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Roland Weißmann zum ORF-Generaldirektor gewählt

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ORF-Vizefinanzdirektor Roland Weißmann ist am Dienstag im Stiftungsrat zum ORF-Generaldirektor gewählt worden. Damit löst er am 1. Jänner 2022 Alexander Wrabetz nach drei Funktionsperioden ab. Der von der ÖVP favorisierte Kandidat erreichte im obersten ORF-Aufsichtsgremium mit türkis-grüner Unterstützung 24 von 35 Stimmen. Weißmann bedankte sich für das "große Vertrauen über Fraktionsgrenzen hinweg" und will "auf Augenhöhe" mit dem scheidenden ORF-Chef zusammenarbeiten.

Wrabetz habe ihm zugesichert, ihn bei wesentlichen Fragen einzubeziehen. "Das genügt mir völlig", sagte er. Wrabetz übergebe ein "gut aufgestelltes Haus", und er werde seine neuen Aufgaben "mit großem Respekt und Demut angehen". "Keine Front" sieht er in puncto der zu besetzenden Führungspositionen im kommenden multimedialen Newsroom, die Wrabetz noch in seiner Amtszeit vornehmen will. Auch hinsichtlich des im Herbst anstehenden Antrags auf Gebührenanpassung werde er eingebunden. Stiftungsratsvorsitzender Norbert Steger verwies diesbezüglich auf eine durchgeführte Protokollanmerkung, dass der scheidende Generaldirektor "alle wesentlichen Entscheidungen in Zukunft immer gemeinsam mit dem neuen gewählten Generaldirektor machen" werde.

Zu seinen politischen Verstrickungen und kursierenden Screenshots von einem gemeinsamen Skype-Treffen mit Gerald Fleischmann, dem Medienbeauftragten im Bundeskanzleramt (ÖVP), wollte Weißmann "festhalten, dass es kein Wahlkampf war, sondern die Bestellung eines Vorstandes". Es sei "ganz normal, sich mit Stiftungsräten und anderen Stakeholdern auszutauschen. Es wäre problematisch, es nicht zu tun." Er habe sich dabei stark für eine ORF-Gesetzesnovelle eingesetzt: "So ist das einzuordnen."

In der ZiB2 des ORF sprach Weißmann von einem "ganz respektablen Ergebnis" der Wahl. Er habe eine breite Mehrheit über die Fraktionsgrenzen hinweg erreicht und sei "nie der Kandidat einer Partei" gewesen. Dass er den Grünen für deren Unterstützung Zusagen für zwei Direktorenposten gegeben habe, verwies er ins Reich der Spekulationen: "Von mir nicht." Programmatische Schwerpunkte wollte er nicht nennen, als Teamplayer wolle er dies mit seinem Team besprechen. Er wolle den ORF "digitaler, jünger, diverser" machen.

Alexander Wrabetz zeigte sich im Anschluss an die Bekanntgabe sichtlich betroffen von seiner Abwahl: "Es ist durchaus bewegend, dass ich nach 15 erfolgreichen Jahren abgesetzt wurde", so Wrabetz vor Journalisten. Im Hearing habe es für seine Arbeit anerkennende Worte gegeben, nennenswerte Kritik sei nicht gefallen. "Aber die Regierung hat entschieden, mich abzusetzen." In einer Demokratie, in der die Regierung gewählt worden sei, sei das aber zu akzeptieren. Jedenfalls würden jetzt "vier besondere Monate vor uns liegen, in denen ich die alleinige Verantwortung habe", so Wrabetz. Weißmann habe "keine Erfahrung in der Geschäftsführung", weshalb es in den kommenden Monaten darauf ankommen werde, seine gesammelte Erfahrung an den frisch gewählten ORF-Generaldirektor weiterzugeben: "Das werde ich natürlich tun."

Ob es - wie von einigen Beobachtern befürchtet - nun zu einer "Orbanisierung des ORF" kommen werde, werde "die Geschichte zeigen", sagte Wrabetz auf eine diesbezügliche Journalistenfrage. Wichtig werde es daher in den verbleibenden Monaten seiner Amtszeit sein, "die Rechte der Redaktion noch besser abzusichern". Für die künftigen Chefredakteursposten im multimedialen Newsroom brachte Wrabetz etwa "ZiB 2"-Anchorman Armin Wolf und ORF-2-Chefredakteur Matthias Schrom ins Spiel. Geredet habe er aber noch mit niemandem.

"Der neue ORF-Generaldirektor Roland Weißmann verbindet journalistische, programmwirtschaftliche und digitale Kompetenz, und er ist vor allem ein Teamplayer - genau das braucht der ORF für seine Zukunft", sagte indes Thomas Zach, Leiter des bürgerlichen "Freundeskreises", der auch Wrabetz für seine Arbeit dankte. Mit dem heutigen Ergebnis stehe eine breite Mehrheit im Stiftungsrat hinter einem digitalen Reformkurs für den ORF. Auf den engen Kontakt zu Fleischmann angesprochen, meinte Zach, dass es "einen permanenten Austausch zwischen den Stakeholdern" gebe und dass man sicherstellen müsse, "dass deren Anliegen entsprechend präsent sind".

"Man muss von einer Zäsur sprechen", reagierte SPÖ-"Freundeskreisleiter" Heinz Lederer unmittelbar nach der Wahl gegenüber Journalisten auf das Ergebnis. Die Anzahl von 24 Stimmen deute darauf hin, dass die "Checks and Balances" nicht mehr eingehalten würden. Man werde Weißmann keine 100 Tage Schonfrist geben, sondern sofort mit "großer Aufmerksamkeit verfolgen, dass das Gesamtgefüge nicht verletzt wird". Enttäuscht zeigte er sich von den Grünen, die allesamt für Weißmann stimmten. "Für uns ist die Unabhängigkeit des ORF zentral. Daher ist die Wahl heute ein Vertrauensvorschuss", erläuterte Lothar Lockl, der für die Grün-nahen Stiftungsräte spricht, die Entscheidung. Im Vorfeld der Wahl wurde kolportiert, dass sich die Grünen zwei Direktorenposten - Finanzen und Programm - für die Stimmen auf die Fahnen heften könnten. "Ich halte diese Zuschreibungen für eine Unkultur. Es wird keine Posten für irgendwelche Parteien geben. Ich möchte das starke, anerkannte, höchst kompetente Personen im Direktorium sind", so Lockl.

"Mein Wahlergebnis nehme ich ohne Enttäuschung zur Kenntnis. Die politischen Freundeskreise haben ihre jeweiligen Favoriten unterstützt, für unabhängige Kandidaten wie mich ist es da schwierig durchzukommen", reagierte ORF-Vize-Technikdirektor Thomas Prantner, der ohne Stimmen ausgegangen war. Weißmann hatte den gesamten bürgerlichen "Freundeskreis", die grün-nahen Stiftungsräte, als auch mehrere unabhängige Räte, die von den derzeitigen Regierungsparteien sowie dem ORF-Zentralbetriebsrat entsandt wurden, hinter sich vereint. Wrabetz erhielt sechs Stimmen. Dabei stimmte der SPÖ-"Freundeskreis" geschlossen für ihn. Die sechste Stimme stammt von Siggi Neuschitzer. ORF-1-Channelmanagerin Lisa Totzauer, die sich nach der Wahl nicht zu Wort meldete, kam auf 5 Stimmen - davon drei von FPÖ-nahen Stiftungsräten, eine der von den NEOS entsandten Rätin Anita Zielina sowie die ORF-Zentralbetriebsrätin Christiana Jankovics. Harald Thoma erhielt wie Prantner keine Stimmen.

Kritik kam nach der Wahl von SPÖ, NEOS, FPÖ sowie Vertretern des Antikorruptionsbegehrens. SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried sprach von einem "abgemachten Deal" und warnte vor "türkiser Message Control". SP-Generalsekretär Christian Deutsch kritisierte: "Die Mediendompteure im Kanzleramt haben ganze Arbeit geleistet und die Bestellung des Wunschkandidaten von Kanzler Kurz unter dem Beifall der grünen Statisten durchgepeitscht."

Deftige Worte fand FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker: "Nach dem Innen-, dem Justiz- und dem Finanzministerium krallt sich die türkise ÖVP in ihrem Machtrausch jetzt nach der 'Kronenzeitung' auch noch den ORF und setzt mit Roland Weißmann einen willfährigen Vollstrecker der türkisen 'Message-Control' als Generaldirektor ein. Die Grünen, als türkise Bettvorleger, machen gute Miene zum bösen Spiel und werden dafür mit zwei Direktorenpöstchen belohnt", so der FP-Abgeordnete. In eine ähnliche Kritikkerbe schlug Barbara Nepp als Sprecherin der FPÖ-nahen Stiftungsräte. Auch NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter kritisierte das Zustandekommen des Wahlergebnisses: "Die Zeiten politischer Einflussnahme auf den Sender über parteipolitisch gelenkte Stiftungsräte muss endlich vorbei sein", betonte sie. Die von den NEOS entsandte Stiftungsrätin Anita Zielina erklärte ihre Entscheidung für Totzauer auf Twitter. "Ich fand ihr transparentes Bewerbungsvorgehen, ihr Bekenntnis zu einem unabhängigen ORF, ihren starken Fokus auf die SeherInnen/HörerInnen/NutzerInnen und ihr Gesamtkonzept überzeugen", schrieb sie.

ÖVP-Mediensprecher und Generalsekretär Axel Melchior Kritik wies die Kritik zurück und zeigte sich insbesondere über die SPÖ verärgert: Diese habe "einmal mehr bewiesen, dass sie wie immer jemanden mit rotem Parteibuch an der Spitze des ORF wollte". Auch die Mediensprecherin der Grünen, Eva Blimlinger, dankte Wrabetz und machte zugleich in Hinblick des neubestellten Nachfolgers deutlich: "Bereits im September, bei der Bestellung des Direktoriums und der Landesdirektor:innen, hat Weißmann Gelegenheit, sein angekündigtes Programm in die Tat umzusetzen: Geschlechtergerechtigkeit und Diversität."

Scharfe Kritik an der Wahl übte das Rechtsstaat & Anti-Korruptionsvolksbegehren: Als "fragwürdiges Schauspiel" bezeichnete Irmgard Griss die Vorgänge der vergangenen Wochen. Die IG Autorinnen Autoren beklagte, dass der neue ORF-Generaldirektor in seiner Präsentation auf die Kunst und Kultur vergessen habe und forderte von Weißmann entsprechende Schritte ein. Gratulationen an Weißmann kamen vom Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ), wo man auf weitere gute Zusammenarbeit baut. Auch die Österreichische Filmwirtschaft gratulierte und sah mit dem neuen Generaldirektor "eine Fortsetzung einer erfolgreichen Zusammenarbeit gewährleistet".

Das nächste wichtige Datum ist der 16. September, wenn der Stiftungsrat die zentralen Direktoren und Landesdirektoren bestellt. Weißmann, der die jetzige Geschäftsverteilung beibehalten will, tritt sein Amt am 1. Jänner 2022 an.

ribbon Zusammenfassung
  • Damit löst er am 1. Jänner 2022 Alexander Wrabetz nach drei Funktionsperioden ab.
  • Der von der ÖVP favorisierte Kandidat erreichte im obersten ORF-Aufsichtsgremium mit türkis-grüner Unterstützung 24 von 35 Stimmen.
  • Enttäuscht zeigte er sich von den Grünen, die allesamt für Weißmann stimmten.
  • Im Vorfeld der Wahl wurde kolportiert, dass sich die Grünen zwei Direktorenposten - Finanzen und Programm - für die Stimmen auf die Fahnen heften könnten.

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