APA/APA/Theater in der Josefstadt/Moritz Schell

Kammerspiele starten Saison mit düsterer "Dreigroschenoper"

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Auch am Theater kann gelten, was in der Küche zum guten Ton gehört: Ein gut abgelegenes Steak schmeckt einfach besser. So ergeht es auch der "Dreigroschenoper" von Bertolt Brecht und Kurt Weill in den Kammerspielen des Theaters in der Josefstadt. Die aufgrund der Corona-Pandemie in diese Saison verlegte Premiere der Inszenierung von Torsten Fischer ist seit der TV-Ausstrahlung im April gut gereift und zerging am Sonntagabend geschmeidig auf der Zunge.

Das Ensemble rund um Hausherr Herbert Föttinger und Maria Bill als Ehepaar Peachum kostete jede Faser des 1928 uraufgeführten Werks aus, (fast) jede Zutat war an ihrem Platz. Und so war man nach kurzweiligen zwei Stunden und 50 Minuten ehrlich erstaunt, dass der Teller schon leer war. Auf der kleinen Kammerspielbühne herrschte dank des aus mehreren schrägen Laufstegen bestehenden Bühnenbilds von Herbert Schäfer und Vasilis Triantafillopoulos große Dynamik, ohne die Darsteller gehetzt wirken zu lassen. Allein die Platzierung der neun Musiker in den Zwischenräumen der Stege nahm dem Klang hörbar das Volumen. Angesichts der Tatsache, dass die Bühne im Laufe des Abends von 15 Darstellern bespielt wurde, die in den zahlreichen etwas überchoreografierten Chorpassagen die kleine Bühne bevölkerten, hätte es aber auch schlimmer kommen können.

Umso kraftvoller kamen allerdings die Stimmen des Ensembles über die Rampe: Allen voran war Maria Bill in ihrem Bühnencomeback das stimmliche Rückgrat des Abends, was sie gleich zu Beginn beweisen konnte, als sie zur "Moritat von Mackie Messer" anhob, bevor sie sich als resche Ehefrau von Bettelmafioso Peachum entpuppte. Die zwischen Bürgerlichkeit und Unterwelt oszillierenden Eltern der frechen Polly, die soeben mit Todfeind Mackie Messer zum Altar geschritten ist, führen auch ihre Familie wie eine Firma, in der außer ihnen niemand etwas zu sagen hat.

Doch Polly pfeift sich nichts und feiert - umringt von der in Frack und Zylinder gewandeten Räuberbande - den vermeintlich schönsten Tag ihres Lebens. Swintha Gersthofer gibt die Peachum-Tochter als selbstbewusstes, aufmüpfiges Gör, das in der dann folgenden Not zur knallharten Business-Woman aufsteigt, die lediglich stimmlich nicht abendfüllend überzeugt. So ganz hat sie sich von Verbrecherkönig Macheath nicht um den Finger wickeln lassen. Den mit allen Wassern gewaschenen Filou legt Claudius von Stolzmann als zwischen Wahn und Witz balancierenden "Joker" mit langen Haaren, weiß geschminktem Gesicht und roten Lippen an, für den selbst die drohende Hinrichtung noch ein Spiel ist, das es einfach nur mit fiesen Tricks zu gewinnen gilt.

Dass die Frauen hier keine naiven Opfer sind, sondern sich schließlich miteinander gegen den Untreuen verbünden, kommt in den klamaukigsten Szenen des Abends zum Vorschein, wenn Polly und die Polizistentochter Lucy aufeinandertreffen. Letztere gibt Paula Nocker in ihrem Josefstadt-Debüt mit trockener Hysterie. Aus dem unscheinbaren - aber immerhin scheinbar schwangeren - Schulmädchen (in Uniform und großer Brille) wird bald eine berechnende Furie. Und die dritte Geliebte im Bunde? Ist mit Susa Meyer als Spelunken-Jenny hervorragend besetzt. Abgebrühter geht kaum.

Einzig die Entscheidung, die Ganoven (u.a. Anton Widauer, Paul Matic und Tamim Fattal) auch die in Strapse gewandeten Huren spielen zu lassen, war kein guter Schachzug der Regie. Das unbeholfene Herumstaksen versalzt die sonst so düster-bedrohliche Szenerie mit zu viel Lächerlichkeit. Hier hätte Fischer gut daran getan, die Bande zu verkleinern und dafür ein paar Statistinnen auf die Bühne zu holen, die der Ernsthaftigkeit der Inszenierung gerecht werden. Zu der ansonsten sehr gelungenen Besetzung zählen auch noch Dominic Oley als weinerlicher Polizeichef Brown sowie Marcello De Nardo als hyperaktiver Hochwürden Kimball.

Und so tut sich in den fast drei Stunden auf dieser kleinen Bühne derart viel Sehenswertes, dass man oft gar nicht weiß, wohin man den Blick nun richten soll. Allein der Kurzauftritt von Maria Bill als Queen Elizabeth, die der Hinrichtung des Verbrecherkönig beizuwohnen gedenkt, ist ein Kleinod. Nach diesem düster-schrillen Abend, der weniger auf die Frage zwischen Arm und Reich denn auf Sein und Schein fokussiert, kommt es, wie es kommen muss und der berittene Bote bringt die absurde Wendung des Stücks zu Gehör, bevor die Vertreter der Unterwelt sich lauernd auf den Weg machen, das jubelnde Kammerspielpublikum zu unterwandern...

(S E R V I C E - "Die Dreigroschenoper" von Bertolt Brecht (Text) und Kurt Weill (Musik), Regie: Torsten Fischer, Bühnenbild und Kostüme: Herbert Schäfer, Vasilis Triantafillopoulos, Musikalische Leitung: Christian Frank. Mit Herbert Föttinger - Peachum, Maria Bill - Frau Peachum, Swintha Gersthofer - Polly Peachum, Claudius von Stolzmann - Macheath, Dominic Oley - Brown, Paula Nocker - Lucy Brown, Susa Meyer - Spelunkenjenny, Marcello De Nardo - Hochwürden Kimball, sowie Tamim Fattal, Ljubiša Lupo Grujčić, Oliver Huether, Markus Kofler, Paul Matić, Alexander Strömer und Anton Widauer. Kammerspiele der Josefstadt. Weitere Termine: 6.-8., 27. und 28. September, 4.-6., 30. und 31. Oktober, 1., 2., 12.-14., 18. und 19. November. Tickets und Infos unter www.josefstadt.org)

ribbon Zusammenfassung
  • So ergeht es auch der "Dreigroschenoper" von Bertolt Brecht und Kurt Weill in den Kammerspielen des Theaters in der Josefstadt.
  • Die aufgrund der Corona-Pandemie in diese Saison verlegte Premiere der Inszenierung von Torsten Fischer ist seit der TV-Ausstrahlung im April gut gereift und zerging am Sonntagabend geschmeidig auf der Zunge.
  • So ganz hat sie sich von Verbrecherkönig Macheath nicht um den Finger wickeln lassen.

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