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mumok-Chefin Kraus: "Es ist schwierig, so eine Funktion zu übergeben"

Heute, 17:00 · Lesedauer 6 min

Nach 15 Jahren übergibt mumok-Generaldirektorin Karola Kraus Ende September an ihre Nachfolgerin Fatima Hellberg. Die Ausstellung "Tobias Pils. Shh", die sie am 26. September eröffnet, wird die letzte Schau ihrer Amtszeit sein. Im Gespräch mit der APA blickt sie zurück und nach vor. Persönlich plane sie zunächst, "einfach das Leben zu genießen", sagt sie, internationale politische Entwicklungen machen ihr Angst.

APA: Frau Kraus, welche Gefühle sind denn in diesen letzten Wochen Ihrer 15-jährigen Amtszeit vorherrschend?

Karola Kraus: Momentan komme ich nicht dazu, an meine Gefühlswelt zu denken, weil ich noch so viel zu tun haben. Es müssen die Abschiedsfeierlichkeiten organisiert werden, und am Montag bekomme ich das Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst erster Klasse verliehen. Und dann gilt es, meine letzte Ausstellung vorzubereiten. Es ist die erste große institutionelle Einzelausstellung, die Tobias Pils in Österreich hat. Mit der Schau, die am 26. September eröffnet, schließt sich sehr schön ein Bogen, denn die erste Ausstellung meiner Direktion war Florian Pumhösl gewidmet. Seither haben wir in regelmäßigen Abständen österreichischen Künstlerinnen und Künstlern große Midcareer-Ausstellungen ausgerichtet. - Aber eigentlich fragen mich ja alle, die mir begegnen, als Erstes danach, was ich nachher mache - weil sich niemand vorstellen kann, dass ich von 100 auf 0 reduziere ...

APA: Und?

Kraus: Momentan plane ich tatsächlich einmal, gar nichts zu machen und einfach das Leben zu genießen - und dann schauen wir weiter.

APA: Wenn man auf diese 15 Jahre zurückblickt, fällt einem sofort etwas Nicht-Künstlerisches ein: Es ist Ihnen die Generalsanierung des Hauses gelungen.

Kraus: Ja, ich kann sagen, dass ich meiner Nachfolgerin ein rundum saniertes Haus übergebe. Wir haben etwa ein neues Dach bekommen, denn das war von Anfang an undicht. Wir haben das nie aktiv kommuniziert, weil nie etwas zu Schaden kam. Wir haben komplett den Brandschutz saniert, alle anderen Sicherheitsvorkehrungen erneuert und die gesamte Lichtanlage auf LED umgestellt. Das Haus ist rundum durchsaniert, und ich denke, die nächsten 25 Jahre ist es voll funktionsfähig. Es war sehr sportlich, und wir sind überaus stolz darauf, dass wir das in sechs Monaten geschafft und das Budget eingehalten haben. Beim Ludwig Forum Aachen rechnet man für die Sanierung mit einem Minimum von drei Jahren Schließung, beim Centre Pompidou sind es fünf Jahre.

APA: Die Bestellung von Manuela Ammer zur Chefkuratorin und von Heike Eipeldauer zur stellvertretenden wissenschaftlichen Leiterin haben Sie ohne Absprache mit Ihrer Nachfolgerin vorgenommen. Wollten Sie für das Haus Weichenstellungen vornehmen, die noch ein wenig über Ihre eigene Amtszeit hinaus reichen?

Kraus: In einem Haus wie diesem, gibt es tagtäglich Personalentscheidungen zu treffen. Wir haben 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Rainer Fuchs ist im Mai 2024 als Chefkurator ausgeschieden, und ich wollte diese Position nicht eineinhalb Jahre vakant lassen. Die Stellvertreterin ist an das Amt der jeweiligen Direktorin gebunden. Es obliegt also meiner Nachfolgerin, wie sie mit diesem Thema umgeht.

APA: Wie gestaltet sich die Amtsübergabe atmosphärisch?

Kraus: Prinzipiell ist es sehr schwierig, so eine Funktion zu übergeben, weil jede und jeder ihre bzw. seine eigene Handschrift hat. Aber natürlich treffen wir uns und besprechen die wichtigen Parameter. Fatima Hellberg kann mich fragen, was sie will, und bekommt adäquate Antworten.

APA: Bei ihrer Präsentation betonte Fatima Hellberg den "Geist der Lebendigkeit", der in das Museum einziehen soll: "Meine Vision für mumok ist ein lebendiges Museum." Was ist Ihnen da durch den Kopf gegangen?

Kraus: Wir sind ein sehr lebendiges Museum und haben viele Kooperationen. Wir haben das mumok in den letzten Jahren in alle Richtungen geöffnet. Für mich war gerade der bildungspolitische Auftrag, die Vermittlung, sehr wichtig. Wir haben Zugangsbarrieren auf unterschiedlichsten Ebenen abgebaut und Inklusion gefördert, auch die Vermittlung digitaler Skills. Ich denke, das ist uns sehr gut gelungen. Wir haben viele Förderprojekte im Vermittlungsbereich angestoßen, auch in enger Zusammenarbeit mit internationalen Partnern. Wir sind das einzige Museum in Österreich und ich glaube auch international, das in der Kunstvermittlung den Bereich "creative learning" etabliert hat. Dabei bringen wir Kindern und Erwachsenen mit der Programmiersprache Scratch in Zusammenhang mit unseren Sammlungsobjekten das Programmieren bei. Rundum lebendig also. Wenn es aber noch lebendiger werden sollte, freue ich mich natürlich.

APA: Sie haben sich in einer Ausstellungsserie mit Ihren Vorgängern beschäftigt. Derzeit läuft mit "Nie endgültig! Das Museum im Wandel" eine Schau, die sich der Direktion von Dieter Ronte (1979-1989) widmet. Er sieht die Zukunft von Kunstmuseen angesichts von Politikern, die immer weniger Interesse an der Kunst hätten, düster: "Wir werden viel mehr zu kämpfen haben!", meinte Ronte.

Kraus: Die Ausstellung hat einen großen Lesebereich, und wann immer ich durch die Ausstellung gehe, sitzen Menschen an den Tischen und recherchieren über die damalige Zeit. Es gibt auch Radiosendungen zu hören, wo heftig gestritten wird. Diese öffentlichen Debatten finden heute nicht mehr in dieser Heftigkeit statt, und auch deshalb war es uns wichtig, in unseren Ausstellungen gesellschaftspolitische Themen aufzeigen - etwa in "Mapping the 60s", wo viele Themen angerissen werden, die heute leider wieder brisant und aktuell sind.

APA: Seit dem Hamas-Überfall ist die Palästina-Frage ganz stark auch im Kunstbereich präsent, und in den USA versucht Donald Trump gerade, Museen ideologisch auf eine Linie zu bringen.

Kraus: Ja, das sind international virulente Themen. Und es ist die Aufgabe der zeitgenössischen Kunst, auf gesellschaftsrelevante Themen aufmerksam zu machen. Das sehen wir als unsere vordringliche Aufgabe. In der Ausstellung "Die Welt von morgen wird eine weitere Gegenwart gewesen sein" zeigen wir etwa die Skulptur "La Négresse blonde II" von Constantin Brâncuși. So eine Arbeit muss heutzutage kontextualisiert werden, um Missverständnissen vorzubeugen. International gibt es eine gewisse Cancel Culture, die bestimmt, was man zeigen und was man nicht mehr zeigen darf. Wir haben mit der FPÖ ja auch hierzulande gesehen, in welche Richtung das gehen kann.

APA: "Die Freiheit der Kunst ist auch die Freiheit aller", hieß es in einem Aufruf, den Sie vor der Nationalratswahl mit Kolleginnen und Kollegen unterzeichnet haben. Darin haben Sie dazu aufgerufen, "ein Zeichen für eine lebendige, vielfältige und kritikfähige Demokratie in unserem Land" zu setzen. In den anschließenden Koalitionsverhandlungen der FPÖ hat man in Tonalität wie Themensetzung eine Ahnung davon bekommen, was alles möglich sein könnte. Ist das überwunden oder nur aufgeschoben?

Kraus: Ich denke, es ist aufgeschoben. Wenn ich in die USA oder in die Türkei schaue: Das macht mir schon Angst. In Österreich hat man heute die Freiheit, wichtige gesellschaftliche Themen künstlerisch auszudrücken und zu präsentieren. Ich kann nur hoffen, dass es so bleibt.

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

ZUR PERSON: Karola Kraus, geboren 1961 in St. Georgen im Schwarzwald, arbeitete zunächst für die Sammlung Daxer und die Künstlerin Katharina Sieverding. Sie war Mitbegründerin der INIT-Kunsthalle in Berlin und leitete den Kunstverein Braunschweig sowie die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden. Seit 2010 ist Karola Kraus Generaldirektorin und wissenschaftliche Geschäftsführerin des mumok, des Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, im Wiener Museumsquartier.

Zusammenfassung
  • Karola Kraus übergibt nach 15 Jahren als Generaldirektorin das mumok Ende September an ihre Nachfolgerin Fatima Hellberg.
  • Die letzte Ausstellung von Kraus, 'Tobias Pils. Shh', wird am 26. September eröffnet und bildet einen Abschluss ihrer Amtszeit.
  • Während ihrer Leitung wurde das mumok umfassend generalsaniert, inklusive neuem Dach, modernem Brandschutz und LED-Lichtanlage, und bleibt für die nächsten 25 Jahre voll funktionsfähig.
  • Mit 140 Mitarbeitenden traf Kraus wichtige Personalentscheidungen, etwa die Bestellung von Manuela Ammer zur Chefkuratorin, und beschreibt die Amtsübergabe als offen, aber herausfordernd.
  • Kraus betont die gesellschaftspolitische Verantwortung von Museen, äußert Sorgen über internationale politische Entwicklungen und hebt die Bedeutung von Inklusion und innovativer Kunstvermittlung wie 'creative learning' hervor.