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"Götter, Helder und Verräter" hängen in der Albertina

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Er wolle "nicht abschrecken" vor dieser Ausstellung - das streicht Klaus Albrecht Schröder zur neuen Schau seines Hauses extra hervor. "Götter, Helden und Verräter" trumpft nicht mit großen Namen auf, sondern stellt das Historienbild um 1800 in den Mittelpunkt und lädt damit zur Entdeckungsreise in eine Zeit voller Pathos, Mythologie, Moral und schwer zu entziffernder Bildgeschichten. Und die Albertina erinnert dabei auch an ihre eigenen Anfänge.

Denn schließlich wurden fast alle 74 gezeigten Werke, entstanden zwischen 1760 und 1820 und damit in der Epoche des Klassizismus, von Herzog Albert von Sachsen-Teschen selbst erworben. Der Sammlungsgründer fungiere folglich neben Julia Zaunbauer gewissermaßen als zweiter Kurator, sprach der Generaldirektor am Donnerstag bei einer Presseführung von einer "unendlich außergewöhnlichen Ausstellung". Zustande gekommen ist sie nicht zuletzt deshalb, weil Schröder im ersten Corona-Lockdown Zeit hatte, sich durch etwa 60.000 Zeichnungen aus dem Bestand zu graben und dabei auf eine Vielzahl von Historienbilder gestoßen sei, wie er sich erinnerte.

Das Historienbild schöpfte aus der griechischen Götterwelt, aus wichtigen Ereignissen der Römischen Geschichte oder Motiven des Alten Testaments und sollte dem Publikum zugleich moralischer Kompass sein bzw. die Folgen aufzeigen, wenn kein tadelloses Verhalten an den Tag gelegt wird. "Es war keine Erfindung des 18. Jahrhunderts", betonte Kuratorin Zaunbauer, habe aber in dieser Zeit einen Bruch erfahren, als im Klassizismus eine inhaltliche und stilistische Hinwendung zur Antike erfolgte und damit auch nach Einfachheit und Klarheit gesucht wurde. Die Gattung galt damals als Königsdisziplin, mussten die Künstler doch das Stillleben für die exakte Wiedergabe etwa der Waffen genauso beherrschen wie die Landschaftsmalerei für die fast opernhafte Bühnengestaltung. Das Wissen um die antike Skulptur für die Darstellung des Körpers gehörte ebenso zum Grundwerkzeug der Genrevertreter.

Wer beim Spaziergang durch die Präsentation erst einmal von Ratlosigkeit übermannt wird, sei getröstet. Auch der Hausherr selbst habe beim Durchsehen in vielen Fällen weder Sujet noch Titel der Arbeiten identifizieren können, räumte Schröder ein: "Wir stehen davor wie vor einem Dinosaurier, dessen Größe wir bewundern, aber dessen Gestalt wir kaum erkennen können." Doch auch den Zeitgenossen dürfte es vielfach ähnlich ergangen sein. Denn die Sujets waren schon damals eher elitäre Bilderrätsel, über deren Inhalt die Sammler einst "in geselliger Runde" ausführlich diskutiert hätten, meinte Zaunbauer. Kopfarbeit war nämlich durchaus intendiert, Bildung ein Ideal. "Sie werden viele Titel lesen, von denen Sie noch nie gehört haben", kündigte Zaunbauer den Besuchern an. Nachsatz: "Die Titel, die wir gefunden haben, müssen auch nicht stimmen." Für zweckdienliche Hinweise sei man offen.

Die Bandbreite der Themen umfasst griechische Mythen von Robert von Langer, literarische Motive von Johann von Füssli oder römische Geschichte von Angelika Kauffmann, womit auch eine Frau in der Ausstellung vertreten ist. Einen besonderen Fokus legt die Ausstellung auf den aus Heilbronn gebürtigen Meister Heinrich Friedrich Füger (1751-1818), der als Direktor der Akademie Wien für einige Jahrzehnte zu einem Zentrum des Klassizismus machte. Seinem Schaffen ist ein eigener Raum gewidmet.

Schröder strich nicht zuletzt das große Pathos der Historienbilder heraus. Er habe in jungen Jahren noch ein Burgtheater erlebt, wo ein Schauspieler "Sein oder nicht Sein" nicht sagen konnte, "ohne dabei den Arm mindestens eineinhalb Meter von sich zu strecken". "Bei diesen Bildern wird bei jeder Äußerung der Arm mindestens zweieinhalb Meter weggestreckt."

Welchen Stellenwert die Gattung im 18. Jahrhundert hatte, zeigt sich nicht zuletzt am Beispiel des wuchtigen Werks "Die Kämpfe des Diomedes" aus 1776 von Jacques-Louis David mit einem Sujet aus Homers "Ilias". Nach diesem Bild sei fast zwei Jahrhunderte "gefahndet" worden, erzählte Schröder - und zwar insofern, als nicht bekannt war, für welche Arbeit der Künstler 1774 den renommierten "Prix de Rome" erhalten hatte. Erst 1956 stellte sich heraus, dass er die Auszeichnung für das erwähnte Bild bekommen hatte - "nicht für Öl auf Leinwand, sondern für eine Zeichnung". Herausgefunden hatte das der österreichische Kunsthistoriker Werner Hofmann, der in den 50er-Jahren in der Albertina tätig war und später Direktor des "Museums des 20. Jahrhunderts" - dem Vorläufer des heutigen Museums moderner Kunst (mumok) - wurde.

(S E R V I C E - "Götter, Helden und Verräter. Das Historienbild um 1800" in der Albertina, ab Freitag und bis 27. August, Katalog 216 S., 34,90 Euro, www.albertina.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Er wolle "nicht abschrecken" vor dieser Ausstellung - das streicht Klaus Albrecht Schröder zur neuen Schau seines Hauses extra hervor.
  • Und die Albertina erinnert dabei auch an ihre eigenen Anfänge.

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