APA/APA/Theater an der Wien/Herwig Prammer

Korngolds "Stumme Serenade" in Wien zum Klingen gebracht

0

Ein nackter Po mit einer roten Rose an entscheidender Stelle wirbt seit einiger Zeit in Wien für die neueste Premiere an der Kammeroper. Den blanken Hintern gab es bei Erich Wolfgang Korngolds Operette "Die stumme Serenade" am gestrigen Montagabend dann zwar nicht auf der Bühne zu sehen, aber immerhin eine überdimensionale Brustprothese. Denn Hausdebütant Dirk Schmeding gelingt die freche Interpretation eines harmlosen Stücks bei dessen Erstaufführung in Österreich.

Das Markante an der "Stummen Serenade" ist nämlich vor allem eines: Dass sie so gar nicht nach Korngold oder seiner "Toten Stadt" klingt. Dabei stellt die musikalische Komödie das letzte Bühnenwerk des aus Österreich emigrierten Komponisten dar. Uraufgeführt wurde die Neo-Operette nach dem Weltkrieg 1954 in Dortmund und damit kurz vor dem Tod ihres Schöpfers 1957.

Und das war's dann auch für die nächsten Jahrzehnte - war der Nachklang der "Stummen Serenade" eben dies: Stumm. Dass das Werk nach der Premiere nicht wieder inszeniert wurde, verwundert nicht. Letztlich ist das Ganze wie ein Salzburger Nockerl - luftig und voller Luft, ein süßes Nichts, das klingt wie die ein halbes Jahrhundert davor entstandenen Arbeiten Lehárs oder Kálmáns, weniger wie die respektlosere Berliner Operette oder gar der Broadway, für den das Stück eigentlich geschrieben wurde.

Doch Regisseur Schmeding macht das Beste aus dem aus der Zeit gefallenen Stück, das von einem Bombenattentat auf den neapolitanischen Ministerpräsidenten handelt, in dessen Zuge der Verdacht auf einen Modeschöpfer fällt, der in die Verlobte des Politikers, eine berühmte Schauspielerin, verliebt ist. Ein paar Reisekoffer rahmen die von Pascal Seibicke gestaltete Bühne. Sie werden bisweilen als Spielräume verwendet, aber auch der Orchestergraben dient den Akteuren hie und da.

Dominant ist dabei die Wienerin Jasmina Sakr im Barbarella-Look und streckenweise samt der erwähnten Dekolleteeprothese, die Alexander Strobele in mehreren Frauenrollen mit laszivem Witz konkurrenziert, während Peter Bording den ebenso naiven wie liebenswerten Liebhaber gibt. Und schließlich wird das Ensemble durch einige bekannte Gesichter ergänzt wie Paul Schweinester in der Nebenrolle des Borzalino oder Stefano Bernardin in den Sprechpartien des Attentäters und des Ministerpräsidenten Lugarini, den er im Stile von Drahdiwaberl-Frontmann Stefan Weber anlegt.

Alle agieren mit Spielwitz und vollem Körpereinsatz (Wann bekommt man dieser Tage schon einmal Stepptanz zu sehen?!). Zugleich überzieht Regisseur Schmeding nicht, geht nicht zu sehr in den Klamauk, sondern bleibt charmant. Er bringt die "Stumme Serenade" zum Klingen.

(S E R V I C E - "Die stumme Serenade" von Erich Wolfgang Korngold in der Kammeroper, Fleischmarkt 24, 1010. Musikalische Leitung: Ingo Martin Stadtmüller, Inszenierung: Dirk Schmeding, Bühne/Kostüm: Pascal Seibicke. Mit Silvia Lombardi - Jasmina Sakr, Andrea Coclé - Peter Bording, Louise - Jenifer Lary, Sam Borzalino - Paul Schweinester, Benedetto Lugarini/Carlo Marcelini - Stefano Bernardin, Caretto - Reinwald Kranner, Bettina/Laura/Pater Orsenigo - Alexander Strobele, Mannequin 1 - Diana Bärhold, Mannequin 2/Dance Captain - Lilia Höfling, Mannequin 3 - Lucia Miorin. Weitere Aufführungen am 7., 9., 11., 14., 16., 18., 20., 23. und 25. Juni. www.theater-wien.at/de/spielplan/saison2022-23/71/Die-stumme-Serenade)

ribbon Zusammenfassung
  • Ein nackter Po mit einer roten Rose an entscheidender Stelle wirbt seit einiger Zeit in Wien für die neueste Premiere an der Kammeroper.
  • Denn Hausdebütant Dirk Schmeding gelingt die freche Interpretation eines harmlosen Stücks bei dessen Erstaufführung in Österreich.
  • Das Markante an der "Stummen Serenade" ist nämlich vor allem eines: Dass sie so gar nicht nach Korngold oder seiner "Toten Stadt" klingt.

Mehr aus Entertainment