APA/Mikko Suutarinen

"Study for Life" als grandioser Genre-Mix in Bregenz

31. Juli 2025 · Lesedauer 4 min

Nach der österreichischen Erstaufführung der Erfolgsproduktion "Borrowed Light" von Tero Saarinen hat das Bregenzer Festspielpublikum am Mittwochabend das jüngste Werk des finnischen Choreografen gefeiert. Tanz, Licht, Instrumentalmusik und Gesang ineinander zu verweben ist nicht neu, wie es in "Study for Life" geschieht, ist allerdings etwas Besonderes. Obwohl die Kompositionen nicht eigens für dieses Projekt entstanden sind, passt hier alles perfekt zusammen.

Zur Einstimmung hat der Sounddesigner Tuomas Norvio im Foyer der Werkstattbühne eine Klanginstallation mit einem mikrofonierten schmelzenden Eisblock geschaffen, die in solch' präziser Ausführung auch im Rahmen des anspruchsvollen Programms im Kunsthaus Bregenz gezeigt werden könnte. Der dunkel glänzende Boden unter dem Eis entspricht der Auftrittsfläche auf der Werkstattbühne im Festspielhaus. Das Publikum sitzt an den vier Seiten des Rechtecks wie an den Ufern eines dunklen Sees. Etwas mystisch darf es sein bei Tero Saarinen, der "Study for Life" erstmals vor wenigen Wochen in Amsterdam gezeigt hat und diese auch auf ein Raumerlebnis hin entwickelte Produktion jeweils den Gegebenheiten anpasst. Aufführungen in Finnland finden erst nach jenen in Bregenz statt, wo ihm die offene, variable Bühne zu pass kommt.

Die Zusammenarbeit mit Kaija Saariaho (1952-2023) war schon länger geplant. Dass ihre einzigartige Musiksprache, dieses Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung mit akustischen und elektronischen Klängen, dabei eine Umsetzung im Tanz finden soll, die Saarinen als Hommage an die finnische Komponistin bezeichnet, steht außer Frage, ist aber eine enorme Herausforderung. Der Choreograf hat gemeinsam mit dem erwähnten Tuomas Norvio, den Lichtdesignern und Ausstattern Erika Turunen, Fabiana Piccioli und Sander Loonen eine faszinierende Möglichkeit gefunden, um das Werk der als Synästhetikerin bekannt gewordenen Saariaho bzw. das Verschmelzen von Sinneswahrnehmungen erlebbar zu machen.

"Study for Life" ist sozusagen eine immersive Erfahrung, ein Eintauchen in das Geschehen ohne VR-Brille. Auch wenn Saarinen die Thematik seines Stücks etwas emotionsgeladen mit dem "Verlangen nach Verbundenheit in einer fragmentierten Welt" beschreibt, funktioniert das alles nur aufgrund kluger Konzeption und präziser Zusammenarbeit aller Mitwirkenden. Die Musikerinnen und Musiker des Ensembles Asko|Schönberg sind so eingebunden, dass sie in einigen Momenten bzw. vor dem Einsatz an Harfe, Cello, Geige, Schlagwerk etc. nicht mehr von den Tänzerinnen und Tänzern zu unterscheiden sind. Lichteffekte sind derart fein entwickelt, dass man sie auch für Wasserstrahlen hält, auch Luftströme sind wahrnehmbar, doch nichts ist plakativ oder aufgesetzt.

Bewegende Kombination von Instrumentalmusik, Elektronik und Tanz

Man braucht der Entfremdungsthematik in den Textpassagen aus "The Hollow Men" von T. S. Eliot im titelgebenden Werk "Study for Life" nicht nachzusinnen, die Texte von Amin Maalouf im ebenso verwendeten Werk "Quatre instants" sind für jene interessant, die sich an die Uraufführung der Oper "L'amour de loin" von Saariaho bei den Salzburger Festspielen erinnern, in der die Liebespoesie dieses Dichters ebenfalls zum Ausdruck kommt. Was besonders bewegt, ist die fantastische Stimme der Sopranistin Raquel Camarinha oder die Interpretation des Werks "Petals" des Cellisten Sebastiaan van Halsema bzw. die Art, wie Saarinen die Konzentration auf einen bestimmten Klang oder auf ein einzelnes Bild fordert, obwohl er mitunter Rollpodien einsetzt, um die Dynamik in dieser Kombination von Instrumentalmusik und Elektronik choreografisch zu unterstreichen und exzellent einzufangen.

Die österreichische Erstaufführung von "Study for Life", gefeiert vom Bregenzer Festspielpublikum, erwies sich als Genre-Mix in seiner schönsten Form und vermag auch das Interesse am Orchesterwerk "Ciel d'hiver" von Kaija Saariaho zu schüren, das Intendantin Lilli Paasikivi im nächsten Jahr im Programm hat.

(Von Christa Dietrich/APA)

(S E R V I C E - Tero Saarinen Company: "Study for Life"; Choreografie: Tero Saarinen; Musik: Kaija Saariaho, Soundscapes: Tuomas Norvio; Licht: Fabiana Piccioli, Sander Loonen; Kostüme: Erika Turunen; Bühne: Erika Turunen, Fabiana Piccioli, Sander Loonen; Orchestrierung: Vasco Mendonça: Sopran: Raquel Camarinha; Musik: Ensemble Asko|Schönberg; Tanz: Tero Saarinen Company. Weitere Aufführung am 31. Juli: www.bregenzerfestspiele.com)

Zusammenfassung
  • Die österreichische Erstaufführung von 'Study for Life' des finnischen Choreografen Tero Saarinen wurde am Mittwochabend bei den Bregenzer Festspielen vom Publikum gefeiert.
  • Das Stück verbindet Tanz, Licht, Instrumentalmusik und Gesang zu einem besonderen Genre-Mix und setzt die Klangsprache der 2023 verstorbenen Komponistin Kaija Saariaho als Hommage um.
  • Mit einer Klanginstallation aus schmelzendem Eis, einer offenen Bühnenkonzeption und der Einbindung von Texten von T. S. Eliot und Amin Maalouf wurde eine immersive Erfahrung geschaffen, die Musiker und Tänzer verschmelzen lässt.