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"Traumnovelle" im Volkstheater: Ist doch alles gut!?

Heute, 08:40 · Lesedauer 3 min

Bitte, Ruhe! Das Kind soll endlich einschlafen. Erst dann können die Geschehnisse in Arthur Schnitzlers "Traumnovelle" und damit auch der Bühnenfassung von Johanna Wehner im Volkstheater Fahrt aufnehmen. Die deutsche Regisseurin lässt das Premierenpublikum am Freitagabend in ein mit melancholisch-schöner Live-Musik unterlegtes und in sanftes Halbdunkel getauchtes Wien abgleiten. Gewissheiten geraten ins Wanken, das Halbbewusste übernimmt.

"Wo bin ich da hineingeraten?" Das sei der zentrale Satz des in etwa hundertminütigen Abends, klärt Wehner im Programmheft auf. Diese Frage stellt sich Fridolin (Nicolas Frederick Djuren), ein Arzt in seinen Dreißigern. Er hat mit seiner Frau Albertine (Anna Rieser) einen Maskenball besucht und anschließend eine heiße Liebesnacht verbracht. Bald darauf gestehen sie sich geheime Sehnsüchte. Albertine hat sich einst im Urlaub in einen Dänen verschaut und hätte sich ihm ganz hingegeben, wenn es nur soweit gekommen wäre. Fridolin erging es mit einem Mädchen am Strand ähnlich, und doch bringt ihn die Offenbarung seiner Frau vollkommen aus der Fassung.

Einer seiner Patienten liegt im Sterben, er muss noch in der Nacht zu ihm. Dessen Tochter gesteht ihm ihre Liebe, später lockt eine junge Prostituierte und dann duftet die Tochter eines Kostümverleihers verführerisch. Fridolin lässt sich durch die Stadt treiben, glaubt in einer Sekunde Draufgänger und Frauenheld sein zu müssen - und schreckt dann doch davor zurück. Spätestens als Fridolin die Losung für eine Art geheime Sexparty wohlhabender Leute erfährt - Dänemark - und er dort in den Armen einer mysteriösen Fremden versinkt, verschwimmt die Grenze von Bewusstem und Unbewusstem.

Djuren verkörpert Fridolins Zerrissenheit, seine Zweifel an getroffenen Entscheidungen, aber auch seine kindische Gekränktheit bravourös. Rieser steht ihm als weit reflektiertere Albertine voller ungestillter Begierde kaum nach. Schützenhilfe erhalten sie von Vera Mohrs und Stephan Goldbach. Mit Klavier, Kontrabass und zartem Gesang sorgen sie für den verträumten musikalischen Unterbau und verstehen damit gehörig einzulullen.

Ein Boden in Wellenform

Platziert sind die Instrumente - wie auch die in Summe fünf schick in Schwarz und Weiß gekleideten Schauspielerinnen und Schauspieler - auf unebenem Holzboden. In Wellenform füllt er den Großteil der mitunter in zarten Nebel gehüllten Bühne (Benjamin Schönecker) aus und spendet den strauchelnden Figuren nicht immer den von ihnen so dringend gesuchten Halt.

Wehner verzichtet für ihre "Traumnovelle" auf große Effekte, schafft es aber dennoch, selbst die sündige Geheimparty ohne den Einsatz von nackter Haut oder Masken stimmungsvoll auf die Bühne zu übersetzen. Sprache, die auch in Form von Sprechchören und teils überstrapazierten Echos zum Einsatz kommt, und der schlafwandlerische Grundton dominieren die gelungene Inszenierung. Nicht nur einmal wird gesungen: "Ist doch alles gut." - Oder? Das Publikum sah es wohl so, spendete es doch anhaltenden Applaus.

(Von Lukas Wodicka/APA)

(S E R V I C E - "Traumnovelle" nach Arthur Schnitzler im Volkstheater. Regie: Johanna Wehner. Mit: Nicolas Frederick Djuren, Anna Rieser, Christian Ehrich, Katharina Pichler, Günther Wiederschwinger. Komposition & musikalische Leitung: Vera Mohrs. Live-Musik: Vera Mohrs und Stephan Goldbach. Bühne: Benjamin Schönecker, Kostüm: Ellen Hofmann, Lichtdesign: Ines Wessely, Dramaturgie: Julia Engelmayer. Weitere Termine: 4., 6., 19., 28. und 30. November sowie 13. und 20. Dezember jeweils 19.30 Uhr. www.volkstheater.at)

Zusammenfassung
  • Die Bühnenfassung von Arthur Schnitzlers 'Traumnovelle' unter der Regie von Johanna Wehner hatte am Freitagabend im Volkstheater Premiere und dauert etwa 100 Minuten.
  • Im Zentrum steht der Arzt Fridolin, der nach einem Geständnis über geheime Sehnsüchte mit seiner Frau Albertine eine Nacht voller Versuchungen und Grenzerfahrungen zwischen Bewusstem und Unbewusstem erlebt.