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"Sideways Rain" als unausweichlicher Sog bei ImPulsTanz

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Kriechend, rollend, gehend, laufend, mal vorwärts, dann rückwärts, aber wichtig: immer von links nach rechts, wobei die Ausnahme die Regel bestätigt. So trieb der brasilianische Choreograph Guilherme Botelho seine in der Schweiz ansässige Compagnie Alias Cie am Dienstagabend über die Bühne des Akademietheaters. Ob man in "Sideways Rain" eine große Gesellschaftsstudie erkennen mag oder sich doch nur dem hypnotisierenden Fluss der Körper hingibt: Ein Gewinn ist es allemal.

In orangem, flach über die Bühne strahlendem Licht empfangen zunächst einige wenige, schon bald alle 15 Tänzerinnen und Tänzer das ImPulsTanz-Publikum. Auf allen Vieren bewegen sie sich mit gesenkten Köpfen gemächlich über die komplett leere Bühne. Schon bald steigert sich von manchen das Tempo, andere probieren gar neue Fortbewegungsarten aus. Pioniere haben zu rollen, zu gleiten oder gar zu gehen. Andere folgen zunächst zögerlich, bald bestimmt.

Begleitet werden die Tänzerinnen und Tänzer von atmosphärischen Klängen, die sich langsam, aber unerbittlich zu einem voluminösen Dröhnen steigern, nur um in sich zusammenzubrechen und von Neuem zu starten. Ähnlich angelegt ist das System, in dem die Performer gefangen zu sein scheinen. Überhitzt es vor schierer Entdeckungsfreude, ist ein Rückschritt und die Besinnung auf Altbewährtes angesagt. Besonders hoch im Kurs dürfte ein kreiselnder Vierfüßergang sein, aber auch Seitwärtsrollen. Weit weniger kompatibel ist dagegen sich auf dem Rücken liegend mit den Füßen voranzuschieben, wird das doch rasch wieder verworfen.

Das Individuum tritt auch dank geschickt eingefädelter Kleidungswechsel in den Hintergrund. Die Compagnie wird zur Masse im Einbahnmodus. Phasenweise wirken die Performer wie mittels Schnüren apathisch durch den Raum gezogen, was später auch plastisch vor Augen geführt werden soll. Ob für sie alles wie am Schnürchen läuft oder sie doch marionettengleich agieren, bleibt im Dunklen. Begehrt hin und wieder doch jemand gegen den scheinbar unausweichlichen Sog auf, so ist diese Störung nur von kurzer Dauer und vermag keine Mitstreiter längerfristig zu binden.

Egal ob die 60-minütige Arbeit als raffinierte Gesellschaftsstudie, als Ode an die Evolutionstheorie oder doch nur als eindrucksvolle Leistungsschau körperlicher Fortbewegungsmethoden gelesen wird, hängen bleibt wohl bei nahezu jedem etwas. Als Gewinn erachtete der Großteil des Publikums den Abend, spendete es doch langen, enthusiastischen Applaus.

Guilherme Botelho und seine Compagnie Alias Cie sind auch mit einer zweiten Arbeit beim heurigen ImPulsTanz-Festival vertreten. Mit dem Stück "Normal." kommt es heute, Mittwoch, um 19.30 Uhr zu einer österreichischen Erstaufführung. Auch hier steht das Zyklische als Lebensprinzip im Mittelpunkt, wobei sich nicht wie bei "Sideways Rain" 15 Tänzer und Tänzerinnen von links nach rechts über die Bühne bewegen, sondern sieben Männer und Frauen immer wieder zu Boden fallen, nur um sich von dort jedes Mal aufs Neue zu erheben.

(S E R V I C E - Weitere Aufführungen von "Sideways Rain" am 22. Juli um 19 Uhr im Akademietheater. https://www.impulstanz.com/performances/2021/id1377/)

ribbon Zusammenfassung
  • So trieb der brasilianische Choreograph Guilherme Botelho seine in der Schweiz ansässige Compagnie Alias Cie am Dienstagabend über die Bühne des Akademietheaters.
  • Ob man in "Sideways Rain" eine große Gesellschaftsstudie erkennen mag oder sich doch nur dem hypnotisierenden Fluss der Körper hingibt: Ein Gewinn ist es allemal.
  • (S E R V I C E - Weitere Aufführungen von "Sideways Rain" am 22. Juli um 19 Uhr im Akademietheater.

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