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Sven Regener und Element of Crime bieten "Urlaub vom Ich"

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Bald sind es 40 Jahre, dass Element of Crime mit ihrer Musik die Fans verzücken. Die Gruppe um Sänger und Autor Sven Regener ("Herr Lehmann") versteht es nach wie vor, große Gefühle in kleine Lieder zu packen. Mit "Morgens um vier" erscheint am Freitag ihr neuestes Werk, das viel von der Liebe handelt, aber auch treffende Analogien für das Heute bereithält. Mit der APA sprach Regener über die Stimmung der Platte, das Neue im Gleichen und unnötige Vernunft.

APA: In einem Text zu Ihrem neuen Album schreibt Eva Menasse von Element of Crime als "Lebensgefühl". Wie würden Sie das aktuell definieren?

Sven Regener: Das kann ich nicht. Ich bin in solchen Sachen nicht gut, da bin ich nicht kompetent. Ich kann Songs schreiben und Romane. Mein Lebensgefühl auf so einen Nenner bringen? Ich wüsste nicht wie. Und wenn, wäre es wohl zu persönlich, das würde ich dann auch gar nicht machen wollen. Ich würde mal sagen: Es geht mir gut und ich komme klar. Aber die Welt ist halt der Scheißhaufen, der sie ist. Man muss sich darin irgendwie bewegen und tun, was man kann.

APA: Und die Stimmung der neuen Platte, wie sieht es damit aus?

Regener: Sie hat einen gewissen rauen Charme. Man darf nicht vergessen: Unser Bassist David Young ist im Vorjahr gestorben. Vielleicht hätten wir auch sonst diese Songs nicht mehr mit ihm produziert, aber das war ein einschneidendes Erlebnis. Solche Sachen, aber auch, wie es in der Welt aussieht, spielen sicher eine Rolle. Aber ich kann da nicht den Finger drauflegen. Am Ende sind es Songs, die von der Liebe handeln und davon, was sonst noch zwischen den Leuten passiert. Sie erzählen Geschichten oder Impressionen, aus denen man sich eine Geschichte zusammenreimen kann, wenn man will. Oder auch nicht! Man kann sie auch einfach nur mitpfeifen und seinen Spaß daran haben. Das ist alles okay.

APA: Anstelle von David Young ist nun Markus Runzheimer auf der Platte zu hören. Was macht es, wenn eine neue Stimme in dieses Bandgefüge tritt?

Regener: Wir haben die Songs mit ihm zusammen entwickelt. Wir bringen musikalische Ideen zusammen, arbeiten damit, und irgendwann wird daraus ein Song mit Melodie und all dem. An dem Prozess war er beteiligt. Aber er ist in dem Sinne kein Bandmitglied, wie es auch Dave nicht war und Christian Hartje davor nicht. Wo die Band hingeht und was sie tut, das bestimmen eigentlich immer Jakob (Ilja, Anm.), Richard (Pappik, Anm.) und ich - weil wir von Anfang an dabei waren. Und das ist so geblieben. Es ist wichtig, das auch mal zu betonen. Gerade die ersten Jahre mit dem Kampf um den Stil der Band kann man nicht aufholen. Auch Ron Wood wird bei den Rolling Stones immer der Neue sein.

APA: Geht es nach so vielen Jahren letztlich um die Suche nach Neuem in der Wiederholung?

Regener: Ja. Und so lange es noch etwas zu entdecken gibt, ist die Band auch lebendig. Bei einer Band wie Element of Crime mit einem relativ breiten stilistischen Spektrum macht es wahnsinnig Spaß, in jede Richtung weiterzugraben und zu schauen, was noch dahinter ist. Ich habe mit viel Vergnügen das Buch "The Philosophy of Modern Song" von Bob Dylan gelesen. Einerseits wegen dieser manchmal sehr gewagten Versuche, diese Songs noch zu vertiefen in der Nacherzählung. Aber auch sehr treffend, weil die Aussage des Songs erweitert wurde, ohne ihn zu entmystifizieren. Die Vielfalt der Songs, die er da bespricht, zeigt, welche Rolle Songschreiben im Rock'n'Roll spielt. Beim Songschreiben ist so viel möglich, dass man nicht davon lassen kann, solange noch irgendwas geht.

APA: Erkennen Sie sofort, wenn es nicht mehr weitergeht bei einem Lied?

Regener: Das ist eine der wenigen Sachen, wo Erfahrung nützlich ist: Dass man frühzeitig merkt, wenn irgendeine Idee ein Irrweg ist, weil sie zu langweilig ist, zu eindimensional, zu flach. Dann bringt es nichts mehr, auf diesem toten Gaul rumzureiten, dann sollte man sich lieber einen neuen suchen. Wir merken mittlerweile ganz früh, ob Funken sprühen aus einer Idee oder es eher ein kaltes Glimmen ist, das bald ausgeht.

APA: Gemeinsam mit Richard Pappik und Ekki Busch haben Sie vor zwei Jahren eine Jazzplatte aufgenommen, mit der sie derzeit auf Tour sind. Hat das auch eine Auswirkung auf den Sound von Element of Crime?

Regener: Ich glaube nicht. Ich bin jetzt sehr fit auf der Trompete, weil ich viel mehr spiele. Aber es ist ein ganz klar definiertes Projekt: Wir spielen keine Eigenkompositionen, sondern Klassiker der Jazzmoderne und improvisieren darüber. Improvisationen sind im Jazz ja mindestens so wichtig wie der kompositorische Teil. Das ist eben der Unterschied zum Rock'n'Roll, wo wir mit der neuen Platte natürlich ein Autorenfilmprojekt sind und selber die Songs schreiben, die wir singen. Das Jazzprojekt ist kein Konkurrenzding, soll nichts Ergänzendes sein. Drei Freaks machen einfach Jazzmusik.

APA: Ihnen scheint es jedenfalls Spaß zu machen...

Regener: Es bereichert mein Leben ungemein, ohne dass ich vorher etwas vermisst hätte. Man hat als Rockmusiker am Ende ja eine Menge Zeit. Da kann man auch mal einen Roman schreiben. Oder sich mit Jazzmusik beschäftigen.

APA: Im Opener des neuen Albums heißt es "Wir haben keine Lösung, wir haben Lieder". Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht, dass uns Kunst aus dem alltäglichen Wahnsinn rausholt?

Regener: Gefühlt erhält man da einen Einblick in das Geheimnis der eigenen Existenz und kann sich, wenn es gut läuft, damit versöhnen. Urlaub vom Ich, möchte ich das nennen, wenn man sich selber aus der Distanz sieht, weil Dinge verhandelt werden, in denen man sich selber wiederfindet. Das kann man in Deutschland den Leuten gar nicht oft genug erklären, weil es so ein Ingenieursvolk ist und die immer glauben, Kunst müsste noch für etwas anderes gut sein: für Politik, für Bildung, für Aufklärung. Das sind alles Sachen, für die die Kunst ganz gewiss nicht zuständig ist! Das Letzte, was wir wollen, sind singende Politiker oder Bildung durch Lieder zu bekommen. Vernunft spielt in der Kunst keine große Rolle. Es geht um Gefühle und extreme Zustände, um das Leben an sich! Das muss reichen, finde ich.

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

(S E R V I C E - Element of Crime live am 21. und 22. September im Wiener Konzerthaus, www.element-of-crime.de)

ribbon Zusammenfassung
  • Bald sind es 40 Jahre, dass Element of Crime mit ihrer Musik die Fans verzücken.
  • Die Gruppe um Sänger und Autor Sven Regener versteht es nach wie vor, große Gefühle in kleine Lieder zu packen.
  • Mit "Morgens um vier" erscheint am Freitag ihr neuestes Werk, das viel von der Liebe handelt, aber auch treffende Analogien für das Heute bereithält.
  • Mit der APA sprach Regener über die Stimmung der Platte, das Neue im Gleichen und unnötige Vernunft.

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