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Schriftsteller beklagten Ohnmacht der Literatur bei Krieg

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Aus der ehemaligen Sowjetunion stammende Autorinnen und Autoren haben beim zweiten Teil eines Salzburger Festspiel-Symposiums am Freitag die Ohnmacht der Literatur angesichts des Kriegs von Wladimir Putins Russland gegen die Ukraine beklagt. "Mit Anschreiben wird man keinen Krieg beenden, aber vielleicht dazu beitragen, dass die Nachkriegszeit weniger grausam wird", sagte der aus Leningrad gebürtige und in Salzburg lebende Vladimir Vertlib.

Der österreichische Schriftsteller Vertlib berichtete dabei von einer traumatischen Episode aus seiner Kindheit. Seine Mutter habe ihm russische Lieder zum Einschlafen vorgesungen, darunter auch ein Lied, das mit den Worten "Die Feinde haben die heimatliche Hütte niedergebrannt" beginne. Es handelt von einem sowjetischen Soldaten, der nach Kriegsende 1945 in sein nicht mehr existierendes Heimatdorf zurückkehrt und sich an seine Gattin wendet, die von den Nazis getötet worden war.

"Das Lied hat mich erahnen lassen, was Krieg und seine nachhaltigen Folgen wirklich bedeuten", sagte er. Auch seien Erzählungen von Angehörigen, die den 2. Weltkrieg erfahren hatten, "keine Kindermärchen mit Wohlfühlfaktor" gewesen. Im Zusammenhang mit dem aktuellen Krieg erklärte Vertlib, dass er für sich selbst den Wahnsinn verstehen möchte. Selbst wenn er keine Antworten finden würde, würde er die richtigen Fragen stellen wollen, erklärte er und verwies auf die privilegierte Lage von Menschen in Mitteleuropa, die offen über die aktuelle Situation sprechen könnten: "Lebte ich in Russland würde ich wahrscheinlich schweigen und mich schämen."

"Seit Anfang des Kriegs schreibe ich nur über den Krieg - in einem Ohnmachtszustand", sagte die aus Kiew stammende und in Berlin lebende Schriftstellerin Katja Petrowskaja, die insbesondere über ihre Verzweiflung berichtete. Die Bachmannpreisträgerin des Jahres 2013 schilderte, dass seit dem Kriegsbeginn kaum gereist sei, weil sie auch für sich persönlich keine Normalität akzeptieren wollte.

Kunst sei nun nicht so wichtig, betonte sie. Die zentrale Frage sei auch nicht, was man schreiben könne, sondern was man als "normaler Mensch" machen könnte - auch ohne so viel Geld wie der deutsche Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder. Mitgefühl reiche dabei nicht. "Es gibt nur einen Weg - Putin militärisch zu besiegen", resümierte sie.

Diese Forderung Petrowskajas unterstützte auch der ebenso in Berlin lebende und aus Kiew gebürtige Schriftsteller Dmitrij Kapitelman, der seinerseits von persönlichen Erfahrungen seit 2014 berichtete. Seine Mutter habe damals die russische Annexion der Krim für gut befunden, auch ihr "Fernseher mit den russischen Staatswahrheiten" habe das ebenso gesagt.

Aber auch Deutschland habe nach 2014 Gas von Putin gekauft, neue Pipelines rund um die Ukraine gebaut und sogar Waffen nach Russland geliefert, kritisierte er.

Dass Kunst und Literatur die Welt verändern könnte, bezweifelte ihrerseits auch die russische Theatermacherin und -kritikerin Marina Davydova, die nach Kriegsbeginn aus Russland nach Deutschland geflohen war. Intellektuelle seien im Zusammenhang mit ihrer Fähigkeit gefragt, auf die Einstellungen von Menschen einzuwirken.

Wie Feuerwehrleute keine Angst vor Feuer haben dürften, hätten öffentliche Intellektuelle in der aktuellen Situation die Verpflichtung, aktiv zu sein. Sonst hören sie auf Intellektuelle zu sein, erklärte sie. "Wichtig ist es nun mit einfachen Worten die Wahrheit zu sagen und gegen den Krieg aufzutreten", sagte Davydova.

ribbon Zusammenfassung
  • Aus der ehemaligen Sowjetunion stammende Autorinnen und Autoren haben beim zweiten Teil eines Salzburger Festspiel-Symposiums am Freitag die Ohnmacht der Literatur angesichts des Kriegs von Wladimir Putins Russland gegen die Ukraine beklagt.
  • Der österreichische Schriftsteller Vertlib berichtete dabei von einer traumatischen Episode aus seiner Kindheit.
  • "Es gibt nur einen Weg - Putin militärisch zu besiegen", resümierte sie.