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"Idiot Prayer": Nick Caves Coronasolo als intime Platte

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Es war mitten im Sommer, als Teile der "alten Normalität" wieder greifbar waren, ein großer Teil jedoch immer noch fehlte: Livekonzerte. Und so war es ein singuläres Erlebnis, als Nick Cave am 23. Juli ein Streamingevent lieferte, das alle Wohnzimmerkonzerte in den Schatten stellte: "Idiot Prayer - Nick Cave Alone at Alexandra Palace" bot genau das - den Künstler allein am Flügel in einem leeren Londoner Konzertsaal. Nun erscheint die Aufzeichnung als Album.

Eigentlich hätten sich Fans am 5. November in den Kinos des Landes einfinden können, um das Ereignis auf der großen Leinwand erleben zu können. Daraus wurde dank der erneuten Maßnahmen gegen das Coronavirus nichts. Umso mehr wird die CD-Veröffentlichung nun zu einem Ereignis. 22 Songs umfasst das Album, das weit mehr ist, als ein Livemitschnitt, wie man ihn aus früheren Zeiten kennt. Wer hätte gedacht, dass absolute Leere sowohl auf der Bühne als auch im Zuschauerraum tatsächlich hörbar sein könnte? Das Verhallen der Klänge, die Berührung der Tasten, das Atmen vor dem Mikrofon oder das Umblättern der Noten - "Idiot Prayer" bringt ein Musikerlebnis, das an Intimität nicht zu überbieten ist.

Dabei beginnt es zunächst mal ganz ohne Musik: Der 63-jährige Australier startet mit der Rezitation der Lyrics von "Spinning Song" in die Stille hinein, bevor er mit "Idiot Prayer" aus dem Nick Cave & the Bad Seeds-Album "The Boatman's Call" aus dem Jahr 1997 loslegt - freilich lediglich am Klavier begleitet. Da bekommen Zeilen wie "If what they say around here is true / Then we'll meet again / Me and you" gleich eine neue Bedeutung für das abwesende Publikum. Auch wer gedacht hätte, dass "Sad Waters" aus 1986 schon reduziert dahergekommen wäre, wird von der Soloklavier-Version noch einmal überrascht.

Insgesamt unternimmt Cave für sein Coronakonzert einen Streifzug von frühen Bad Seeds- und Grinderman-Kompositionen bis hin zum aktuellen Nick Cave & The Bad Seeds-Album "Ghosteen". Pate für die nunmehrigen Klavierversionen standen frühere "Conversations With..."-Abende: "Ich habe es geliebt, dekonstruierte Versionen meiner Songs zu singen, sie zu ihren essenziellen Formen zu destillieren", wird Cave im Pressetext zitiert. Er habe diese Versionen immer schon auch im Studio aufnehmen wollen. Während der Coronapandemie sei er in eine "selbstreflexive Stille" verfallen, in der ihm die Idee gekommen sein, die Songs nicht nur aufzunehmen, sondern gleich einen ganzen Film zu produzieren.

Und gerade als man denkt, dass es intimer nicht mehr geht, sorgt Cave mit "Girl In Amber" und "Waiting For You" für noch mehr Gänsehaut. Die beiden Lieder stammen aus aktuelleren Alben, die der Musiker seinem bei einem Unfall getöteten Sohn Arthur widmete. Natürlich finden sich auf "Idiot Prayer" auch Hits wie "Into My Arms" oder "The Ship Song". "Idiot Prayer" wird damit zum dritten Cave-Film in einer Trilogie, nach "20.000 Days On Earth" (2014) und "One More Time With Feeling" (2016). Bleibt zu hoffen, dass das Kinoevent irgendwann noch nachgeholt werden kann.

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  • Es war mitten im Sommer, als Teile der "alten Normalität" wieder greifbar waren, ein großer Teil jedoch immer noch fehlte: Livekonzerte.

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