Krieg und Frieden, Kaffee und LED in der Secession
"Fische sind ins Meer gefaltet wie das Meer in die Fische" nennt die in Berlin und Wien lebende österreichische Künstlerin Ariane Mueller ihre Schau im Hauptraum, der für sie in "Krieg und Frieden" geteilt ist. Links hängen großformatige Landschafts- und Naturdarstellungen, in denen Paul Cézanne ebenso seine Spurten hinterlassen hat wie der chinesische Maler Shi-Tao. Dass sie mit diesen menschenleeren Bildern, in denen auch immer wieder bewusst Leerstellen enthalten sind, auf den Ukraine-Krieg reagiert hat, der just dann begonnen wurde, als sie sich in Paris mit der Entstehung von Picassos ikonischem Antikriegsgemälde "Guernica" befasste, erklärte die Künstlerin bei der Presseführung am Dienstag so: "Krieg ist immer eine Zeit des Konservativismus." Das gelte für die Kunst wie für die Gesellschaft. Wer könne, ziehe sich aufs Land zurück und setzte dem Wahnsinn der Schlachtfelder seine eigene Idylle entgegen.
Die rechte, dem Frieden gewidmete Hälfte des Raums wird von gefalteten Paravents bestimmt. In diesem labyrinthischen Parcours sind Videos zu sehen, "die von Zusammenarbeit erzählen". "Die Videos zeigen Tätigkeiten, denen man sich widmen kann, wenn Dinge nicht ergebnisorientiert oder dringlich geschehen müssen, sondern Raum für Experiment, für Engagement, für Frei-Zeit, für 'Nicht-Arbeit' besteht. Was die Kunst angesichts einer krisenhaften Gegenwart tun kann, steckt dabei als Frage in jedem Winkel der Ausstellung", erläutert der Pressetext zu der von Jeanette Pacher kuratierten Schau.
In der Galerie im Unterschoß hat der in Berlin lebende Kanadier Jeremy Shaw mit unbehandelten und nur roh verputzten Trockenbauwänden ein bewusst unfertig wirkendes Ambiente für seine Ausstellung "Towards Logarithmic Delay" geschaffen. Zu sehen sind drei neue skulpturale Arbeiten, die nicht nur vom Subtext leben, sondern auch unmittelbar Wirkung entfalten. "Maximum Horizon" ist eine dreiteilige Buntglasarbeit, die an Kirchenfenster erinnert und den Betrachter von Gelb über Orange und Rot in eine schwarze Mitte hineinzieht. "In einer Verschmelzung der Erhabenheit religiöser Ikonografie mit popkulturellen Darstellungen digitaler Horizonte verbindet Maximum Horizon sakrale und weltliche Elemente, um das Potenzial moderner technologiegetriebener Glaubenssysteme und ihr Streben nach dem Unendlichen ins Bild zu setzen", heißt es dazu im Beipacktext.
Im Nebenraum sind für "The Distance Between Infinite Folds Is Still You" drei "Klein'sche Flaschen", sonst in Labors genutzte Glasbehälter, zu einem Dreieck miteinander verbunden. Bei den in ihrem Inneren sichtbaren Rückständen handle es sich um Dimethyltryptamin, eine Substanz mit extremer psychedelischer Wirkung, erfährt man. Viel unmittelbarer in der Wirkung ist dagegen "Devotion Structure (Accumulated)" im letzten Raum: In 247 mundgeblasenen roten Kerzenhaltern befinden sich flackernde LED-Kerzen. Shaw arbeitet auch mit Paraffingeruch und mit einem Soundteppich, der sich in einem Vier-Minuten-Loop in Kombination mit einer Choreografie der LED-Flammen zu einem wahren Crescendo steigert - ein "animiertes Wurmloch" (Kurator Damian Lentini) mit einer Wirkung zwischen Katharsis und Geisterbahn.
Intensiver Kaffeegeruch im Grafischen Kabinett
Intensiver Kaffeegeruch empfängt einen dann, wenn man die Treppen zum Grafischen Kabinett emporsteigt. Der in Ruanda geborene und in Bologna lebende Künstler Francis Offman hat die Wände des Aufgangs mit getrocknetem Kaffeesatz bedeckt und nimmt dabei Bezug auf die koloniale Vergangenheit seines Heimatlandes, wo Kaffee ausschließlich für den Export angebaut wurde. Seine "Weaving Stories" (kuratiert von Bettina Spörr) erweisen sich dann als Assemblagen mit gefundenen und geschenkten Materialien, "die nicht nur Formen und Gesten hervorbringen, sondern auch individuelle Geschichten und kulturelle Kontexte in sich tragen".
(S E R V I C E - "Ariane Mueller. Fische sind ins Meer gefaltet wie das Meer in die Fische", "Jeremy Shaw. Towards Logarithmic Delay", "Francis Offman. Weaving Stories", Ausstellungen in der Secession, Wien 1, Friedrichstraße 12, 29.5. bis 31.8., Dienstag bis Sonntag 10 - 18 Uhr, www.secession.at)
Zusammenfassung
- In der Wiener Secession laufen vom 29. Mai bis 31. August drei Ausstellungen, die sich mit Themen wie Krieg und Frieden, Kolonialismus und Spiritualität beschäftigen.
- Ariane Mueller zeigt im Hauptraum großformatige Landschaftsbilder und Paravents, inspiriert vom Ukraine-Krieg, während Jeremy Shaw mit 247 LED-Kerzen und Buntglasarbeiten moderne Glaubenssysteme inszeniert.
- Francis Offman thematisiert im Grafischen Kabinett mit getrocknetem Kaffeesatz an den Wänden die koloniale Vergangenheit Ruandas und verbindet Materialien zu kulturellen Geschichten.