn Sie könnten?
Moers: Was mich an einer Existenz in Orméa wirklich reizen würde, wäre, dass man dort weder schlafen noch essen noch aufs Klo gehen muss. Das sind drei Dinge, auf die ich im wirklichen Leben verzichten könnte. Auf Reisen zu gehen ohne sich dauernd ein Hotel oder Restaurant oder Klo suchen zu müssen - das wäre wahrer Luxus.
"Vollziehe andauernd Genrewechsel"
APA: Haben Sie als Autor gelegentlich Lust auf einen kompletten Genrewechsel und nicht nur auf Stürze durch Dimensionslöcher? Könnte es sein, dass Sie den Wahnwitz unserer Zeit auch noch einmal auf ganz andere Weise aufs Korn nehmen werden?
Moers: Ich glaube eigentlich, dass ich in meinen Büchern andauernd Genrewechsel vollziehe. Mal ist es eine Märchenparodie, mal ein Horror- oder Abenteuer- oder ein Briefroman. Manchmal findet der Wechsel innerhalb eines Buches statt. Ich habe Comics und Storyboards gezeichnet, Drehbücher und Kinderbücher und kürzlich eine Monographie über Edward Gorey geschrieben. Genrewechselmangel würde ich mir selber nicht vorwerfen.
APA: Was ist das schönste Kompliment, das Sie in Ihrem bisherigen Schaffen erhalten haben?
Moers: Wenn meine Frau beim Lektorat meiner Bücher lacht.
(Die Fragen stellte Wolfgang Huber-Lang/APA per Mail.)
(S E R V I C E - Walter Moers - "Qwert", Penguin Verlag, 592 Seiten, mit über 70 Abbildungen, 43,20 Euro, ISBN: 978-3-328-60427-3)
Zusammenfassung
- Walter Moers, 68, ist der Schöpfer von Zamonien und bekannten Figuren wie Käpt'n Blaubär, bleibt aber selbst ein öffentlichkeitsscheues 'Phantom'.
 - Mit dem neuen Roman 'Qwert' erweitert Moers das Zamonien-Universum um die Parallelwelt Orméa und bringt Ritterkultur und Humor in den Fokus.
 - Moers arbeitet als Autor und Zeichner eng verzahnt und kann sich ein nichtillustriertes Buch nicht vorstellen.
 - Das kleine Arschloch sieht Moers als abgeschlossen an, während Käpt'n Blaubär weiterhin in seinen Werken auftaucht.
 - Der Roman 'Qwert' erscheint im Penguin Verlag, umfasst 592 Seiten mit über 70 Abbildungen und kostet 43,20 Euro.
 
