APA/ROBERT JAEGER

Ina Regen serviert auf Album "Rot" erneut Dialektpop

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Ina Regen kann stolz sein: Mit ihrem 2018 veröffentlichten Debüt "Klee" erreichte sie die Spitze der heimischen Charts und wurde mit einem Amadeus Austrian Music Award ausgezeichnet. Nun legt die oberösterreichische Sängerin, die ihren Durchbruch allen voran der Single "Wie a Kind" zu verdanken hat, nach und serviert auf "Rot" erneut Dialektpop zwischen Moderne und Reduktion. Mit der APA sprach sie über Selbstzweifel, rote Fäden und kreative Partnerschaften.

APA: Die vergangenen Jahre waren äußerst erfolgreich für Sie. Haben Sie deshalb für Ihr zweites Album einen besonderen Druck verspürt?

Ina Regen: Ja, ich habe mich aber bewusst dafür entschieden herauszufinden, woher er herkommt und wie ich damit umgehe. Gedanklich habe ich mich damit beschäftigt, warum ich überhaupt Musik machen will und was es ist, das so in mir beschützt ist - unabhängig von dem, wie das rundherum wahrgenommen wird. Ich versuche immer wieder, mich von diesem ganzen Trubel zu befreien und mich zu fragen: Wer bin ich im Kern, warum mache ich Musik, und wie soll sie klingen? Wenn es um die Frage geht, ob ich ein zweites "Wie a Kind" schreibe, dann ist die Wahrheit: Nein. Jeder meiner Songs soll ganz rein herauskommen dürfen, ohne irgendwelche Erwartungen und Anforderungen.

APA: In dieser Zeit ist naturgemäß auch viel auf Sie eingeprasselt. Wie gehen Sie damit um?

Regen: Speziell in den ersten Monaten nach dem Release von "Wie a Kind" hat es mich hin und her gerissen. Irgendwann wächst man aber auch in diese Rolle und diesen neuen Lebensaspekt hinein. Jetzt muss ich fairerweise sagen: Dieses Jahr Auszeit hat mir gut getan, so dass ich mich wieder sammeln konnte. Es war wie eine Zwischenzäsur. Jetzt habe ich wieder die Kraft, alle Sinne beieinanderzuhaben und kann das auch zeigen. Mein Leben hat natürlich in den vergangenen fünf Jahren mehrere Purzelbäume gemacht - zunächst ohne Öffentlichkeit, dann mit. Es sind einige Träume in Erfüllung gegangen, was extrem schön ist, aber auch fordernd.

APA: Dementsprechend können Sie jetzt aber sehr selbstbewusst auftreten, oder bleibt man bis zu einem gewissen Grad immer auch fremdbestimmt?

Regen: Natürlich gibt es diese Momente. Je größer ein Projekt wird, umso weniger kann man alles bei sich entscheiden - schon alleine vom Arbeitspensum her. In meinem Hintergrund sind es schon richtig viele Menschen, die mitarbeiten. Aber im künstlerischen Kern versuche ich wahnsinnig selbstbestimmt zu sein, was mir auch ganz gut gelingt. Den beschützte ich wie eine Löwin! Was aber nicht bedeutet, dass ich mich frei fühle von Selbstzweifeln. Ein kreativer Schaffensprozess ist ja nicht nur ein rosaroter Luftballon, natürlich muss man da kritisch mit sich selber sein. Das braucht viel Fingerspitzengefühl.

APA: Ein gutes Gefühl liefert wohl die Zusammenarbeit mit Florian Cojocaru, der erneut an allen Stücken mitgeschrieben und sie produziert hat. War es von Anfang an klar, dass es mit ihm weitergehen wird?

Regen: Ja. Für mich sind wir beide das Kreativteam hinter dem Projekt Ina Regen. Ich finde es extrem wertvoll und wichtig, dass ich jemanden habe, auf den ich mich so verlassen kann und der dieselben Visionen teilt. Wir sind so ehrgeizig, dass wir uns immer wieder neu erfinden wollen: Er als Produzent und Liedschreiber, und ich als Sängerin und Liedschreiberin. Deswegen funktioniert diese Zusammenarbeit so gut.

APA: Wie sind Sie das neue Album angegangen?

Regen: Es war noch vor Veröffentlichung von "Klee", dass ich unbedingt eine Schreibsession machen wollte, um mir zu zeigen, dass ich es kann. Das Lied, das dabei entstanden ist, war tatsächlich das Titelstück von "Rot". Trotzdem hat uns der Song zwei Jahre lang gequält, mit einem Augenzwinkern. Weil es schwer war, eine Geschichte zu finden, die das zum Ausdruck bringt, was wir erzählen wollten. Der Song hat aber auch gezeigt, was die Themen sind, die mich interessieren. Der rote Faden ist mir dann beim Tagebuchschreiben klarer geworden: Dass es eine Betrachtung von Menschsein ist, die dieses Album anstellt. Einerseits mein ganz persönliches Menschsein: Was sind die Personen und Erfahrungen, die mich geprägt haben? Aber bewusst auch der Blick hinaus in etwas Größeres: Wer sind wir als Menschheit, was haben wir erreicht, und was müssen wir echt noch lernen?

APA: Wie leicht oder schwer fällt es Ihnen, sehr persönliche Dinge über die Musik zu teilen?

Regen: Da bin ich hineingewachsen über die Jahre. Wie kann man authentisch sein, wenn man auf die Bühne vor Hunderte oder Tausende Zuhörer geht? Die Dinge, die mich beschäftigen, sind aber auch jene, die andere Menschen berühren. Die Kunst schützt mich letztlich davor, dass es allzu privat wird, sondern dass ich es durch das poetische Verpacken schaffe, dass nur ich weiß, was die Wirklichkeit ist. Andererseits mache ich immer mehr die Erfahrung, dass die Menschen in den Texten viel mehr sich selber hören als mich.

APA: In "Macarena" verarbeiten Sie den Suizid eines Freundes in Jugendzeiten. Wie lassen sich dafür die richtigen Worte finden?

Regen: Wir texten und tüfteln sehr, sehr lange. Als die ersten Zeilen von "Macarena" kamen, wusste ich noch gar nicht, was das Thema wird - das hat sich erst Stück für Stück offenbart. Als mir klar war, welche Lebenserfahrung von mir sich da offenbaren möchte, bin ich ehrlicherweise zurückgeschreckt und habe den ersten Entwurf liegen gelassen. Ist das ein Lied nur für mich, oder will ich das mit der Öffentlichkeit teilen? Die Entscheidung ist dann deswegen für die Veröffentlichung ausgefallen, weil ich mich erinnern konnte, wie allein ich mich damals gefühlt habe. Es gab niemand mit einer ähnlichen Trauererfahrung in meinem Umfeld, und erstmals hat mich damals - ich war 17 - auch die Musik im Stich gelassen, weil ich keine Songs gefunden habe, die mich aufgefangen hätten. Dabei war die Musik in jenen Jahren immer ein sicherer Hafen für mich. Also war meine Überlegung, wenn ich nur einem Menschen sagen kann, du bist nicht allein, ist schon viel erreicht. Und die Reaktionen waren überwältigend.

APA: Stücke wie "Neon" kommen als sehr moderner Pop daher. Ist das für Sie auch gewissermaßen das Verlassen der Komfortzone?

Regen: Sehr! Als wir begonnen haben, war meine Ansage: Ich will keine Liebeslieder und kleine Balladen schreiben. Ich hatte das Gefühl, dass das am ehesten die Erwartungshaltung ist, die man mit einer Frau meines Alters mit der Art von Musik verbindet. Sich selbst zum Künstler machen, bedeutet ja auch, mit Erwartungen zu brechen oder im Prozess zu versuchen, absichtlich dagegen zu gehen. Dass es im Ergebnis dann oft gar nicht mehr so hart bleibt, das zeigt auch dieses Album. Aber als Konzept war das wichtig für uns. Auch in der Produktion zu sagen: Ina Regen wird zwar wahrgenommen als das Mädchen am Klavier, aber wie könnte es noch klingen? Musikalisch sitzt dieses Projekt ohnehin zwischen den Stühlen. Also ist das das Territorium, das wir erobern wollen.

ribbon Zusammenfassung
  • Ina Regen kann stolz sein: Mit ihrem 2018 veröffentlichten Debüt "Klee" erreichte sie die Spitze der heimischen Charts und wurde mit einem Amadeus Austrian Music Award ausgezeichnet.
  • Nun legt die oberösterreichische Sängerin, die ihren Durchbruch allen voran der Single "Wie a Kind" zu verdanken hat, nach und serviert auf "Rot" erneut Dialektpop zwischen Moderne und Reduktion.

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