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"Un gran Casino": Symmetrie in Schwarz-weiß

Heute, 05:01 · Lesedauer 3 min

Es ist in jeder Hinsicht eine Skurrilität, die in Daniel Hoesls zeitkritischem Filmessay "Un gran Casino" die Startrampe für eine wilde Assoziationsreise darstellt. Es geht um das riesige Casino von Campione d'Italia, einer italienischen Enklave in der Schweiz, das einst der größte Spieltempel Europas war. Mit Popautor Thomas Köck macht sich Hoesl von diesem Monolithen aus auf eine wilde Tour de Force der Gedanken in die Verästelungen unserer Gesellschaft. Ab Freitag im Kino.

So hat Köck einen jazzenden Text über das Spiel und den Verlust, das Casino und das Begehren geschrieben - 80 Seiten insgesamt. Mit Zeilen wie "Wissen Sie, was das Schönste am Kapitalismus ist? Dass niemand sich fragt, was das Schönste an ihm ist." Entlang der Stationen in Dantes "Göttlicher Komödie" mäandert das Metaphernspiel so von Glücksspiel über Finanzkapitalismus hin zur Religion.

Mal konterkariert, mal parallel geführt, mal im gestischen Gleichklang setzt Hoesl hier seine streng kadrierten Bilder in Schwarz-Weiß. Streng geometrische, ja symmetrische Aufnahmen und lange Fahrten gehen Hand in Hand mit dem Text, bisweilen in bewusster Bild-Ton-Schere.

Spechtl und Ceccarelli als Wandelnde

Italiens Kinodiva Sandra Ceccarelli ("Klimt") gehört zu jenem namenlosen Figurentrio, das gleich den Charakteren von Alain Resnais traumwandlerisch durch die Szenerie schwebt. Es sind gleichsam drei Geister der Vergangenheit in einer menschenleeren Welt, zu denen auch Ja, Panik-Sänger Andreas Spechtl in seiner ersten Rolle vor der Kamera gehört - was den Musiker jedoch nicht davon abhielt, auch für den Soundtrack verantwortlich zu zeichnen. Aber auch der Monumentalbau von Architekt Mario Botta an den Gestaden des Luganersees selbst spricht seine Reflexionen aus dem Off.

"Paradigmatischer Ort unseres Daseins"

"Es ist ein paradigmatischer Ort für unser Dasein. Es ist nichts mehr übrig außer das Casino - und selbst das ist in keinem guten Zustand", erläuterte bei der Diagonale-Premiere der nur 77-minütigen Arbeit Daniel Hoesl seine Stoffwahl. Nach dem breitenwirksameren Spielfilm "Veni Vidi Vici" kehrt der 1982 geborene Filmemacher damit nun zu seinen avantgardistischen Anfängen zurück.

"Der Karrieregedanke widerstrebt mir total. Das ist vielleicht ein Schuss ins Knie - was aber vielleicht bei jedem Film so ist." Für ihn zähle etwas ganz anderes: "Man bleibt sich treu - was viel leichter ist, wenn man Kunst macht, als wenn man irgendeinen Scheiß macht."

(Von Martin Fichter-Wöß/APA)

(S E R V I C E - https://ungrancasino.com)

Zusammenfassung
  • Daniel Hoesls 77-minütiger Filmessay "Un gran Casino" nimmt das verlassene Casino von Campione d'Italia als Ausgangspunkt für eine gesellschaftskritische Reflexion und startet am Freitag im Kino.
  • Popautor Thomas Köck schrieb einen 80-seitigen Text, der im Film Themen wie Spiel, Verlust, Kapitalismus und Religion aufgreift und sich an Dantes "Göttlicher Komödie" orientiert.