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Gunkl gibt in neuem Solo wieder den pointierten Welterklärer

"Es gibt das Banach-Tarski-Paradoxon." So lautet der erste Satz des neuen Programms - und schon ist man eiskalt hineingestoßen worden in das Denkuniversum von Günther Paal alias Gunkl. Der Philosoph unter den Kabarettisten, der mit dieser Zuschreibung hadert, weil "der Kabarettist unter den Philosophen ist auch kein Kabarettist", macht in seinem 14. Solo das, wofür man ihn kennt. Er zelebriert die Lust am anspruchsvollen Verzetteln. Das macht Spaß, aber nicht nur.

Wobei diese Uneindeutigkeit durchaus im Gunkl'schen Sinn zu sein scheint. "Nicht nur, sondern nur auch" hat er seinen jüngsten Streich, der am Dienstag im Wiener Stadtsaal Premiere hatte, genannt. Es ist auch ein Plädoyer für die Unschärfe und gegen den Versuch, die Welt allein durch ein gültiges Konzept zu beschreiben; eine Absage an Extrempositionen durch Gruppen, die für sich in Anspruch nehmen, die Wahrheit gepachtet zu haben und ihre Rechtschaffenheit daraus ableiten, jeweils "nicht die da drüben" zu sein. "Jede Aufzählung, in der die Rubrik 'Sonstige' fehlt, ist unvollständig", resümiert der Humorist.

Aus der Sparte "Sonstiges" hat der Abend jedenfalls viel zu bieten - das wird schon am Beginn klar. Während man gerade darüber zu grübeln beginnt, ob man "Banach-Tarski-Paradoxon" rein akustisch richtig verstanden haben könnte, ist Gunkl schon bei Verschwörungstheorien, zerlegt die Vokabeln "Können", "Wollen" und "Mögen", gesteht als bekennender "Aspergerianer", die Menschheit mehr zu mögen als die Menschen, sagt den schönen Satz "Ich habe eine größere Nähe zur Distanz" und bekennt, "nach den ersten sieben Minuten schon aus dem gerutscht" zu sein, "was eine Spur hätte ergeben können".

Einmal mehr wird klar: Gunkl, der seit fast drei Jahrzehnten auf der Kleinkunstbühne steht und zuletzt in fast sklavischem Rhythmus alle drei Jahre ein neues Programm geschrieben hat, ist kein Entertainer für Denkfaule. Mit seinen in geschliffenen Schachtelsätzen vorgetragenen, fast schon zur Trademark gewordenen Abschweifungen mäandert er auch diesmal durch ein weites Themenfeld zwischen Philosophie und Naturwissenschaft und strapaziert dabei die Gehirnwindungen des Publikums ziemlich ordentlich.

Apropos Ordnung: Um die geht es in den rund zwei Stunden Netto-Spielzeit - die Pause verschafft dem rauchenden Kopf zumindest ein bisschen Abkühlung - auch, immerhin wird per Untertitel "ein ziemlich ungeordneter Versuch, über Ordnung zu reden" in Aussicht gestellt. Ordnung, erklärt Gunkl, entsteht - "ziemlich unsympathisch, ich weiß" - durch Trennung, mündet aber leider schnell in Hierarchie. Ein gleichwertiges Nebeneinander wäre da schon besser, schlägt der Kabarettist eine Brücke zum Ordnungsprinzip von Werkzeug. Da werde nach Funktion sortiert. "Da ist nicht der Hobel, dem sich alle unterzuordnen haben."

Viel Werkzeug braucht Gunkl auf der Bühne jedenfalls nicht. Purismus ist angesagt. Lichteffekte, Musik, Rollenrepertoire, Bühnenbild - das alles sucht man vergeblich. Wie man es von ihm gewohnt ist, steht er in Hemd und Hose und wie einzementiert im Scheinwerferlicht, gönnt sich höchstens ein paar Drehungen mit dem Oberkörper und erklärendes Gestikulieren mit den Händen, vertraut ansonsten aber allein auf seine sonore Stimme und was sie zu sagen hat. Immerhin will er den Damen und Herren im Saal beweisen, dass Erkenntnis ein "lustvoller Prozess" ist und "eine längere Aufmerksamkeitsspanne was bringt", wie er kürzlich im APA-Interview sagte.

Dass ein Dozieren ohne Punkt und Komma immer auch an der Grenze des Schulmeisterlichen schrammt, muss man hinnehmen. Gedankliche Ausflüge vom Jerusalem-Syndrom - "kein Stockholm-Syndrom für Leute, die's gern ein bisschen wärmer haben" -, über den Konnex zwischen Blödheit mit Hornhaut und das Weltbild der Stoiker bis zur Erklärung, warum es dank dem eröffnenden Banach-Tarski-Syndrom möglich ist, dass 1 gleich 2 ist, können mitunter auch Längen haben. Und den mathematisch-philosophischen Stunt am Schluss, dass es wegen der Riccati-Gleichung dann doch nicht wurscht ist, "dass es uns gibt", muss man auch erst einmal sickern lassen. Gunkl ist nicht nur, sondern nur auch lustig. Aber das ist in Ordnung.

(S E R V I C E - Gunkl: "Nicht nur, sondern nur auch - ein ziemlich ungeordneter Versuch, über Ordnung zu reden"; Nächste Vorstellungen: 21. September (Sparkassensaal Wiener Neustadt), 22. September (Stadtsaal Wien), 23. September (Kulisse Wien), 27. und 28. September (Treibhaus Innsbruck); alle Termine unter www.gunkl.at)

ribbon Zusammenfassung
  • So lautet der erste Satz des neuen Programms - und schon ist man eiskalt hineingestoßen worden in das Denkuniversum von Günther Paal alias Gunkl.
  • Wobei diese Uneindeutigkeit durchaus im Gunkl'schen Sinn zu sein scheint.
  • Aus der Sparte "Sonstiges" hat der Abend jedenfalls viel zu bieten - das wird schon am Beginn klar.
  • Ein gleichwertiges Nebeneinander wäre da schon besser, schlägt der Kabarettist eine Brücke zum Ordnungsprinzip von Werkzeug.