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Strauss-Bearbeitung entfacht die "Walzerwut" bei ImPulsTanz

26. Juli 2025 · Lesedauer 3 min

Im Kulturbetrieb ist heuer in Wien kein Herumkommen um Johann Strauss. Der 200. Geburtstag des Walzerkönigs wird groß gefeiert - und somit auch bei ImPulsTanz, wo am Freitag "Walzerwut" zur Aufführung gelangte. Dafür hat Musiker Wolfgang Mitterer Hits von Strauss in eine knatternde, unbehagliche Geräuschkulisse gemixt zu der fünf Tänzerinnen und Tänzer rund um Eva-Maria Schaller im Wiener Odeon am Rande der Apokalypse mal mehr und mal weniger beschwingt tanzen.

Mitterer sitzt am Klavier und hat abseits seines Laptops noch allerhand anderes mitgebracht, um einen breiten Klangteppich auszurollen. An Strauss' überschäumende Melodien erinnert das zunächst nur entfernt. Der Musiker verfremdet Schanis Werke, lässt es knarzen, surren, klopfen, krachen, klimpern und auch zwitschern, aber nur selten richtig walzen. Das überträgt sich auf die Tanzenden, die sich abgehackt und sperrig über den schwarz-weißen Boden bewegen, anstatt wie im Ballsaal eher geläufig zu zweit über die Bühne zu schweben.

Auch ein Menschenknäuel, das sich langsam in einem Wirrwarr aus Gliedmaßen über das Parkett manövriert, hat man zu Strauss' Zeiten wohl kaum gesichtet - selbst wenn die Tanzfläche aus allen Nähten geplatzt sein mag. Aber wir befinden uns hier auch im 21. Jahrhundert. Schaller war es ein Anliegen, Strauss etwas entgegenzusetzen, eine Ebene weiter zu denken, wie sie zum Stück festhält: "Die Frauen, die Friedensbewegungen und die Wut, denn diese Musik steht in enger Verbindung mit dem Militarismus ihrer Entstehungszeit."

Kein "Friedenswalzer" für die Offiziere

Also wird nicht nur getanzt, sondern werden auch einzelne Zeilen aus Texten und Briefen von Bertha von Suttner vorgetragen, die mit Strauss bekannt war, ja er gar überlegte, ihr einen Walzer zu widmen. "Mit Anspielung auf die Friedenssache im Titel", klären die Tänzerinnen auf, wobei sie wahlweise am Boden liegend, kopfüber hängend oder auf den Schultern eines Mittanzenden ins Mikrofon sprechen. "Friedenswalzer" würde sich aber nicht eignen, weil dann Offiziere nicht tanzen und Militärkapellen nicht spielen.

Also taucht man wieder in Mitterers Komposition ein, die mit etwas Fantasie auch Sirenen und überfliegende (Kampf-)Flugzeuge erahnen lässt. Ist die Apokalypse nah? Strauss stemmt sich mit aller Macht dagegen, seine beschwingten Melodien sorgen für sonnige Auflockerungen im Klanggewitter, was die Tänzerinnen und Tänzer anfangs zögerlich und letztlich doch mit einem Lächeln und flotten Drehungen annehmen.

Traum mit Fieberschüben

"Walzerwut" wartet mit eigenwilligen 60 Minuten auf, die aber beherzt durchgezogen werden. Schaller und Mitterer haben einen Traum mit Fieberschüben kreiert, aus dem man sich am Ende beschwingt wie auch verdattert herausschält. Der eine oder andere Ohrwurm wird dem Publikum, das sich mit freundlichem Applaus bedankte, mit auf den Heimweg gegeben. Walzer und Wut wirken nach.

(Von Lukas Wodicka/APA)

(S E R V I C E - "Walzerwut" im Rahmen des ImPulsTanz-Festivals in Kooperation mit dem Johann-Strauss-Festjahr 2025. Im Wiener Odeon. Tanz und Choreografie: Eva-Maria Schaller. Musik: Wolfgang Mitterer. Tanz und Stückentwicklung: Sasha Portyannikova, Chiara Aprea, Nimrod Poles, Eva-Maria Schaller, Maartje Pasman. Dramaturgie: Anita Buchart. Bühne und Kostüm: Elisabeth Vogetseder. Weitere Aufführung am 27. Juli um 21 Uhr. https://www.impulstanz.com)

Zusammenfassung
  • Im Rahmen des ImPulsTanz-Festivals 2025 wurde im Wiener Odeon das 60-minütige Stück "Walzerwut" als experimentelle Hommage an den 200. Geburtstag von Johann Strauss uraufgeführt.
  • Musiker Wolfgang Mitterer verfremdet bekannte Strauss-Walzer zu einer teils apokalyptischen Klangcollage, zu der fünf Tänzerinnen und Tänzer unter Leitung von Eva-Maria Schaller moderne, sperrige Choreografien zeigen.
  • Das Stück bezieht sich auf gesellschaftliche Themen wie Militarismus, Frauen und Friedensbewegungen und integriert Texte von Bertha von Suttner, was beim Publikum einen nachhaltigen Eindruck hinterließ.